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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Wilhelm Lduard Albrecht.

Heute hat sich das Grab geschlossen über einem der edelsten Männer,
den das deutsche Land hervorbrachte und seinen Sohn nannte. Wilhelm
Eduard Albrecht ist heimgegangen.

Die Bedeutung Albrecht's für die deutsche Rechtswissenschaft wird nuper-
gängliche Dauer haben. Tausende von Schülern, die während seines fast funfzig¬
jährigen academischen Wirkens zu seinen Füßen gesessen, von dem ehrwürdigen
Präsidenten des deutschen Reichstags Dr. Eduard Simson an bis zu den jüngsten
Hörern, die Albrecht im Jahre 1871 vom academischen Lehrstuhl für immer
scheiden sahen, verkünden den Mitlebenden, daß er ihnen der ehrwürdigste,
eindringlichste Lehrer gewesen. Aber weit länger als dieser Nachruhm des
lebendigen Wortes aus voller Menschenbrust werden seine Schriften den Namen
Albrecht auf ferne Geschlechter bringen. Ihm war beschieden, schon im dritten
Jahrzehnt seines Lebens ein für alle Zeiten klassisches Buch, "die Gewere"
zu schaffen. Damit hat er in der Hauptsache sein literarisches Schaffen ab¬
geschlossen. Vielleicht giebt die künftige Veröffentlichung seiner Collegienhefte,
die Sammlung der wissenschaftlichen Arbeiten, zu denen die Muße der letzten
Jahre anfänglich wenigstens ihn freudig drängte, noch weit umfänglichere
Ausbeute. Sicherlich ist Albrecht unvergleichlich und unerreicht in der Klar¬
heit und Größe seiner Beweisführung, in der wunderbaren Kürze und Schärfe
seiner Darstellung, in der Kunst ein ungewöhnlich großes, vielseitiges Wissen
der knappsten, verständlichsten Weise vorzutragen. Am meisten läßt sich
Inhalt und Form der academischen Vorträge und der Schriften Albrecht's
Wit Moltke's Generalstabsbertchten und öffentlichen Aeußerungen vergleichen.
Dieselbe Knappheit des Ausdrucks, dieselbe Gedankenfülle, dieselbe meisterhafte
Beherrschung des Stoffs.

Aber wie hoch uns Albrecht als Gelehrter und Lehrer auch steht --
^ehe Blätter müssen sich bescheiden in dieser Hinsicht nur andeuten zu können
^ so strahlt doch weit Heller noch sein Charakter, sein männliches Wirken.


Grenjbotm U l"7". 46
Wilhelm Lduard Albrecht.

Heute hat sich das Grab geschlossen über einem der edelsten Männer,
den das deutsche Land hervorbrachte und seinen Sohn nannte. Wilhelm
Eduard Albrecht ist heimgegangen.

Die Bedeutung Albrecht's für die deutsche Rechtswissenschaft wird nuper-
gängliche Dauer haben. Tausende von Schülern, die während seines fast funfzig¬
jährigen academischen Wirkens zu seinen Füßen gesessen, von dem ehrwürdigen
Präsidenten des deutschen Reichstags Dr. Eduard Simson an bis zu den jüngsten
Hörern, die Albrecht im Jahre 1871 vom academischen Lehrstuhl für immer
scheiden sahen, verkünden den Mitlebenden, daß er ihnen der ehrwürdigste,
eindringlichste Lehrer gewesen. Aber weit länger als dieser Nachruhm des
lebendigen Wortes aus voller Menschenbrust werden seine Schriften den Namen
Albrecht auf ferne Geschlechter bringen. Ihm war beschieden, schon im dritten
Jahrzehnt seines Lebens ein für alle Zeiten klassisches Buch, „die Gewere"
zu schaffen. Damit hat er in der Hauptsache sein literarisches Schaffen ab¬
geschlossen. Vielleicht giebt die künftige Veröffentlichung seiner Collegienhefte,
die Sammlung der wissenschaftlichen Arbeiten, zu denen die Muße der letzten
Jahre anfänglich wenigstens ihn freudig drängte, noch weit umfänglichere
Ausbeute. Sicherlich ist Albrecht unvergleichlich und unerreicht in der Klar¬
heit und Größe seiner Beweisführung, in der wunderbaren Kürze und Schärfe
seiner Darstellung, in der Kunst ein ungewöhnlich großes, vielseitiges Wissen
der knappsten, verständlichsten Weise vorzutragen. Am meisten läßt sich
Inhalt und Form der academischen Vorträge und der Schriften Albrecht's
Wit Moltke's Generalstabsbertchten und öffentlichen Aeußerungen vergleichen.
Dieselbe Knappheit des Ausdrucks, dieselbe Gedankenfülle, dieselbe meisterhafte
Beherrschung des Stoffs.

Aber wie hoch uns Albrecht als Gelehrter und Lehrer auch steht —
^ehe Blätter müssen sich bescheiden in dieser Hinsicht nur andeuten zu können
^ so strahlt doch weit Heller noch sein Charakter, sein männliches Wirken.


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[0365] Wilhelm Lduard Albrecht. Heute hat sich das Grab geschlossen über einem der edelsten Männer, den das deutsche Land hervorbrachte und seinen Sohn nannte. Wilhelm Eduard Albrecht ist heimgegangen. Die Bedeutung Albrecht's für die deutsche Rechtswissenschaft wird nuper- gängliche Dauer haben. Tausende von Schülern, die während seines fast funfzig¬ jährigen academischen Wirkens zu seinen Füßen gesessen, von dem ehrwürdigen Präsidenten des deutschen Reichstags Dr. Eduard Simson an bis zu den jüngsten Hörern, die Albrecht im Jahre 1871 vom academischen Lehrstuhl für immer scheiden sahen, verkünden den Mitlebenden, daß er ihnen der ehrwürdigste, eindringlichste Lehrer gewesen. Aber weit länger als dieser Nachruhm des lebendigen Wortes aus voller Menschenbrust werden seine Schriften den Namen Albrecht auf ferne Geschlechter bringen. Ihm war beschieden, schon im dritten Jahrzehnt seines Lebens ein für alle Zeiten klassisches Buch, „die Gewere" zu schaffen. Damit hat er in der Hauptsache sein literarisches Schaffen ab¬ geschlossen. Vielleicht giebt die künftige Veröffentlichung seiner Collegienhefte, die Sammlung der wissenschaftlichen Arbeiten, zu denen die Muße der letzten Jahre anfänglich wenigstens ihn freudig drängte, noch weit umfänglichere Ausbeute. Sicherlich ist Albrecht unvergleichlich und unerreicht in der Klar¬ heit und Größe seiner Beweisführung, in der wunderbaren Kürze und Schärfe seiner Darstellung, in der Kunst ein ungewöhnlich großes, vielseitiges Wissen der knappsten, verständlichsten Weise vorzutragen. Am meisten läßt sich Inhalt und Form der academischen Vorträge und der Schriften Albrecht's Wit Moltke's Generalstabsbertchten und öffentlichen Aeußerungen vergleichen. Dieselbe Knappheit des Ausdrucks, dieselbe Gedankenfülle, dieselbe meisterhafte Beherrschung des Stoffs. Aber wie hoch uns Albrecht als Gelehrter und Lehrer auch steht — ^ehe Blätter müssen sich bescheiden in dieser Hinsicht nur andeuten zu können ^ so strahlt doch weit Heller noch sein Charakter, sein männliches Wirken. Grenjbotm U l«7«. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/365>, abgerufen am 07.05.2024.