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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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den möglich, mit etwa 90 -- 100-"?, also etwa 600 Thlrn., ihre Ausgaben
während eines Studienjahrs zu bestreiten. Mit dem zunehmenden Reichthum
der Collegien wurde auch das Leben in denselben immer luxuriöser, und so
war bald trotz der vielen Stipendien nur noch den Söhnen reicher und wohl¬
habender Eltern der Eintritt in dieselben möglich. Mit dieser Thatsache nun
ist die hauptsächlichste Schattenseite des englischen College-Systems bezeichnet,
nämlich die Kostspieligkeit des Studiums einerseits und die außerordentliche
Verschwendung von Hülfsmitteln andrerseits. Die Unterhaltung von so vielen
großartigen Gebäuden, die Besoldungen der großen Anzahl von Beamten und
Unterbeamten, die für das kleinste College, wie für das größte fast in der¬
selben Weise nöthig sind, verschlingen natürlich beträchtliche Summen, die,
wenn sie auch nicht den Studenten zur Last fallen, sondern vom College-Ein¬
kommen bestritten werden, doch wenigstens nicht ihnen und den Studien zu
Gute kommen.




König Aoderich.

Sicherlich ist es nicht oft vorgekommen, daß in einer sür das große deutsche
Publikum bestimmten Zeitschrift über ein künstlerisches Ereigniß aus
Königsberg Bericht erstattet werden muß. Aber jedem Freunde unserer dich¬
terischen Literatur liegt die Pflicht ob, einen Vorfall dieser Art, der allgemei¬
neres Interesse ansprechen darf, auch wirklich zu allgemeinerer Kenntniß zu
bringen. Es handelt sich um die erste Aufführung eines in großem Style
geschaffenen Dramas, das aus der Fluth langweiliger und unpoetischer Er¬
zeugnisse, mit denen wir überschwemmt werden, Aufsehen erregend hervorragt.

Vorab muß es anerkannt werden, daß die Leitung des Königsberger Stadt¬
theaters, über deren sonst übliche Leistungen ein Königsberger Patriot gut
thut, ein wohlwollendes Schweigen zu beobachten, den Entschluß gesaßt hat,
das dramatische Erstlingswerk eines in Königsberg lebenden Dichters zur
Aufführung zu bringen. Und auch der Ausstattung, dem Fleiß und der
Sorgfalt der Aufführung darf Lob gezollt werden, besonders im Hinblick auf
das, was wir Königsberger sonst zu genießen verurtheilt sind. Wenn das
neue Drama aber -- und das muß sofort hinzugefügt werden, -- gleich bei
der ersten Aufführung am 25. Februar einen durchschlagenden und hinreißen¬
den Erfolg sich errungen und in zahlreichen Wiederholungen stets aufs neue


den möglich, mit etwa 90 — 100-«?, also etwa 600 Thlrn., ihre Ausgaben
während eines Studienjahrs zu bestreiten. Mit dem zunehmenden Reichthum
der Collegien wurde auch das Leben in denselben immer luxuriöser, und so
war bald trotz der vielen Stipendien nur noch den Söhnen reicher und wohl¬
habender Eltern der Eintritt in dieselben möglich. Mit dieser Thatsache nun
ist die hauptsächlichste Schattenseite des englischen College-Systems bezeichnet,
nämlich die Kostspieligkeit des Studiums einerseits und die außerordentliche
Verschwendung von Hülfsmitteln andrerseits. Die Unterhaltung von so vielen
großartigen Gebäuden, die Besoldungen der großen Anzahl von Beamten und
Unterbeamten, die für das kleinste College, wie für das größte fast in der¬
selben Weise nöthig sind, verschlingen natürlich beträchtliche Summen, die,
wenn sie auch nicht den Studenten zur Last fallen, sondern vom College-Ein¬
kommen bestritten werden, doch wenigstens nicht ihnen und den Studien zu
Gute kommen.




König Aoderich.

Sicherlich ist es nicht oft vorgekommen, daß in einer sür das große deutsche
Publikum bestimmten Zeitschrift über ein künstlerisches Ereigniß aus
Königsberg Bericht erstattet werden muß. Aber jedem Freunde unserer dich¬
terischen Literatur liegt die Pflicht ob, einen Vorfall dieser Art, der allgemei¬
neres Interesse ansprechen darf, auch wirklich zu allgemeinerer Kenntniß zu
bringen. Es handelt sich um die erste Aufführung eines in großem Style
geschaffenen Dramas, das aus der Fluth langweiliger und unpoetischer Er¬
zeugnisse, mit denen wir überschwemmt werden, Aufsehen erregend hervorragt.

Vorab muß es anerkannt werden, daß die Leitung des Königsberger Stadt¬
theaters, über deren sonst übliche Leistungen ein Königsberger Patriot gut
thut, ein wohlwollendes Schweigen zu beobachten, den Entschluß gesaßt hat,
das dramatische Erstlingswerk eines in Königsberg lebenden Dichters zur
Aufführung zu bringen. Und auch der Ausstattung, dem Fleiß und der
Sorgfalt der Aufführung darf Lob gezollt werden, besonders im Hinblick auf
das, was wir Königsberger sonst zu genießen verurtheilt sind. Wenn das
neue Drama aber — und das muß sofort hinzugefügt werden, — gleich bei
der ersten Aufführung am 25. Februar einen durchschlagenden und hinreißen¬
den Erfolg sich errungen und in zahlreichen Wiederholungen stets aufs neue


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/95>, abgerufen am 06.05.2024.