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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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König Eduard von England war sehr unangenehm überrascht, den Burgunder
in wenig achtunggebietender Stellung zu finden. In Flandern, wo Karl ein
allgemeines Aufgebot zu bewirken versprochen hatte, war von den Ständen
nur eine Geldsumme zur Aufstellung von 4000 Söldnern zu erhalten gewesen.
Der französische Connetable, Graf von Se. Pol, welcher ihm zugesichert
hatte, den Engländern Se. Quenten zu übergeben, hielt nicht Wort.*) Als
Eduard nun in die Pikardie vordrang und fand, daß ihm überall Lebens¬
mittel und Zufuhr abgeschnitten waren, da stieg seine Verstimmung derart,
daß er die ganze Unternehmung aufgab und sich von Louis XI. mit Zahlung
der Kriegskosten und einem Jahrgeld auf Lebenszeit abfinden .ließ.**) Die
Mittel für diese sogenannte ti-6v"z iMi-eds-nah borgte der französische König
bei den Medici. Der Vertrag wurde wirklich perfect, und die so großartig
angelegte englische Unternehmung verlief -- nicht ohne den Eindruck einer
gewissen Lächerlichkeit zu hinterlassen -- im Sande. Daß Eduard fortfuhr,
sich König von Frankreich zu nennen, darauf legte der nüchterne Ludwig
weiter kein Gewicht. Am 13. September schloß auch Burgund einen Waffen¬
stillstand mit Frankreich, und Louis, welcher für den Dauphin auf die Hand
der Erbtochter Karl's speculirte, verpflichtete sich, der Eroberung Lothringens
und der Wiedereinnahme der Pfandschaften im Elsaß nicht hinderlich zu sein.
Sollten die Eidgenossen dem Herzoge entgegentreten, so werde er sie nicht
unterstützen. -- Somit waren also die Oberdeutschen von ihren beiden Ver¬
bündeten, dem deutschen Kaiser und dem französischen Könige, auf die schmach¬
vollste Weise im Stiche gelassen; ja der Kaiser schloß sogar bald darauf ein
Schutz- und Trutzvündniß mit Burgund gegen das Versprechen der Ver¬
mählung Maria's mit dem Erzherzoge Maximilian.




"KoMische Keheimöünde.**)
Das junge Italien.

Der mißlungene Versuch zu einer mittelitalienischen Revolution hatte 1832
mehrere der dabei betheiligt gewesenen Verschwörer in die Schweiz flüchten





Dennoch wurde er, der Schwager des Königs, der Sproß des kaiserlichen Hauses Luxem¬
burg, ein Jahr später als Hochverräther hingerichtet.
-) Binnen 15 Tagen sollten 75,000 Thaler Kriegsentschädigung und dann jährlich 50,000
Thaler in zwei Terminen gezahlt werden.
--) Vgl. die vorhergehenden Artikel 1876, IV. Quartal der Grenzboten.

König Eduard von England war sehr unangenehm überrascht, den Burgunder
in wenig achtunggebietender Stellung zu finden. In Flandern, wo Karl ein
allgemeines Aufgebot zu bewirken versprochen hatte, war von den Ständen
nur eine Geldsumme zur Aufstellung von 4000 Söldnern zu erhalten gewesen.
Der französische Connetable, Graf von Se. Pol, welcher ihm zugesichert
hatte, den Engländern Se. Quenten zu übergeben, hielt nicht Wort.*) Als
Eduard nun in die Pikardie vordrang und fand, daß ihm überall Lebens¬
mittel und Zufuhr abgeschnitten waren, da stieg seine Verstimmung derart,
daß er die ganze Unternehmung aufgab und sich von Louis XI. mit Zahlung
der Kriegskosten und einem Jahrgeld auf Lebenszeit abfinden .ließ.**) Die
Mittel für diese sogenannte ti-6v«z iMi-eds-nah borgte der französische König
bei den Medici. Der Vertrag wurde wirklich perfect, und die so großartig
angelegte englische Unternehmung verlief — nicht ohne den Eindruck einer
gewissen Lächerlichkeit zu hinterlassen — im Sande. Daß Eduard fortfuhr,
sich König von Frankreich zu nennen, darauf legte der nüchterne Ludwig
weiter kein Gewicht. Am 13. September schloß auch Burgund einen Waffen¬
stillstand mit Frankreich, und Louis, welcher für den Dauphin auf die Hand
der Erbtochter Karl's speculirte, verpflichtete sich, der Eroberung Lothringens
und der Wiedereinnahme der Pfandschaften im Elsaß nicht hinderlich zu sein.
Sollten die Eidgenossen dem Herzoge entgegentreten, so werde er sie nicht
unterstützen. — Somit waren also die Oberdeutschen von ihren beiden Ver¬
bündeten, dem deutschen Kaiser und dem französischen Könige, auf die schmach¬
vollste Weise im Stiche gelassen; ja der Kaiser schloß sogar bald darauf ein
Schutz- und Trutzvündniß mit Burgund gegen das Versprechen der Ver¬
mählung Maria's mit dem Erzherzoge Maximilian.




"KoMische Keheimöünde.**)
Das junge Italien.

Der mißlungene Versuch zu einer mittelitalienischen Revolution hatte 1832
mehrere der dabei betheiligt gewesenen Verschwörer in die Schweiz flüchten





Dennoch wurde er, der Schwager des Königs, der Sproß des kaiserlichen Hauses Luxem¬
burg, ein Jahr später als Hochverräther hingerichtet.
-) Binnen 15 Tagen sollten 75,000 Thaler Kriegsentschädigung und dann jährlich 50,000
Thaler in zwei Terminen gezahlt werden.
—) Vgl. die vorhergehenden Artikel 1876, IV. Quartal der Grenzboten.
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[0029] König Eduard von England war sehr unangenehm überrascht, den Burgunder in wenig achtunggebietender Stellung zu finden. In Flandern, wo Karl ein allgemeines Aufgebot zu bewirken versprochen hatte, war von den Ständen nur eine Geldsumme zur Aufstellung von 4000 Söldnern zu erhalten gewesen. Der französische Connetable, Graf von Se. Pol, welcher ihm zugesichert hatte, den Engländern Se. Quenten zu übergeben, hielt nicht Wort.*) Als Eduard nun in die Pikardie vordrang und fand, daß ihm überall Lebens¬ mittel und Zufuhr abgeschnitten waren, da stieg seine Verstimmung derart, daß er die ganze Unternehmung aufgab und sich von Louis XI. mit Zahlung der Kriegskosten und einem Jahrgeld auf Lebenszeit abfinden .ließ.**) Die Mittel für diese sogenannte ti-6v«z iMi-eds-nah borgte der französische König bei den Medici. Der Vertrag wurde wirklich perfect, und die so großartig angelegte englische Unternehmung verlief — nicht ohne den Eindruck einer gewissen Lächerlichkeit zu hinterlassen — im Sande. Daß Eduard fortfuhr, sich König von Frankreich zu nennen, darauf legte der nüchterne Ludwig weiter kein Gewicht. Am 13. September schloß auch Burgund einen Waffen¬ stillstand mit Frankreich, und Louis, welcher für den Dauphin auf die Hand der Erbtochter Karl's speculirte, verpflichtete sich, der Eroberung Lothringens und der Wiedereinnahme der Pfandschaften im Elsaß nicht hinderlich zu sein. Sollten die Eidgenossen dem Herzoge entgegentreten, so werde er sie nicht unterstützen. — Somit waren also die Oberdeutschen von ihren beiden Ver¬ bündeten, dem deutschen Kaiser und dem französischen Könige, auf die schmach¬ vollste Weise im Stiche gelassen; ja der Kaiser schloß sogar bald darauf ein Schutz- und Trutzvündniß mit Burgund gegen das Versprechen der Ver¬ mählung Maria's mit dem Erzherzoge Maximilian. "KoMische Keheimöünde.**) Das junge Italien. Der mißlungene Versuch zu einer mittelitalienischen Revolution hatte 1832 mehrere der dabei betheiligt gewesenen Verschwörer in die Schweiz flüchten Dennoch wurde er, der Schwager des Königs, der Sproß des kaiserlichen Hauses Luxem¬ burg, ein Jahr später als Hochverräther hingerichtet. -) Binnen 15 Tagen sollten 75,000 Thaler Kriegsentschädigung und dann jährlich 50,000 Thaler in zwei Terminen gezahlt werden. —) Vgl. die vorhergehenden Artikel 1876, IV. Quartal der Grenzboten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/29>, abgerufen am 04.05.2024.