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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Inder aus dem Kirchlichen Leben in WneriKa.
Von Moritz Busch. I.

Farmer oder Pastor? -- Geistliche Ressourcen. -- Amerikanische Pastoren und
Kirchenräthe. -- Skandalseene. -- Ein freundlicheres Bild. -- Abermals Skandal. --
Squatter und Pfarrer.

Olmütz hatte mich nach Amerika getrieben -- Olmütz und die auch gegen
die demokratischen Hoffnungen und Bestrebungen der Deutschen hereingebrochne
Reaction; denn ich hatte in der famosen Sonnabendsgesellschaft in Stolpe's
Restauration zu Robert Blum's Füßen gesessen und in den Erfahrungen des
Lebens noch nicht wieder verlernt, was ich dort und später im Naterlcmds-
verein an politischer Weisheit eingesogen. Dießseits des großen Wassers war
es -- so wähnte ich -- mit jenen Hoffnungen für meine Lebenszeit aus, jen¬
seits -- so träumte ich -- blühte ihre Erfüllung und trug gute Früchte,
darunter auch goldene.

Ich dachte drüben mit einem Vetter, der den altenburgischen Gutsver¬
walter aufgegeben, sich in Ohio bereits in verschiedenen Stellungen versucht
und namentlich den dortigen Betrieb der Landwirthschaft praktisch kennen
gelernt hatte, Farmer im Hinterwalde zu werden und -- des Vaterlandes zu
vergessen.

Beides erwies sich in der Folge als schwerer, wie ich gemeint, und ich
muß hiervon fast unmittelbar nach meiner Landung in New-Uork wenigstens
in Betreff meiner Qualification zum Blockhüttenbewohner und Urwaldsbauer
eine Ahnung gehabt haben. Denn, als ich eines schönen Morgens beim
Zeitungslesen auf eine Einladung zur Bewerbung um eine gutdotirte Pastoren¬
stelle stieß, hing ich gelassen den Farmer an den Nagel und beschloß, wenn
das Glück wohl wollte, statt der Eichen, Hickorybäume und Zuckerahorne in
der Wildniß des Maumee oder Miami lieber geistiges Gestrüpp und Unkraut
zu roder und statt irdischer Aecker himmlische zu pflügen und zu bepflanzen
-- ein Entschluß, der, wie man sogleich erfahren wird, nicht unerklärlich und,
wie man später gewahr werden soll, in Amerika durchaus nicht ohne Vor¬
gang war.

Die erwähnte Stelle war die des Pastors an der Pauluskirche in Cin-
cinnati, und über Cincinnati führte der Weg zu Vetter Theodor in Dayton.
Die pfarrersbedürftige Gemeinde ferner war eine deutsche. Ich konnte mich
ihr endlich mit gutem Gewissen widmen ; denn ich hatte Theologie studirt
ich hatte sie sogar "mit heißem Bemühn" und -- Beweis das bestandene


Inder aus dem Kirchlichen Leben in WneriKa.
Von Moritz Busch. I.

Farmer oder Pastor? — Geistliche Ressourcen. — Amerikanische Pastoren und
Kirchenräthe. — Skandalseene. — Ein freundlicheres Bild. — Abermals Skandal. —
Squatter und Pfarrer.

Olmütz hatte mich nach Amerika getrieben — Olmütz und die auch gegen
die demokratischen Hoffnungen und Bestrebungen der Deutschen hereingebrochne
Reaction; denn ich hatte in der famosen Sonnabendsgesellschaft in Stolpe's
Restauration zu Robert Blum's Füßen gesessen und in den Erfahrungen des
Lebens noch nicht wieder verlernt, was ich dort und später im Naterlcmds-
verein an politischer Weisheit eingesogen. Dießseits des großen Wassers war
es — so wähnte ich — mit jenen Hoffnungen für meine Lebenszeit aus, jen¬
seits — so träumte ich — blühte ihre Erfüllung und trug gute Früchte,
darunter auch goldene.

Ich dachte drüben mit einem Vetter, der den altenburgischen Gutsver¬
walter aufgegeben, sich in Ohio bereits in verschiedenen Stellungen versucht
und namentlich den dortigen Betrieb der Landwirthschaft praktisch kennen
gelernt hatte, Farmer im Hinterwalde zu werden und — des Vaterlandes zu
vergessen.

Beides erwies sich in der Folge als schwerer, wie ich gemeint, und ich
muß hiervon fast unmittelbar nach meiner Landung in New-Uork wenigstens
in Betreff meiner Qualification zum Blockhüttenbewohner und Urwaldsbauer
eine Ahnung gehabt haben. Denn, als ich eines schönen Morgens beim
Zeitungslesen auf eine Einladung zur Bewerbung um eine gutdotirte Pastoren¬
stelle stieß, hing ich gelassen den Farmer an den Nagel und beschloß, wenn
das Glück wohl wollte, statt der Eichen, Hickorybäume und Zuckerahorne in
der Wildniß des Maumee oder Miami lieber geistiges Gestrüpp und Unkraut
zu roder und statt irdischer Aecker himmlische zu pflügen und zu bepflanzen
— ein Entschluß, der, wie man sogleich erfahren wird, nicht unerklärlich und,
wie man später gewahr werden soll, in Amerika durchaus nicht ohne Vor¬
gang war.

Die erwähnte Stelle war die des Pastors an der Pauluskirche in Cin-
cinnati, und über Cincinnati führte der Weg zu Vetter Theodor in Dayton.
Die pfarrersbedürftige Gemeinde ferner war eine deutsche. Ich konnte mich
ihr endlich mit gutem Gewissen widmen ; denn ich hatte Theologie studirt
ich hatte sie sogar „mit heißem Bemühn" und — Beweis das bestandene


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[0022] Inder aus dem Kirchlichen Leben in WneriKa. Von Moritz Busch. I. Farmer oder Pastor? — Geistliche Ressourcen. — Amerikanische Pastoren und Kirchenräthe. — Skandalseene. — Ein freundlicheres Bild. — Abermals Skandal. — Squatter und Pfarrer. Olmütz hatte mich nach Amerika getrieben — Olmütz und die auch gegen die demokratischen Hoffnungen und Bestrebungen der Deutschen hereingebrochne Reaction; denn ich hatte in der famosen Sonnabendsgesellschaft in Stolpe's Restauration zu Robert Blum's Füßen gesessen und in den Erfahrungen des Lebens noch nicht wieder verlernt, was ich dort und später im Naterlcmds- verein an politischer Weisheit eingesogen. Dießseits des großen Wassers war es — so wähnte ich — mit jenen Hoffnungen für meine Lebenszeit aus, jen¬ seits — so träumte ich — blühte ihre Erfüllung und trug gute Früchte, darunter auch goldene. Ich dachte drüben mit einem Vetter, der den altenburgischen Gutsver¬ walter aufgegeben, sich in Ohio bereits in verschiedenen Stellungen versucht und namentlich den dortigen Betrieb der Landwirthschaft praktisch kennen gelernt hatte, Farmer im Hinterwalde zu werden und — des Vaterlandes zu vergessen. Beides erwies sich in der Folge als schwerer, wie ich gemeint, und ich muß hiervon fast unmittelbar nach meiner Landung in New-Uork wenigstens in Betreff meiner Qualification zum Blockhüttenbewohner und Urwaldsbauer eine Ahnung gehabt haben. Denn, als ich eines schönen Morgens beim Zeitungslesen auf eine Einladung zur Bewerbung um eine gutdotirte Pastoren¬ stelle stieß, hing ich gelassen den Farmer an den Nagel und beschloß, wenn das Glück wohl wollte, statt der Eichen, Hickorybäume und Zuckerahorne in der Wildniß des Maumee oder Miami lieber geistiges Gestrüpp und Unkraut zu roder und statt irdischer Aecker himmlische zu pflügen und zu bepflanzen — ein Entschluß, der, wie man sogleich erfahren wird, nicht unerklärlich und, wie man später gewahr werden soll, in Amerika durchaus nicht ohne Vor¬ gang war. Die erwähnte Stelle war die des Pastors an der Pauluskirche in Cin- cinnati, und über Cincinnati führte der Weg zu Vetter Theodor in Dayton. Die pfarrersbedürftige Gemeinde ferner war eine deutsche. Ich konnte mich ihr endlich mit gutem Gewissen widmen ; denn ich hatte Theologie studirt ich hatte sie sogar „mit heißem Bemühn" und — Beweis das bestandene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/22>, abgerufen am 06.05.2024.