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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Andrerseits hat sie seit ihrem Bestehen durch Gründungen zahlreicher
Anstalten, die der Stadt Mülhausen stets zur Zierde gereichen, sich um das
Wohl derselben und ihrer Bürger, vornehmlich der in einer bedeutenden Pro¬
zentzahl vertretenen Arbeiterbevölkerung Mülhausens, unendlich verdient
gemacht. Man kann in dieser Beziehung wohl sagen: Die Geschichte der
industriellen Gesellschaft von Mülhausen ist die neuere Geschichte der Stadt
selbst.

Die älteste Gründung der "Societe" ist die Zeichenschule in Mül¬
hausen, die bis in das Jahr 1829 zurückgeht. Auch auf der diesjährigen
Ausstellung werden Musterzeichnungen von Eleven dieser Anstalt unter den
Ausstellungsgegenständen figuriren. Einen nicht geringen Antheil hat ferner
die Gesellschaft an der Einrichtung des "Collegiums", des heutigen Gym¬
nasiums, einer der vorzüglichsten Unterrichts-Anstalten in Mülhausen, die in
das Jahr 1852 fällt. Daran schließt sich i. I. 1854 die Errichtung der
"6col6 protessiouelle", einer Musterschule für theoretisch-praktischen Unter¬
richt, in welcher außer den lebenden Sprachen und den sog. exacten Wissen¬
schaften auch praktische Uebungen der Schüler im Atelier und Laboratorium
vorgenommen werden.

In erster Linie aber steht die Schöpfung der "Arbeiterstadt" von Mül¬
hausen, die einem Zweigverein der industriellen Gesellschaft, der "goeiLtH
lnullwusieiuik nos on<58 ouvriöres", ihre Entstehung verdankt und -- man
kann wohl sagen, bis jetzt einzig in Europa dasteht. Dieselbe umfaßt heute
ein großes geräumiges Stadtviertel, welches man in die "neue" und die
"alte Arbeiterstadt" eintheilt, und in dem sich ca. 700 ein- bis zweistöckige
Häuschen von freundlichem Aussehen, meist in Verbindung mit einem kleinen
Gärtchen, befinden. Diese Arbeiterwohnungen werden an die zahlreichen
Fabrikarbeiter familienweis zum Selbstkostenpreise (2400 -- 3000 Fras.)
und mit langen Zahlungsterminen abgegeben. Doch finden sich in den betreffen¬
den Verträgen einige Spezialbedingungen, welche auf die dauernde Erhaltung der
betreffenden Wohnungen nebst Gärtchen gerichtet sind, und wonach es bei¬
spielsweise den Ankäufern und deren Rechtsnachfolgern verboten ist, irgend
welche Anlagen auf dem gekauften Terrain zu machen, welche eine Aenderung
der Bestimmung dieser Arbeiterwohnungen enthalten. Dieser Vorbehalt ist
gewiß sehr lobenswerth und praktisch, und die ganze Einrichtung eine dauernde
Quelle des Wohlstandes und der Zufriedenheit der Mülhauser Arbeiterbe¬
völkerung und gleichzeitig ein Muster für alle ähnlichen Bestrebungen zur
Lösung der Arbeiterfrage.

Unter den wissenschaftlichen Anstalten, welche der Initiative der "8vel6t6"
ihre Entstehung und Ausbildung verdanken, nennen wir noch die Weber¬
und Spinn er schule, sowie die "Vorbereitungsschule zum höhern Unter-


Ä

Andrerseits hat sie seit ihrem Bestehen durch Gründungen zahlreicher
Anstalten, die der Stadt Mülhausen stets zur Zierde gereichen, sich um das
Wohl derselben und ihrer Bürger, vornehmlich der in einer bedeutenden Pro¬
zentzahl vertretenen Arbeiterbevölkerung Mülhausens, unendlich verdient
gemacht. Man kann in dieser Beziehung wohl sagen: Die Geschichte der
industriellen Gesellschaft von Mülhausen ist die neuere Geschichte der Stadt
selbst.

Die älteste Gründung der „Societe» ist die Zeichenschule in Mül¬
hausen, die bis in das Jahr 1829 zurückgeht. Auch auf der diesjährigen
Ausstellung werden Musterzeichnungen von Eleven dieser Anstalt unter den
Ausstellungsgegenständen figuriren. Einen nicht geringen Antheil hat ferner
die Gesellschaft an der Einrichtung des „Collegiums", des heutigen Gym¬
nasiums, einer der vorzüglichsten Unterrichts-Anstalten in Mülhausen, die in
das Jahr 1852 fällt. Daran schließt sich i. I. 1854 die Errichtung der
„6col6 protessiouelle", einer Musterschule für theoretisch-praktischen Unter¬
richt, in welcher außer den lebenden Sprachen und den sog. exacten Wissen¬
schaften auch praktische Uebungen der Schüler im Atelier und Laboratorium
vorgenommen werden.

In erster Linie aber steht die Schöpfung der „Arbeiterstadt" von Mül¬
hausen, die einem Zweigverein der industriellen Gesellschaft, der „goeiLtH
lnullwusieiuik nos on<58 ouvriöres", ihre Entstehung verdankt und — man
kann wohl sagen, bis jetzt einzig in Europa dasteht. Dieselbe umfaßt heute
ein großes geräumiges Stadtviertel, welches man in die „neue" und die
„alte Arbeiterstadt" eintheilt, und in dem sich ca. 700 ein- bis zweistöckige
Häuschen von freundlichem Aussehen, meist in Verbindung mit einem kleinen
Gärtchen, befinden. Diese Arbeiterwohnungen werden an die zahlreichen
Fabrikarbeiter familienweis zum Selbstkostenpreise (2400 — 3000 Fras.)
und mit langen Zahlungsterminen abgegeben. Doch finden sich in den betreffen¬
den Verträgen einige Spezialbedingungen, welche auf die dauernde Erhaltung der
betreffenden Wohnungen nebst Gärtchen gerichtet sind, und wonach es bei¬
spielsweise den Ankäufern und deren Rechtsnachfolgern verboten ist, irgend
welche Anlagen auf dem gekauften Terrain zu machen, welche eine Aenderung
der Bestimmung dieser Arbeiterwohnungen enthalten. Dieser Vorbehalt ist
gewiß sehr lobenswerth und praktisch, und die ganze Einrichtung eine dauernde
Quelle des Wohlstandes und der Zufriedenheit der Mülhauser Arbeiterbe¬
völkerung und gleichzeitig ein Muster für alle ähnlichen Bestrebungen zur
Lösung der Arbeiterfrage.

Unter den wissenschaftlichen Anstalten, welche der Initiative der „8vel6t6"
ihre Entstehung und Ausbildung verdanken, nennen wir noch die Weber¬
und Spinn er schule, sowie die „Vorbereitungsschule zum höhern Unter-


Ä

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[0318] Andrerseits hat sie seit ihrem Bestehen durch Gründungen zahlreicher Anstalten, die der Stadt Mülhausen stets zur Zierde gereichen, sich um das Wohl derselben und ihrer Bürger, vornehmlich der in einer bedeutenden Pro¬ zentzahl vertretenen Arbeiterbevölkerung Mülhausens, unendlich verdient gemacht. Man kann in dieser Beziehung wohl sagen: Die Geschichte der industriellen Gesellschaft von Mülhausen ist die neuere Geschichte der Stadt selbst. Die älteste Gründung der „Societe» ist die Zeichenschule in Mül¬ hausen, die bis in das Jahr 1829 zurückgeht. Auch auf der diesjährigen Ausstellung werden Musterzeichnungen von Eleven dieser Anstalt unter den Ausstellungsgegenständen figuriren. Einen nicht geringen Antheil hat ferner die Gesellschaft an der Einrichtung des „Collegiums", des heutigen Gym¬ nasiums, einer der vorzüglichsten Unterrichts-Anstalten in Mülhausen, die in das Jahr 1852 fällt. Daran schließt sich i. I. 1854 die Errichtung der „6col6 protessiouelle", einer Musterschule für theoretisch-praktischen Unter¬ richt, in welcher außer den lebenden Sprachen und den sog. exacten Wissen¬ schaften auch praktische Uebungen der Schüler im Atelier und Laboratorium vorgenommen werden. In erster Linie aber steht die Schöpfung der „Arbeiterstadt" von Mül¬ hausen, die einem Zweigverein der industriellen Gesellschaft, der „goeiLtH lnullwusieiuik nos on<58 ouvriöres", ihre Entstehung verdankt und — man kann wohl sagen, bis jetzt einzig in Europa dasteht. Dieselbe umfaßt heute ein großes geräumiges Stadtviertel, welches man in die „neue" und die „alte Arbeiterstadt" eintheilt, und in dem sich ca. 700 ein- bis zweistöckige Häuschen von freundlichem Aussehen, meist in Verbindung mit einem kleinen Gärtchen, befinden. Diese Arbeiterwohnungen werden an die zahlreichen Fabrikarbeiter familienweis zum Selbstkostenpreise (2400 — 3000 Fras.) und mit langen Zahlungsterminen abgegeben. Doch finden sich in den betreffen¬ den Verträgen einige Spezialbedingungen, welche auf die dauernde Erhaltung der betreffenden Wohnungen nebst Gärtchen gerichtet sind, und wonach es bei¬ spielsweise den Ankäufern und deren Rechtsnachfolgern verboten ist, irgend welche Anlagen auf dem gekauften Terrain zu machen, welche eine Aenderung der Bestimmung dieser Arbeiterwohnungen enthalten. Dieser Vorbehalt ist gewiß sehr lobenswerth und praktisch, und die ganze Einrichtung eine dauernde Quelle des Wohlstandes und der Zufriedenheit der Mülhauser Arbeiterbe¬ völkerung und gleichzeitig ein Muster für alle ähnlichen Bestrebungen zur Lösung der Arbeiterfrage. Unter den wissenschaftlichen Anstalten, welche der Initiative der „8vel6t6" ihre Entstehung und Ausbildung verdanken, nennen wir noch die Weber¬ und Spinn er schule, sowie die „Vorbereitungsschule zum höhern Unter- Ä

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/318>, abgerufen am 07.05.2024.