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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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die Vertheidigung in einer jede ruhige Zukunft des Staates in Zweifel stellen¬
den Weise versäumt werde. Wie sich aber auch die Regierung zur Frage der
inneren und äußeren Gefahren stellen mag, es ist die ganze Krisis ein Be¬
weis von der gesunkenen Bedeutung des Dänenreichs, dem daher der Wieder¬
erwerb Nordschleswigs schwerlich gelingen wird.




Gottlob, der Frühling ist wieder da mit all seiner Pracht und Majestät!
Jetzt kann man wieder freier athmen und schweifen durch Berg und Thal.
Jetzt erst wird man so recht inne, daß man einen gesegneten Fleck Erde be¬
wohnt. Im langen, langen Winter -- das muß man sagen -- ist es recht
langweilig und traurig für die Deutschen im Elsaß. Und zwar zunächst
wegen der gesellschaftlichen Absonderung des einheimischen Elementes vom
eingewanderten. Denn noch immer nicht hat jene "entends eorälale" sich
eingestellt, deren baldiges Herannahen Viele sich träumen ließen. Erst durch
die allmälige Verschmelzung beider Elemente kann es in dieser Beziehung ge¬
müthlich werden. Darüber vergeht aber ganz sicher noch ein halbes Menschen¬
alter. Doch muß man hier einen Unterschied machen zwischen dem platten
Lande und den kleinern und größern Städten des Elsasses. Auf dem Lande
ist der herbe Gegensatz zwischen "Schwob'" und Elsässer eigentlich beinahe
schon verwischt, und es besteht in der Regel ein ganz herzliches Einvernehmen
zwischen den Einwohnern der kleinern Gemeinden und den deutschen Beamten
höherer und niederer Gattung. Als Beispiel kann ich dafür anführen, daß
jüngst die Bewohner eines oberelsässischen, rein welschen Kantons, als die
Versetzung des dortigen Polizei - Commissars, eines hannöverschen, persönlich
sehr liebenswürdigen Beamten, in einen Nachbarkanton ruchbar wurde, die
Beibehaltung dieses Beamten in seinem bisherigen Kreise in mehreren, schlie߬
lich erfolgreichen Petitionen, deren Wortlaut ein sehr herzlicher und schmeichel¬
hafter war, an die Kreisdirection richteten. Das ist gewiß ein sehr be¬
merkenswerther Vorgang, zumal bet einem Beamten von der Stellung eines
Polizei ° Commissars, und kann gleichzeitig als Folie zu den neultchen
Reichstags Deklamationen des Herrn Winterer gegen die elsässischen Be¬
amten dienen.

In den größern Städten fällt der berührte Gegensatz weniger auf, weil
eben das großstädtische Leben für den innern gesellschaftlichen Bürgerverkehr


die Vertheidigung in einer jede ruhige Zukunft des Staates in Zweifel stellen¬
den Weise versäumt werde. Wie sich aber auch die Regierung zur Frage der
inneren und äußeren Gefahren stellen mag, es ist die ganze Krisis ein Be¬
weis von der gesunkenen Bedeutung des Dänenreichs, dem daher der Wieder¬
erwerb Nordschleswigs schwerlich gelingen wird.




Gottlob, der Frühling ist wieder da mit all seiner Pracht und Majestät!
Jetzt kann man wieder freier athmen und schweifen durch Berg und Thal.
Jetzt erst wird man so recht inne, daß man einen gesegneten Fleck Erde be¬
wohnt. Im langen, langen Winter — das muß man sagen — ist es recht
langweilig und traurig für die Deutschen im Elsaß. Und zwar zunächst
wegen der gesellschaftlichen Absonderung des einheimischen Elementes vom
eingewanderten. Denn noch immer nicht hat jene «entends eorälale" sich
eingestellt, deren baldiges Herannahen Viele sich träumen ließen. Erst durch
die allmälige Verschmelzung beider Elemente kann es in dieser Beziehung ge¬
müthlich werden. Darüber vergeht aber ganz sicher noch ein halbes Menschen¬
alter. Doch muß man hier einen Unterschied machen zwischen dem platten
Lande und den kleinern und größern Städten des Elsasses. Auf dem Lande
ist der herbe Gegensatz zwischen „Schwob'" und Elsässer eigentlich beinahe
schon verwischt, und es besteht in der Regel ein ganz herzliches Einvernehmen
zwischen den Einwohnern der kleinern Gemeinden und den deutschen Beamten
höherer und niederer Gattung. Als Beispiel kann ich dafür anführen, daß
jüngst die Bewohner eines oberelsässischen, rein welschen Kantons, als die
Versetzung des dortigen Polizei - Commissars, eines hannöverschen, persönlich
sehr liebenswürdigen Beamten, in einen Nachbarkanton ruchbar wurde, die
Beibehaltung dieses Beamten in seinem bisherigen Kreise in mehreren, schlie߬
lich erfolgreichen Petitionen, deren Wortlaut ein sehr herzlicher und schmeichel¬
hafter war, an die Kreisdirection richteten. Das ist gewiß ein sehr be¬
merkenswerther Vorgang, zumal bet einem Beamten von der Stellung eines
Polizei ° Commissars, und kann gleichzeitig als Folie zu den neultchen
Reichstags Deklamationen des Herrn Winterer gegen die elsässischen Be¬
amten dienen.

In den größern Städten fällt der berührte Gegensatz weniger auf, weil
eben das großstädtische Leben für den innern gesellschaftlichen Bürgerverkehr


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[0152] die Vertheidigung in einer jede ruhige Zukunft des Staates in Zweifel stellen¬ den Weise versäumt werde. Wie sich aber auch die Regierung zur Frage der inneren und äußeren Gefahren stellen mag, es ist die ganze Krisis ein Be¬ weis von der gesunkenen Bedeutung des Dänenreichs, dem daher der Wieder¬ erwerb Nordschleswigs schwerlich gelingen wird. Gottlob, der Frühling ist wieder da mit all seiner Pracht und Majestät! Jetzt kann man wieder freier athmen und schweifen durch Berg und Thal. Jetzt erst wird man so recht inne, daß man einen gesegneten Fleck Erde be¬ wohnt. Im langen, langen Winter — das muß man sagen — ist es recht langweilig und traurig für die Deutschen im Elsaß. Und zwar zunächst wegen der gesellschaftlichen Absonderung des einheimischen Elementes vom eingewanderten. Denn noch immer nicht hat jene «entends eorälale" sich eingestellt, deren baldiges Herannahen Viele sich träumen ließen. Erst durch die allmälige Verschmelzung beider Elemente kann es in dieser Beziehung ge¬ müthlich werden. Darüber vergeht aber ganz sicher noch ein halbes Menschen¬ alter. Doch muß man hier einen Unterschied machen zwischen dem platten Lande und den kleinern und größern Städten des Elsasses. Auf dem Lande ist der herbe Gegensatz zwischen „Schwob'" und Elsässer eigentlich beinahe schon verwischt, und es besteht in der Regel ein ganz herzliches Einvernehmen zwischen den Einwohnern der kleinern Gemeinden und den deutschen Beamten höherer und niederer Gattung. Als Beispiel kann ich dafür anführen, daß jüngst die Bewohner eines oberelsässischen, rein welschen Kantons, als die Versetzung des dortigen Polizei - Commissars, eines hannöverschen, persönlich sehr liebenswürdigen Beamten, in einen Nachbarkanton ruchbar wurde, die Beibehaltung dieses Beamten in seinem bisherigen Kreise in mehreren, schlie߬ lich erfolgreichen Petitionen, deren Wortlaut ein sehr herzlicher und schmeichel¬ hafter war, an die Kreisdirection richteten. Das ist gewiß ein sehr be¬ merkenswerther Vorgang, zumal bet einem Beamten von der Stellung eines Polizei ° Commissars, und kann gleichzeitig als Folie zu den neultchen Reichstags Deklamationen des Herrn Winterer gegen die elsässischen Be¬ amten dienen. In den größern Städten fällt der berührte Gegensatz weniger auf, weil eben das großstädtische Leben für den innern gesellschaftlichen Bürgerverkehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/152>, abgerufen am 07.05.2024.