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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres
34. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post-
anstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 7 Mark SO Pfennige.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1875. Die Werlagshandlung.

Aas Wesen und die Bedeutung der deutschen
Socialdemokratie.*)
Von Theodor von der Goltz.

Unlängst haben zwei hervorragende deutsche Gelehrte in den Preußischen
Jahrbüchern ihre Gedanken über die sogenannte "sociale Frage" ausgesprochen.
Schmolk er hat in einer, zunächst als Vortrag vor das Publikum gebrachten
Abhandlung "die sociale Frage und der preußische Staat"**)
die Ansicht zu vertheidigen versucht, daß es jetzt die Aufgabe des Staats und
speciell des preußischen Königthums sei, den vierten Stand in derselben Weise
harmonisch in den staatlichen und gesellschaftlichen Organismus einzufügen,
wie dies Seitens der Hohenzollern früher in Bezug auf den Bürger- und
Bauernstand mit ebenso großer Energie als glücklichem Erfolge geschehen sei.
H. von Treitschke dagegen hat, theilweise in entschiedenem Widerspruch
gegen Schmoller'sche Behauptungen, in zwei Artikeln "der Socialismus
und seine Gönner" wesentlich den Beweis dafür zu erbringen unternom¬
men***), daß der moderne Socialismus ein mit jeder staatlichen und gesell¬
schaftlichen Ordnung unverträgliches Gebilde darstelle, welches keinen Anspruch
auf Schonung oder nur auf ernsthafte Berücksichtigung verdiene. Es liegt
nun keineswegs in meiner Absicht, im Einzelnen zu untersuchen, welcher von
beiden Männern, deren jeder auf dem Gebiete seiner Wissenschaft Hervor¬
ragendes geleistet hat, nach meiner Auffassung im Rechte sich befindet; dieser
Aufgabe glaube ich mich schon deshalb entschlagen zu müssen, weil die Aus¬
gangspunkte beider Männer so verschiedenartige sind, daß sie kaum einen
direkten Vergleich möglich machen. Schmoller als Lehrer der Staatswissen¬
schaften und als gründlicher Kenner der bestehenden wirthschaftlichen Zustände
basirt seine Beweisführung auf die unwiderlegliche Thatsache, daß die moderne
wirthschaftliche Entwicklung in Bezug auf die Klasse der Arbeiter eine Neihe
von Mißständen zu Tage gefördert habe, deren baldige Beseitigung zu den





") Vortrag gehalten am 20. März 1875 zur Feier des Gelmrtsfestcs des deutschen Kaisers
in der öffentlichen Sitzung der deutschen Gesellschaft zu Königsberg.
") A. a. O. Bd. XXXIII., 323 -- 342.
N. a. O. Bd. XXXlV., S. 07 -- 110 und S. 248 -- 30".
Grenzboten II. 1875. 6

Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres
34. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post-
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Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1875. Die Werlagshandlung.

Aas Wesen und die Bedeutung der deutschen
Socialdemokratie.*)
Von Theodor von der Goltz.

Unlängst haben zwei hervorragende deutsche Gelehrte in den Preußischen
Jahrbüchern ihre Gedanken über die sogenannte „sociale Frage" ausgesprochen.
Schmolk er hat in einer, zunächst als Vortrag vor das Publikum gebrachten
Abhandlung „die sociale Frage und der preußische Staat"**)
die Ansicht zu vertheidigen versucht, daß es jetzt die Aufgabe des Staats und
speciell des preußischen Königthums sei, den vierten Stand in derselben Weise
harmonisch in den staatlichen und gesellschaftlichen Organismus einzufügen,
wie dies Seitens der Hohenzollern früher in Bezug auf den Bürger- und
Bauernstand mit ebenso großer Energie als glücklichem Erfolge geschehen sei.
H. von Treitschke dagegen hat, theilweise in entschiedenem Widerspruch
gegen Schmoller'sche Behauptungen, in zwei Artikeln „der Socialismus
und seine Gönner" wesentlich den Beweis dafür zu erbringen unternom¬
men***), daß der moderne Socialismus ein mit jeder staatlichen und gesell¬
schaftlichen Ordnung unverträgliches Gebilde darstelle, welches keinen Anspruch
auf Schonung oder nur auf ernsthafte Berücksichtigung verdiene. Es liegt
nun keineswegs in meiner Absicht, im Einzelnen zu untersuchen, welcher von
beiden Männern, deren jeder auf dem Gebiete seiner Wissenschaft Hervor¬
ragendes geleistet hat, nach meiner Auffassung im Rechte sich befindet; dieser
Aufgabe glaube ich mich schon deshalb entschlagen zu müssen, weil die Aus¬
gangspunkte beider Männer so verschiedenartige sind, daß sie kaum einen
direkten Vergleich möglich machen. Schmoller als Lehrer der Staatswissen¬
schaften und als gründlicher Kenner der bestehenden wirthschaftlichen Zustände
basirt seine Beweisführung auf die unwiderlegliche Thatsache, daß die moderne
wirthschaftliche Entwicklung in Bezug auf die Klasse der Arbeiter eine Neihe
von Mißständen zu Tage gefördert habe, deren baldige Beseitigung zu den





") Vortrag gehalten am 20. März 1875 zur Feier des Gelmrtsfestcs des deutschen Kaisers
in der öffentlichen Sitzung der deutschen Gesellschaft zu Königsberg.
") A. a. O. Bd. XXXIII., 323 — 342.
N. a. O. Bd. XXXlV., S. 07 — 110 und S. 248 — 30».
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[0045] Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres 34. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post- anstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal 7 Mark SO Pfennige. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten. Leipzig, im März 1875. Die Werlagshandlung. Aas Wesen und die Bedeutung der deutschen Socialdemokratie.*) Von Theodor von der Goltz. Unlängst haben zwei hervorragende deutsche Gelehrte in den Preußischen Jahrbüchern ihre Gedanken über die sogenannte „sociale Frage" ausgesprochen. Schmolk er hat in einer, zunächst als Vortrag vor das Publikum gebrachten Abhandlung „die sociale Frage und der preußische Staat"**) die Ansicht zu vertheidigen versucht, daß es jetzt die Aufgabe des Staats und speciell des preußischen Königthums sei, den vierten Stand in derselben Weise harmonisch in den staatlichen und gesellschaftlichen Organismus einzufügen, wie dies Seitens der Hohenzollern früher in Bezug auf den Bürger- und Bauernstand mit ebenso großer Energie als glücklichem Erfolge geschehen sei. H. von Treitschke dagegen hat, theilweise in entschiedenem Widerspruch gegen Schmoller'sche Behauptungen, in zwei Artikeln „der Socialismus und seine Gönner" wesentlich den Beweis dafür zu erbringen unternom¬ men***), daß der moderne Socialismus ein mit jeder staatlichen und gesell¬ schaftlichen Ordnung unverträgliches Gebilde darstelle, welches keinen Anspruch auf Schonung oder nur auf ernsthafte Berücksichtigung verdiene. Es liegt nun keineswegs in meiner Absicht, im Einzelnen zu untersuchen, welcher von beiden Männern, deren jeder auf dem Gebiete seiner Wissenschaft Hervor¬ ragendes geleistet hat, nach meiner Auffassung im Rechte sich befindet; dieser Aufgabe glaube ich mich schon deshalb entschlagen zu müssen, weil die Aus¬ gangspunkte beider Männer so verschiedenartige sind, daß sie kaum einen direkten Vergleich möglich machen. Schmoller als Lehrer der Staatswissen¬ schaften und als gründlicher Kenner der bestehenden wirthschaftlichen Zustände basirt seine Beweisführung auf die unwiderlegliche Thatsache, daß die moderne wirthschaftliche Entwicklung in Bezug auf die Klasse der Arbeiter eine Neihe von Mißständen zu Tage gefördert habe, deren baldige Beseitigung zu den ") Vortrag gehalten am 20. März 1875 zur Feier des Gelmrtsfestcs des deutschen Kaisers in der öffentlichen Sitzung der deutschen Gesellschaft zu Königsberg. ") A. a. O. Bd. XXXIII., 323 — 342. N. a. O. Bd. XXXlV., S. 07 — 110 und S. 248 — 30». Grenzboten II. 1875. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/45>, abgerufen am 06.05.2024.