Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Addfellowsljip.

Durch Zufall, meinen guten Freund, gerieth mir dieser Tage die Nummer
eines Blattes in die Hand, welches sich "Herz und Hand" nannte und sich
unter diesem Titel als "Offizielles Organ für die Interessen des Unabhängigen
Ordens der Ott Fellows" bezeichnete. Es war "Berlin, den 18. April"
datirt und hatte nach einer Notiz oben in der linken Ecke bereits den vierten
Jahrgang erlebt. Im Uebrigen war es für mich ein Buch mit sieben Siegeln,
Hieroglyphe, Keilschrift, obwohl in der Sprache meiner Mutter geschrieben
und mit bekannten lateinischen Lettern gedruckt, ungefähr denselben Lettern,
die uns auf der Schule den Genuß des "Goldner Esels" von Apulejus ver¬
mittelten. Da ich nun ein Liebhaber geheimer Dinge bin, mich gern mit
Aufhellung von Dunkelheiten befasse und gerade nichts Besseres zu thun wußte,
so beschloß ich, mich an die Enträthselung der Sache zu machen und das Er¬
gebniß meiner Arbeit, wenn es sich der Mühe verlohnte, den Lesern der "Grünen
Blätter" mitzutheilen.

Die Entzifferung gelang nach Ueberwindung einiger Schwierigkeiten. Ob
das Ergebniß die Mühe bezahlte, möge löbliche Redaction bestimmen. Mir
scheint es fast so. Jedenfalls werden die Leser eine vergnügte Stunde davon haben.

Zunächst ohne andere Hülfsmittel, mußte ich mich bei der Lüftung des
Schleiers an das Blatt selbst halten. Ich wendete es um und um, fand
aber anfangs nur Räthsel und wieder Räthsel. Ueber dem Titel sah mich ein
strahlenumgebnes Auge an, von dem ich nicht recht wußte, ob es mir wohl
wollte, oder ob es verdrießlich über den neugierigen Eindringling in die Region
war, die unter ihm dämmerte. Selbst wohlwollender Natur, nahm ich an,
es sei auch von dieser Gesinnung, und siehe, jetzt lächelte das Auge. Das
war ermuthigend, und ich stieg getrost weiter in die Tiefe. Unter dem Auge
standen, durch Kettenglieder mit einander verbunden, die Buchstaben I. O. O. F.
Unter diesen wieder befand sich eine Hand, welche dem Leser ihre innere Fläche
zukehrte, die fünf Finger nach oben streckte und dem Strahlenauge eine Zwie¬
bel oder ein Herz darzubieten schien. Da das Auge nicht weinte, was in
solcher Nähe einer Zwiebel der Fall zu sein pflegt, sondern zu lächeln fort¬
fuhr, so mußte es ein Herz sein sollen. Noch weiter unten fand sich, während


Grenzboten II. 187S. 26
Addfellowsljip.

Durch Zufall, meinen guten Freund, gerieth mir dieser Tage die Nummer
eines Blattes in die Hand, welches sich „Herz und Hand" nannte und sich
unter diesem Titel als „Offizielles Organ für die Interessen des Unabhängigen
Ordens der Ott Fellows" bezeichnete. Es war „Berlin, den 18. April"
datirt und hatte nach einer Notiz oben in der linken Ecke bereits den vierten
Jahrgang erlebt. Im Uebrigen war es für mich ein Buch mit sieben Siegeln,
Hieroglyphe, Keilschrift, obwohl in der Sprache meiner Mutter geschrieben
und mit bekannten lateinischen Lettern gedruckt, ungefähr denselben Lettern,
die uns auf der Schule den Genuß des „Goldner Esels" von Apulejus ver¬
mittelten. Da ich nun ein Liebhaber geheimer Dinge bin, mich gern mit
Aufhellung von Dunkelheiten befasse und gerade nichts Besseres zu thun wußte,
so beschloß ich, mich an die Enträthselung der Sache zu machen und das Er¬
gebniß meiner Arbeit, wenn es sich der Mühe verlohnte, den Lesern der „Grünen
Blätter" mitzutheilen.

Die Entzifferung gelang nach Ueberwindung einiger Schwierigkeiten. Ob
das Ergebniß die Mühe bezahlte, möge löbliche Redaction bestimmen. Mir
scheint es fast so. Jedenfalls werden die Leser eine vergnügte Stunde davon haben.

Zunächst ohne andere Hülfsmittel, mußte ich mich bei der Lüftung des
Schleiers an das Blatt selbst halten. Ich wendete es um und um, fand
aber anfangs nur Räthsel und wieder Räthsel. Ueber dem Titel sah mich ein
strahlenumgebnes Auge an, von dem ich nicht recht wußte, ob es mir wohl
wollte, oder ob es verdrießlich über den neugierigen Eindringling in die Region
war, die unter ihm dämmerte. Selbst wohlwollender Natur, nahm ich an,
es sei auch von dieser Gesinnung, und siehe, jetzt lächelte das Auge. Das
war ermuthigend, und ich stieg getrost weiter in die Tiefe. Unter dem Auge
standen, durch Kettenglieder mit einander verbunden, die Buchstaben I. O. O. F.
Unter diesen wieder befand sich eine Hand, welche dem Leser ihre innere Fläche
zukehrte, die fünf Finger nach oben streckte und dem Strahlenauge eine Zwie¬
bel oder ein Herz darzubieten schien. Da das Auge nicht weinte, was in
solcher Nähe einer Zwiebel der Fall zu sein pflegt, sondern zu lächeln fort¬
fuhr, so mußte es ein Herz sein sollen. Noch weiter unten fand sich, während


Grenzboten II. 187S. 26
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div type="corrigenda" n="1">
          <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133493"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Addfellowsljip.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_664"> Durch Zufall, meinen guten Freund, gerieth mir dieser Tage die Nummer<lb/>
eines Blattes in die Hand, welches sich &#x201E;Herz und Hand" nannte und sich<lb/>
unter diesem Titel als &#x201E;Offizielles Organ für die Interessen des Unabhängigen<lb/>
Ordens der Ott Fellows" bezeichnete. Es war &#x201E;Berlin, den 18. April"<lb/>
datirt und hatte nach einer Notiz oben in der linken Ecke bereits den vierten<lb/>
Jahrgang erlebt. Im Uebrigen war es für mich ein Buch mit sieben Siegeln,<lb/>
Hieroglyphe, Keilschrift, obwohl in der Sprache meiner Mutter geschrieben<lb/>
und mit bekannten lateinischen Lettern gedruckt, ungefähr denselben Lettern,<lb/>
die uns auf der Schule den Genuß des &#x201E;Goldner Esels" von Apulejus ver¬<lb/>
mittelten. Da ich nun ein Liebhaber geheimer Dinge bin, mich gern mit<lb/>
Aufhellung von Dunkelheiten befasse und gerade nichts Besseres zu thun wußte,<lb/>
so beschloß ich, mich an die Enträthselung der Sache zu machen und das Er¬<lb/>
gebniß meiner Arbeit, wenn es sich der Mühe verlohnte, den Lesern der &#x201E;Grünen<lb/>
Blätter" mitzutheilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_665"> Die Entzifferung gelang nach Ueberwindung einiger Schwierigkeiten. Ob<lb/>
das Ergebniß die Mühe bezahlte, möge löbliche Redaction bestimmen. Mir<lb/>
scheint es fast so. Jedenfalls werden die Leser eine vergnügte Stunde davon haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_666" next="#ID_667"> Zunächst ohne andere Hülfsmittel, mußte ich mich bei der Lüftung des<lb/>
Schleiers an das Blatt selbst halten. Ich wendete es um und um, fand<lb/>
aber anfangs nur Räthsel und wieder Räthsel. Ueber dem Titel sah mich ein<lb/>
strahlenumgebnes Auge an, von dem ich nicht recht wußte, ob es mir wohl<lb/>
wollte, oder ob es verdrießlich über den neugierigen Eindringling in die Region<lb/>
war, die unter ihm dämmerte. Selbst wohlwollender Natur, nahm ich an,<lb/>
es sei auch von dieser Gesinnung, und siehe, jetzt lächelte das Auge. Das<lb/>
war ermuthigend, und ich stieg getrost weiter in die Tiefe. Unter dem Auge<lb/>
standen, durch Kettenglieder mit einander verbunden, die Buchstaben I. O. O. F.<lb/>
Unter diesen wieder befand sich eine Hand, welche dem Leser ihre innere Fläche<lb/>
zukehrte, die fünf Finger nach oben streckte und dem Strahlenauge eine Zwie¬<lb/>
bel oder ein Herz darzubieten schien. Da das Auge nicht weinte, was in<lb/>
solcher Nähe einer Zwiebel der Fall zu sein pflegt, sondern zu lächeln fort¬<lb/>
fuhr, so mußte es ein Herz sein sollen. Noch weiter unten fand sich, während</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 187S. 26</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0205] Addfellowsljip. Durch Zufall, meinen guten Freund, gerieth mir dieser Tage die Nummer eines Blattes in die Hand, welches sich „Herz und Hand" nannte und sich unter diesem Titel als „Offizielles Organ für die Interessen des Unabhängigen Ordens der Ott Fellows" bezeichnete. Es war „Berlin, den 18. April" datirt und hatte nach einer Notiz oben in der linken Ecke bereits den vierten Jahrgang erlebt. Im Uebrigen war es für mich ein Buch mit sieben Siegeln, Hieroglyphe, Keilschrift, obwohl in der Sprache meiner Mutter geschrieben und mit bekannten lateinischen Lettern gedruckt, ungefähr denselben Lettern, die uns auf der Schule den Genuß des „Goldner Esels" von Apulejus ver¬ mittelten. Da ich nun ein Liebhaber geheimer Dinge bin, mich gern mit Aufhellung von Dunkelheiten befasse und gerade nichts Besseres zu thun wußte, so beschloß ich, mich an die Enträthselung der Sache zu machen und das Er¬ gebniß meiner Arbeit, wenn es sich der Mühe verlohnte, den Lesern der „Grünen Blätter" mitzutheilen. Die Entzifferung gelang nach Ueberwindung einiger Schwierigkeiten. Ob das Ergebniß die Mühe bezahlte, möge löbliche Redaction bestimmen. Mir scheint es fast so. Jedenfalls werden die Leser eine vergnügte Stunde davon haben. Zunächst ohne andere Hülfsmittel, mußte ich mich bei der Lüftung des Schleiers an das Blatt selbst halten. Ich wendete es um und um, fand aber anfangs nur Räthsel und wieder Räthsel. Ueber dem Titel sah mich ein strahlenumgebnes Auge an, von dem ich nicht recht wußte, ob es mir wohl wollte, oder ob es verdrießlich über den neugierigen Eindringling in die Region war, die unter ihm dämmerte. Selbst wohlwollender Natur, nahm ich an, es sei auch von dieser Gesinnung, und siehe, jetzt lächelte das Auge. Das war ermuthigend, und ich stieg getrost weiter in die Tiefe. Unter dem Auge standen, durch Kettenglieder mit einander verbunden, die Buchstaben I. O. O. F. Unter diesen wieder befand sich eine Hand, welche dem Leser ihre innere Fläche zukehrte, die fünf Finger nach oben streckte und dem Strahlenauge eine Zwie¬ bel oder ein Herz darzubieten schien. Da das Auge nicht weinte, was in solcher Nähe einer Zwiebel der Fall zu sein pflegt, sondern zu lächeln fort¬ fuhr, so mußte es ein Herz sein sollen. Noch weiter unten fand sich, während Grenzboten II. 187S. 26

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/205
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/205>, abgerufen am 06.05.2024.