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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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magyarische Adel allein regiert hat, steht Ungarn hoffnungsloser da als je¬
mals. "An seinem Hochmuth wird mein Volk zu Grunde gehen" hat Graf
Szechenyi gesagt. Bisher haben die Magyaren alles gethan um ihm Recht
,
Otto Kaemmel. zu geben. '




Aphorismen zu den neuesten Ieitfragen.
Von L. P. Lange. Professor und Oberconsistorialrath zu Bonn.
2. Die weißen und die schwarzen Freimaurer.

Von den herkömmlichen Freimaurern wissen wir nur durch allgemeine
bekannte Statuten und durch den Eindruck einzelner ehrwürdiger Charaktere.
Auf diesem Wege aber, den jeder Nichtfreimaurer betreten kann, wissen wir
zweierlei, erstens daß die Freimaurer eine Brüderschaft bilden, welche ihre ge¬
heimen Ueberlieferungen und Conferenzen hat, zweitens, daß ihre Zwecke aus
Verbreitung der Grundsätze christlicher Humanität gerichtet sind, einer Huma¬
nität, die sich emancipirt hat von den Schranken der Glaubensmeinungen,
den Vorurtheilen und Gehässigkeiten der kirchlichen Parteien. Es mag sein,
daß manche Freimaurer durch den Gegensatz, den ihre Principien mit kirch¬
licher Intoleranz bilden, in ein negatives Verhalten gegen die Kirche und das
Christenthum selbst gerathen sind: sicher aber ist dies der Grundgedanke der
Maurerei selber nicht; dagegen zeugen viele bedeutende Männer, von denen
man weiß, daß sie den entschiedensten christlichen Charakter mit ihrem Maurer-
thum vereinigt, oder vielmehr die wesentlichsten Maurerischen Principien:
Gewissensfreiheit, religiöse Duldung, allgemeine Menschenliebe, Freiheit von
den Hemmungen des Hierarchismus und Pharisäismus im Geiste des barm¬
herzigen Samariters tief im eigensten Wesen des Christenthums selber ge¬
funden haben. Ohne Zweifel hat sich mit der Entfaltung eines fanatischen
Verfolgungsgeistes in der Kirche auch der Geist der christlichen Menschlichkeit
immer stärker geregt, und so ist es zu dem großen historischen Gegensatz ge¬
kommen, nach welchem der kirchliche Fanatismus dieser Zeit geneigt ist, alle
humanen Widersprüche gegen seinen menschenfeindlichen Despotismus unter
dem Titel der Freimaurerei zu verfluchen. Dabei bedenkt Pius IX. am
Wenigsten, daß die Indifferenz der Maurer gegen kirchliche
Spannungen dem römischen Katholicismus in seinem äußern
Bestehen sogar vielfach sehr genützthat. Die krankhaft überspannte
Toleranz des 18. Jahrhunderts hat der jesuitischen Intoleranz, welche im
19. Jahrhundert zu einer scheinbaren Weltmacht erwachsen ist, im bedeuten-


magyarische Adel allein regiert hat, steht Ungarn hoffnungsloser da als je¬
mals. „An seinem Hochmuth wird mein Volk zu Grunde gehen" hat Graf
Szechenyi gesagt. Bisher haben die Magyaren alles gethan um ihm Recht
,
Otto Kaemmel. zu geben. '




Aphorismen zu den neuesten Ieitfragen.
Von L. P. Lange. Professor und Oberconsistorialrath zu Bonn.
2. Die weißen und die schwarzen Freimaurer.

Von den herkömmlichen Freimaurern wissen wir nur durch allgemeine
bekannte Statuten und durch den Eindruck einzelner ehrwürdiger Charaktere.
Auf diesem Wege aber, den jeder Nichtfreimaurer betreten kann, wissen wir
zweierlei, erstens daß die Freimaurer eine Brüderschaft bilden, welche ihre ge¬
heimen Ueberlieferungen und Conferenzen hat, zweitens, daß ihre Zwecke aus
Verbreitung der Grundsätze christlicher Humanität gerichtet sind, einer Huma¬
nität, die sich emancipirt hat von den Schranken der Glaubensmeinungen,
den Vorurtheilen und Gehässigkeiten der kirchlichen Parteien. Es mag sein,
daß manche Freimaurer durch den Gegensatz, den ihre Principien mit kirch¬
licher Intoleranz bilden, in ein negatives Verhalten gegen die Kirche und das
Christenthum selbst gerathen sind: sicher aber ist dies der Grundgedanke der
Maurerei selber nicht; dagegen zeugen viele bedeutende Männer, von denen
man weiß, daß sie den entschiedensten christlichen Charakter mit ihrem Maurer-
thum vereinigt, oder vielmehr die wesentlichsten Maurerischen Principien:
Gewissensfreiheit, religiöse Duldung, allgemeine Menschenliebe, Freiheit von
den Hemmungen des Hierarchismus und Pharisäismus im Geiste des barm¬
herzigen Samariters tief im eigensten Wesen des Christenthums selber ge¬
funden haben. Ohne Zweifel hat sich mit der Entfaltung eines fanatischen
Verfolgungsgeistes in der Kirche auch der Geist der christlichen Menschlichkeit
immer stärker geregt, und so ist es zu dem großen historischen Gegensatz ge¬
kommen, nach welchem der kirchliche Fanatismus dieser Zeit geneigt ist, alle
humanen Widersprüche gegen seinen menschenfeindlichen Despotismus unter
dem Titel der Freimaurerei zu verfluchen. Dabei bedenkt Pius IX. am
Wenigsten, daß die Indifferenz der Maurer gegen kirchliche
Spannungen dem römischen Katholicismus in seinem äußern
Bestehen sogar vielfach sehr genützthat. Die krankhaft überspannte
Toleranz des 18. Jahrhunderts hat der jesuitischen Intoleranz, welche im
19. Jahrhundert zu einer scheinbaren Weltmacht erwachsen ist, im bedeuten-


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[0080] magyarische Adel allein regiert hat, steht Ungarn hoffnungsloser da als je¬ mals. „An seinem Hochmuth wird mein Volk zu Grunde gehen" hat Graf Szechenyi gesagt. Bisher haben die Magyaren alles gethan um ihm Recht , Otto Kaemmel. zu geben. ' Aphorismen zu den neuesten Ieitfragen. Von L. P. Lange. Professor und Oberconsistorialrath zu Bonn. 2. Die weißen und die schwarzen Freimaurer. Von den herkömmlichen Freimaurern wissen wir nur durch allgemeine bekannte Statuten und durch den Eindruck einzelner ehrwürdiger Charaktere. Auf diesem Wege aber, den jeder Nichtfreimaurer betreten kann, wissen wir zweierlei, erstens daß die Freimaurer eine Brüderschaft bilden, welche ihre ge¬ heimen Ueberlieferungen und Conferenzen hat, zweitens, daß ihre Zwecke aus Verbreitung der Grundsätze christlicher Humanität gerichtet sind, einer Huma¬ nität, die sich emancipirt hat von den Schranken der Glaubensmeinungen, den Vorurtheilen und Gehässigkeiten der kirchlichen Parteien. Es mag sein, daß manche Freimaurer durch den Gegensatz, den ihre Principien mit kirch¬ licher Intoleranz bilden, in ein negatives Verhalten gegen die Kirche und das Christenthum selbst gerathen sind: sicher aber ist dies der Grundgedanke der Maurerei selber nicht; dagegen zeugen viele bedeutende Männer, von denen man weiß, daß sie den entschiedensten christlichen Charakter mit ihrem Maurer- thum vereinigt, oder vielmehr die wesentlichsten Maurerischen Principien: Gewissensfreiheit, religiöse Duldung, allgemeine Menschenliebe, Freiheit von den Hemmungen des Hierarchismus und Pharisäismus im Geiste des barm¬ herzigen Samariters tief im eigensten Wesen des Christenthums selber ge¬ funden haben. Ohne Zweifel hat sich mit der Entfaltung eines fanatischen Verfolgungsgeistes in der Kirche auch der Geist der christlichen Menschlichkeit immer stärker geregt, und so ist es zu dem großen historischen Gegensatz ge¬ kommen, nach welchem der kirchliche Fanatismus dieser Zeit geneigt ist, alle humanen Widersprüche gegen seinen menschenfeindlichen Despotismus unter dem Titel der Freimaurerei zu verfluchen. Dabei bedenkt Pius IX. am Wenigsten, daß die Indifferenz der Maurer gegen kirchliche Spannungen dem römischen Katholicismus in seinem äußern Bestehen sogar vielfach sehr genützthat. Die krankhaft überspannte Toleranz des 18. Jahrhunderts hat der jesuitischen Intoleranz, welche im 19. Jahrhundert zu einer scheinbaren Weltmacht erwachsen ist, im bedeuten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/80>, abgerufen am 05.05.2024.