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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Riesen und Zwerge, der Haimonskinder u. s. w- nach Sagen, welche bekanntlich
in Mecheln heimisch sind.

Der Umzug dauerte nach meiner Schätzung etwa drei Stunden. Später
fuhr der König, welcher beim Erzbischof abgestiegen war, im offenen Wagen
unter zahlreichen Acclamationen der Volksmenge mit einem Gefolge von
mehreren Wagen durch die Hauptstraßen.

Während der ganzen Dauer der Rombautfeier fand ein ununterbrochener
großartiger Jahrmarkt auf dem Egmontboulevard und auf dessen Umgebungen
statt. Derselbe bot mit seinen Buden, Schaubaracken, Zelten u. s. w. und
der gewaltigen Volksmenge, die dazwischen aus- und niederwogte, ein höchst
belebtes Bild dar. Hier trat manche Scene, die ich auf den Gemälden von
Ostade und Teniers gesehen hatte, verkörpert vor meine Blicke, wenn auch
nicht ganz so drastisch und derb, wie bei den alten Meistern des naturalisti¬
schen Stils.

Der wirklich ganz erstaunliche Glanz der Cavalcade, die prächtige Aus¬
schmückung der Stadt, die glänzende Illumination des Stadtparks, welche
den Tag des Anzuges würdig abschloß, alles legte Zeugniß ab von dem
guten Geschmack und vor allem von dem außerordentlichen Wohlstand der
Stadt Mecheln. Dem Gemeinderath gebührt für die Veranstaltung und An¬
ordnung der Festlichkeiten alle Anerkennung, und es ist demselben meines
Wissens nur ein einziger kleiner Schildbürgerstreich dabei begegnet. Auf dem
großen Platz hinter der Statue der Margarethe von Oestreich befindet sich ein
alter gothischer Bau, grau und unscheinbar, aber von edlem, reinem Stil.
Derselbe war den Wohlweisen nicht glänzend genug erschienen, und man hatte
deshalb eine colossale Theaterdecoration im Stil der sinkenden Renaissance vor
demselben aufgestellt und so das Meisterwerk gothischer Baukunst den Blicken
Dr. G. Dannehl. der Festgenossen entzogen.




Literatur.

Goethe und Dresden. Unter diesem Titel hat Woldemar Frei-
Herr von Biedermann, allen Freunden und Kennern der Goetheliteratur
wohlbekannt durch sein fleißiges und gründliches Buch "Goethe und Leipzig",
welches er 18V5 "zur hundertjährigen Wiederkehr des Tags von Goethe's
Aufnahme auf Leipzigs Hochschule" herausgab, vor wenigen Wochen ein
Büchlein veröffentlicht, in welchem er in ähnlicher Weise wie dort für Leipzig,
nun auch für Dresden eine Zusammenstellung aller noch nachweisbaren Be¬
ziehungen Goethe's zur sächsischen Residenzstadt unternimmt. Wieder ist es


Riesen und Zwerge, der Haimonskinder u. s. w- nach Sagen, welche bekanntlich
in Mecheln heimisch sind.

Der Umzug dauerte nach meiner Schätzung etwa drei Stunden. Später
fuhr der König, welcher beim Erzbischof abgestiegen war, im offenen Wagen
unter zahlreichen Acclamationen der Volksmenge mit einem Gefolge von
mehreren Wagen durch die Hauptstraßen.

Während der ganzen Dauer der Rombautfeier fand ein ununterbrochener
großartiger Jahrmarkt auf dem Egmontboulevard und auf dessen Umgebungen
statt. Derselbe bot mit seinen Buden, Schaubaracken, Zelten u. s. w. und
der gewaltigen Volksmenge, die dazwischen aus- und niederwogte, ein höchst
belebtes Bild dar. Hier trat manche Scene, die ich auf den Gemälden von
Ostade und Teniers gesehen hatte, verkörpert vor meine Blicke, wenn auch
nicht ganz so drastisch und derb, wie bei den alten Meistern des naturalisti¬
schen Stils.

Der wirklich ganz erstaunliche Glanz der Cavalcade, die prächtige Aus¬
schmückung der Stadt, die glänzende Illumination des Stadtparks, welche
den Tag des Anzuges würdig abschloß, alles legte Zeugniß ab von dem
guten Geschmack und vor allem von dem außerordentlichen Wohlstand der
Stadt Mecheln. Dem Gemeinderath gebührt für die Veranstaltung und An¬
ordnung der Festlichkeiten alle Anerkennung, und es ist demselben meines
Wissens nur ein einziger kleiner Schildbürgerstreich dabei begegnet. Auf dem
großen Platz hinter der Statue der Margarethe von Oestreich befindet sich ein
alter gothischer Bau, grau und unscheinbar, aber von edlem, reinem Stil.
Derselbe war den Wohlweisen nicht glänzend genug erschienen, und man hatte
deshalb eine colossale Theaterdecoration im Stil der sinkenden Renaissance vor
demselben aufgestellt und so das Meisterwerk gothischer Baukunst den Blicken
Dr. G. Dannehl. der Festgenossen entzogen.




Literatur.

Goethe und Dresden. Unter diesem Titel hat Woldemar Frei-
Herr von Biedermann, allen Freunden und Kennern der Goetheliteratur
wohlbekannt durch sein fleißiges und gründliches Buch „Goethe und Leipzig",
welches er 18V5 „zur hundertjährigen Wiederkehr des Tags von Goethe's
Aufnahme auf Leipzigs Hochschule" herausgab, vor wenigen Wochen ein
Büchlein veröffentlicht, in welchem er in ähnlicher Weise wie dort für Leipzig,
nun auch für Dresden eine Zusammenstellung aller noch nachweisbaren Be¬
ziehungen Goethe's zur sächsischen Residenzstadt unternimmt. Wieder ist es


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[0282] Riesen und Zwerge, der Haimonskinder u. s. w- nach Sagen, welche bekanntlich in Mecheln heimisch sind. Der Umzug dauerte nach meiner Schätzung etwa drei Stunden. Später fuhr der König, welcher beim Erzbischof abgestiegen war, im offenen Wagen unter zahlreichen Acclamationen der Volksmenge mit einem Gefolge von mehreren Wagen durch die Hauptstraßen. Während der ganzen Dauer der Rombautfeier fand ein ununterbrochener großartiger Jahrmarkt auf dem Egmontboulevard und auf dessen Umgebungen statt. Derselbe bot mit seinen Buden, Schaubaracken, Zelten u. s. w. und der gewaltigen Volksmenge, die dazwischen aus- und niederwogte, ein höchst belebtes Bild dar. Hier trat manche Scene, die ich auf den Gemälden von Ostade und Teniers gesehen hatte, verkörpert vor meine Blicke, wenn auch nicht ganz so drastisch und derb, wie bei den alten Meistern des naturalisti¬ schen Stils. Der wirklich ganz erstaunliche Glanz der Cavalcade, die prächtige Aus¬ schmückung der Stadt, die glänzende Illumination des Stadtparks, welche den Tag des Anzuges würdig abschloß, alles legte Zeugniß ab von dem guten Geschmack und vor allem von dem außerordentlichen Wohlstand der Stadt Mecheln. Dem Gemeinderath gebührt für die Veranstaltung und An¬ ordnung der Festlichkeiten alle Anerkennung, und es ist demselben meines Wissens nur ein einziger kleiner Schildbürgerstreich dabei begegnet. Auf dem großen Platz hinter der Statue der Margarethe von Oestreich befindet sich ein alter gothischer Bau, grau und unscheinbar, aber von edlem, reinem Stil. Derselbe war den Wohlweisen nicht glänzend genug erschienen, und man hatte deshalb eine colossale Theaterdecoration im Stil der sinkenden Renaissance vor demselben aufgestellt und so das Meisterwerk gothischer Baukunst den Blicken Dr. G. Dannehl. der Festgenossen entzogen. Literatur. Goethe und Dresden. Unter diesem Titel hat Woldemar Frei- Herr von Biedermann, allen Freunden und Kennern der Goetheliteratur wohlbekannt durch sein fleißiges und gründliches Buch „Goethe und Leipzig", welches er 18V5 „zur hundertjährigen Wiederkehr des Tags von Goethe's Aufnahme auf Leipzigs Hochschule" herausgab, vor wenigen Wochen ein Büchlein veröffentlicht, in welchem er in ähnlicher Weise wie dort für Leipzig, nun auch für Dresden eine Zusammenstellung aller noch nachweisbaren Be¬ ziehungen Goethe's zur sächsischen Residenzstadt unternimmt. Wieder ist es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/282>, abgerufen am 05.05.2024.