Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Betrachtungen user die JanKfrage.
Von Max Wirth.

Das Reichsbankgesetz ist zwar soeben promulgirt worden und damit die
Bankfrage im deutschen Reiche für eine geraume Zeit von der Tagesordnung
abgestellt. Allein da bereits Stimmen laut werden, welche die Möglichkeit
der freiwilligen Verzichtleistung eines Theils der deutschen Privatbanken auf
ihr Emissionsrecht in Aussicht stellen und da während der Discussion über
das Bankgesetz die Vorzüge der Centralisation und Decentralisation der
Notenausgabe nicht eingehend gegen einander abgewogen wurden, so mag es
im Hinblick auf die künftige Entwicklung der deutschen Privatzettelbanken im¬
mer noch von Interesse sein in kurzen Zügen die Haupterfahrungen des
Zettelbankwesens in verschiedenen Ländern zu mustern. Wir werden dazu
noch durch eine besondere Veranlassung bewogen. Am 5. April ist der erste
Congreß österreichischer Volkswirthe in Wien zusammengetreten. Auf demselben
wird auch die Bankfrage erörtert werden. Es handelt sich dort nämlich
darum, ob bei dem in zwei Jahren erfolgenden Erlöschen des Privilegiums
der österreichischen Nationalbank 1. die bisherige Organisation erneuert oder
2. neben der Oesterreichischen Nationalbank noch eine selbständige ungarische
Notenbank errichtet, oder ob 3. überhaupt die Zettelbankfreiheit proklamirt
werden soll. Für den letzteren Vorschlag tritt Dorn aus Trieft ein, der
zweite ist das Steckenpferd der Ungarn; zu Gunsten des ersteren wird Max
Wirth das Referat übernehmen. Wir sind durch die Gefälligkeit des Ver¬
fassers in Stand gesetzt, aus dem letzteren jetzt schon denjenigen Theil mitzu¬
theilen, welcher die allgemeinen Erfahrungen des Notenbankwesens behandelt
und auf welche der Referent seine speciellen Reformanträge basirt.

I.
Einheit oder Vielheit der Zettelbanken.

In Beziehung auf die Zweckmäßigkeit der Einheit oder der Vielheit der
Notenbanken sind in der neueren Zeit so vielfache Erfahrungen gemacht wor¬
den, daß die Frage gegenwärtig wissenschaftlich zu Gunsten der ersteren ent¬
schieden betrachtet werden kann, wie stark auch noch bis vor 10 Jahren die
Anhänger der Zettelbank - Freiheit in den Fachkreisen gewesen sein mögen.
Als die zweckmäßigste Organisation des Bankwesens hat sich diejenige Ein¬
richtung herausgestellt, welche Rossi schon vor Jahrzehnten in dem Satze
verkündigt hat: Freiheit der Nicht-Zettelbanken und Einheit der Noten-
Emission.

Die erstere ist durch die Reform der Gesetzgebung über die Aktiengesell-


Betrachtungen user die JanKfrage.
Von Max Wirth.

Das Reichsbankgesetz ist zwar soeben promulgirt worden und damit die
Bankfrage im deutschen Reiche für eine geraume Zeit von der Tagesordnung
abgestellt. Allein da bereits Stimmen laut werden, welche die Möglichkeit
der freiwilligen Verzichtleistung eines Theils der deutschen Privatbanken auf
ihr Emissionsrecht in Aussicht stellen und da während der Discussion über
das Bankgesetz die Vorzüge der Centralisation und Decentralisation der
Notenausgabe nicht eingehend gegen einander abgewogen wurden, so mag es
im Hinblick auf die künftige Entwicklung der deutschen Privatzettelbanken im¬
mer noch von Interesse sein in kurzen Zügen die Haupterfahrungen des
Zettelbankwesens in verschiedenen Ländern zu mustern. Wir werden dazu
noch durch eine besondere Veranlassung bewogen. Am 5. April ist der erste
Congreß österreichischer Volkswirthe in Wien zusammengetreten. Auf demselben
wird auch die Bankfrage erörtert werden. Es handelt sich dort nämlich
darum, ob bei dem in zwei Jahren erfolgenden Erlöschen des Privilegiums
der österreichischen Nationalbank 1. die bisherige Organisation erneuert oder
2. neben der Oesterreichischen Nationalbank noch eine selbständige ungarische
Notenbank errichtet, oder ob 3. überhaupt die Zettelbankfreiheit proklamirt
werden soll. Für den letzteren Vorschlag tritt Dorn aus Trieft ein, der
zweite ist das Steckenpferd der Ungarn; zu Gunsten des ersteren wird Max
Wirth das Referat übernehmen. Wir sind durch die Gefälligkeit des Ver¬
fassers in Stand gesetzt, aus dem letzteren jetzt schon denjenigen Theil mitzu¬
theilen, welcher die allgemeinen Erfahrungen des Notenbankwesens behandelt
und auf welche der Referent seine speciellen Reformanträge basirt.

I.
Einheit oder Vielheit der Zettelbanken.

In Beziehung auf die Zweckmäßigkeit der Einheit oder der Vielheit der
Notenbanken sind in der neueren Zeit so vielfache Erfahrungen gemacht wor¬
den, daß die Frage gegenwärtig wissenschaftlich zu Gunsten der ersteren ent¬
schieden betrachtet werden kann, wie stark auch noch bis vor 10 Jahren die
Anhänger der Zettelbank - Freiheit in den Fachkreisen gewesen sein mögen.
Als die zweckmäßigste Organisation des Bankwesens hat sich diejenige Ein¬
richtung herausgestellt, welche Rossi schon vor Jahrzehnten in dem Satze
verkündigt hat: Freiheit der Nicht-Zettelbanken und Einheit der Noten-
Emission.

Die erstere ist durch die Reform der Gesetzgebung über die Aktiengesell-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133359"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Betrachtungen user die JanKfrage.<lb/><note type="byline"> Von Max Wirth.</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_212"> Das Reichsbankgesetz ist zwar soeben promulgirt worden und damit die<lb/>
Bankfrage im deutschen Reiche für eine geraume Zeit von der Tagesordnung<lb/>
abgestellt. Allein da bereits Stimmen laut werden, welche die Möglichkeit<lb/>
der freiwilligen Verzichtleistung eines Theils der deutschen Privatbanken auf<lb/>
ihr Emissionsrecht in Aussicht stellen und da während der Discussion über<lb/>
das Bankgesetz die Vorzüge der Centralisation und Decentralisation der<lb/>
Notenausgabe nicht eingehend gegen einander abgewogen wurden, so mag es<lb/>
im Hinblick auf die künftige Entwicklung der deutschen Privatzettelbanken im¬<lb/>
mer noch von Interesse sein in kurzen Zügen die Haupterfahrungen des<lb/>
Zettelbankwesens in verschiedenen Ländern zu mustern. Wir werden dazu<lb/>
noch durch eine besondere Veranlassung bewogen. Am 5. April ist der erste<lb/>
Congreß österreichischer Volkswirthe in Wien zusammengetreten. Auf demselben<lb/>
wird auch die Bankfrage erörtert werden. Es handelt sich dort nämlich<lb/>
darum, ob bei dem in zwei Jahren erfolgenden Erlöschen des Privilegiums<lb/>
der österreichischen Nationalbank 1. die bisherige Organisation erneuert oder<lb/>
2. neben der Oesterreichischen Nationalbank noch eine selbständige ungarische<lb/>
Notenbank errichtet, oder ob 3. überhaupt die Zettelbankfreiheit proklamirt<lb/>
werden soll. Für den letzteren Vorschlag tritt Dorn aus Trieft ein, der<lb/>
zweite ist das Steckenpferd der Ungarn; zu Gunsten des ersteren wird Max<lb/>
Wirth das Referat übernehmen. Wir sind durch die Gefälligkeit des Ver¬<lb/>
fassers in Stand gesetzt, aus dem letzteren jetzt schon denjenigen Theil mitzu¬<lb/>
theilen, welcher die allgemeinen Erfahrungen des Notenbankwesens behandelt<lb/>
und auf welche der Referent seine speciellen Reformanträge basirt.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> I.<lb/>
Einheit oder Vielheit der Zettelbanken.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_213"> In Beziehung auf die Zweckmäßigkeit der Einheit oder der Vielheit der<lb/>
Notenbanken sind in der neueren Zeit so vielfache Erfahrungen gemacht wor¬<lb/>
den, daß die Frage gegenwärtig wissenschaftlich zu Gunsten der ersteren ent¬<lb/>
schieden betrachtet werden kann, wie stark auch noch bis vor 10 Jahren die<lb/>
Anhänger der Zettelbank - Freiheit in den Fachkreisen gewesen sein mögen.<lb/>
Als die zweckmäßigste Organisation des Bankwesens hat sich diejenige Ein¬<lb/>
richtung herausgestellt, welche Rossi schon vor Jahrzehnten in dem Satze<lb/>
verkündigt hat: Freiheit der Nicht-Zettelbanken und Einheit der Noten-<lb/>
Emission.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_214" next="#ID_215"> Die erstere ist durch die Reform der Gesetzgebung über die Aktiengesell-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0071] Betrachtungen user die JanKfrage. Von Max Wirth. Das Reichsbankgesetz ist zwar soeben promulgirt worden und damit die Bankfrage im deutschen Reiche für eine geraume Zeit von der Tagesordnung abgestellt. Allein da bereits Stimmen laut werden, welche die Möglichkeit der freiwilligen Verzichtleistung eines Theils der deutschen Privatbanken auf ihr Emissionsrecht in Aussicht stellen und da während der Discussion über das Bankgesetz die Vorzüge der Centralisation und Decentralisation der Notenausgabe nicht eingehend gegen einander abgewogen wurden, so mag es im Hinblick auf die künftige Entwicklung der deutschen Privatzettelbanken im¬ mer noch von Interesse sein in kurzen Zügen die Haupterfahrungen des Zettelbankwesens in verschiedenen Ländern zu mustern. Wir werden dazu noch durch eine besondere Veranlassung bewogen. Am 5. April ist der erste Congreß österreichischer Volkswirthe in Wien zusammengetreten. Auf demselben wird auch die Bankfrage erörtert werden. Es handelt sich dort nämlich darum, ob bei dem in zwei Jahren erfolgenden Erlöschen des Privilegiums der österreichischen Nationalbank 1. die bisherige Organisation erneuert oder 2. neben der Oesterreichischen Nationalbank noch eine selbständige ungarische Notenbank errichtet, oder ob 3. überhaupt die Zettelbankfreiheit proklamirt werden soll. Für den letzteren Vorschlag tritt Dorn aus Trieft ein, der zweite ist das Steckenpferd der Ungarn; zu Gunsten des ersteren wird Max Wirth das Referat übernehmen. Wir sind durch die Gefälligkeit des Ver¬ fassers in Stand gesetzt, aus dem letzteren jetzt schon denjenigen Theil mitzu¬ theilen, welcher die allgemeinen Erfahrungen des Notenbankwesens behandelt und auf welche der Referent seine speciellen Reformanträge basirt. I. Einheit oder Vielheit der Zettelbanken. In Beziehung auf die Zweckmäßigkeit der Einheit oder der Vielheit der Notenbanken sind in der neueren Zeit so vielfache Erfahrungen gemacht wor¬ den, daß die Frage gegenwärtig wissenschaftlich zu Gunsten der ersteren ent¬ schieden betrachtet werden kann, wie stark auch noch bis vor 10 Jahren die Anhänger der Zettelbank - Freiheit in den Fachkreisen gewesen sein mögen. Als die zweckmäßigste Organisation des Bankwesens hat sich diejenige Ein¬ richtung herausgestellt, welche Rossi schon vor Jahrzehnten in dem Satze verkündigt hat: Freiheit der Nicht-Zettelbanken und Einheit der Noten- Emission. Die erstere ist durch die Reform der Gesetzgebung über die Aktiengesell-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/71
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/71>, abgerufen am 06.05.2024.