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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Kreiensen auf braunschweigischen, also damals noch neutralem Gebiet, Bon
dort aus nach Osten schien Alles in gewöhnlicher Ordnung zu sein, zu be¬
stimmter Zeit erfolgte die Abfahrt nach Wolfenbüttel und Magdeburg. Der
Zug war stark besetzt, eifrig discutirte man allerorten die Ereignisse,
die so überraschend und gewaltig hereingebrochen. Und hier zuerst, nach
Tagen banger Spannung, wurde mir Gewißheit über die Lage Sachsens.
Seine Stellung in dem großen Konflikte hatte seit dem Bundesbeschlusse vom
14. Juni Niemandem mehr zweifelhaft sein können, aber was war seit diesem
verhängnißvollen Tage dort geschehen? Aus einer Nummer der Magdeburger
Zeitung, die mir zufällig zu Gesicht kam. erfuhr ich nun, die Preußen seien
in großen Massen die Elbe hinauf in Sachsen einmarschirt, Leipzig sei occupirt,
die Eisenbahnbrücke bei Riesa zerstört, aber durchaus nichts von einem Zu¬
sammenstoße, oder von der Aussicht aus einen solchen. Und doch mußte man
wenigstens um die Behauptung Dresdens einen Kampf erwarten, für den
Alles vorbereitet gewesen zu sein schien. So doch noch ohne volle Gewi߬
heit langte ich etwa um 7 Uhr Abends in Magdeburg an. Ein trüber
Wolkenhimmel hing über der Stadt und über dem belebten Elbstrome; so sah
auch der politische Himmel über Deutschland aus, über dessen Schicksal in
wenigen Tagen die eisernen Würfel rollen mußten. In der Stadt selbst
machte sich wenig Ungewöhnliches geltend; nur fiel auf, daß alle Wachen
von Landwehrleuten besetzt waren, meist stattlichen bärtigen Männern; an
den Straßenecken stand eine Proclamation des Magistrates angeschlagen,
welche Eltern und Lehrherren aufforderte, zur Verhütung von Aufläufen, wie
sie an den beiden vorhergehenden Abenden stattgefunden, ihre Angehörigen
am Abende zu Hause zu halten; und überall ward eine eben eingelaufene
Depesche feilgeboten, nach welcher der König von Hannover mit dem Kron¬
prinzen über Bremen nach England geflüchtet sein sollte. So wenig sicheres
also wußte man hier von den Vorgängen in Hannover.

Bon Magdeburg aus gelang es mir dann am nächsten Tage ohne
I,. weitere Hindernisse Sachsen zu erreichen.




Mit nächstem Hefte beginnt diese Zeitschrift das III. Quartal ihres
36. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post-
anstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 9 Mark.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Konditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im Juni 1876 Die B-rlagshandlung.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hervig in Leipzig, -- Druck von Hüthcl " Herrmann in Leipzig.

Kreiensen auf braunschweigischen, also damals noch neutralem Gebiet, Bon
dort aus nach Osten schien Alles in gewöhnlicher Ordnung zu sein, zu be¬
stimmter Zeit erfolgte die Abfahrt nach Wolfenbüttel und Magdeburg. Der
Zug war stark besetzt, eifrig discutirte man allerorten die Ereignisse,
die so überraschend und gewaltig hereingebrochen. Und hier zuerst, nach
Tagen banger Spannung, wurde mir Gewißheit über die Lage Sachsens.
Seine Stellung in dem großen Konflikte hatte seit dem Bundesbeschlusse vom
14. Juni Niemandem mehr zweifelhaft sein können, aber was war seit diesem
verhängnißvollen Tage dort geschehen? Aus einer Nummer der Magdeburger
Zeitung, die mir zufällig zu Gesicht kam. erfuhr ich nun, die Preußen seien
in großen Massen die Elbe hinauf in Sachsen einmarschirt, Leipzig sei occupirt,
die Eisenbahnbrücke bei Riesa zerstört, aber durchaus nichts von einem Zu¬
sammenstoße, oder von der Aussicht aus einen solchen. Und doch mußte man
wenigstens um die Behauptung Dresdens einen Kampf erwarten, für den
Alles vorbereitet gewesen zu sein schien. So doch noch ohne volle Gewi߬
heit langte ich etwa um 7 Uhr Abends in Magdeburg an. Ein trüber
Wolkenhimmel hing über der Stadt und über dem belebten Elbstrome; so sah
auch der politische Himmel über Deutschland aus, über dessen Schicksal in
wenigen Tagen die eisernen Würfel rollen mußten. In der Stadt selbst
machte sich wenig Ungewöhnliches geltend; nur fiel auf, daß alle Wachen
von Landwehrleuten besetzt waren, meist stattlichen bärtigen Männern; an
den Straßenecken stand eine Proclamation des Magistrates angeschlagen,
welche Eltern und Lehrherren aufforderte, zur Verhütung von Aufläufen, wie
sie an den beiden vorhergehenden Abenden stattgefunden, ihre Angehörigen
am Abende zu Hause zu halten; und überall ward eine eben eingelaufene
Depesche feilgeboten, nach welcher der König von Hannover mit dem Kron¬
prinzen über Bremen nach England geflüchtet sein sollte. So wenig sicheres
also wußte man hier von den Vorgängen in Hannover.

Bon Magdeburg aus gelang es mir dann am nächsten Tage ohne
I,. weitere Hindernisse Sachsen zu erreichen.




Mit nächstem Hefte beginnt diese Zeitschrift das III. Quartal ihres
36. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post-
anstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 9 Mark.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Konditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im Juni 1876 Die B-rlagshandlung.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hervig in Leipzig, — Druck von Hüthcl » Herrmann in Leipzig.
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[0484] Kreiensen auf braunschweigischen, also damals noch neutralem Gebiet, Bon dort aus nach Osten schien Alles in gewöhnlicher Ordnung zu sein, zu be¬ stimmter Zeit erfolgte die Abfahrt nach Wolfenbüttel und Magdeburg. Der Zug war stark besetzt, eifrig discutirte man allerorten die Ereignisse, die so überraschend und gewaltig hereingebrochen. Und hier zuerst, nach Tagen banger Spannung, wurde mir Gewißheit über die Lage Sachsens. Seine Stellung in dem großen Konflikte hatte seit dem Bundesbeschlusse vom 14. Juni Niemandem mehr zweifelhaft sein können, aber was war seit diesem verhängnißvollen Tage dort geschehen? Aus einer Nummer der Magdeburger Zeitung, die mir zufällig zu Gesicht kam. erfuhr ich nun, die Preußen seien in großen Massen die Elbe hinauf in Sachsen einmarschirt, Leipzig sei occupirt, die Eisenbahnbrücke bei Riesa zerstört, aber durchaus nichts von einem Zu¬ sammenstoße, oder von der Aussicht aus einen solchen. Und doch mußte man wenigstens um die Behauptung Dresdens einen Kampf erwarten, für den Alles vorbereitet gewesen zu sein schien. So doch noch ohne volle Gewi߬ heit langte ich etwa um 7 Uhr Abends in Magdeburg an. Ein trüber Wolkenhimmel hing über der Stadt und über dem belebten Elbstrome; so sah auch der politische Himmel über Deutschland aus, über dessen Schicksal in wenigen Tagen die eisernen Würfel rollen mußten. In der Stadt selbst machte sich wenig Ungewöhnliches geltend; nur fiel auf, daß alle Wachen von Landwehrleuten besetzt waren, meist stattlichen bärtigen Männern; an den Straßenecken stand eine Proclamation des Magistrates angeschlagen, welche Eltern und Lehrherren aufforderte, zur Verhütung von Aufläufen, wie sie an den beiden vorhergehenden Abenden stattgefunden, ihre Angehörigen am Abende zu Hause zu halten; und überall ward eine eben eingelaufene Depesche feilgeboten, nach welcher der König von Hannover mit dem Kron¬ prinzen über Bremen nach England geflüchtet sein sollte. So wenig sicheres also wußte man hier von den Vorgängen in Hannover. Bon Magdeburg aus gelang es mir dann am nächsten Tage ohne I,. weitere Hindernisse Sachsen zu erreichen. Mit nächstem Hefte beginnt diese Zeitschrift das III. Quartal ihres 36. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post- anstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal 9 Mark. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffeehäuser und Konditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten. Leipzig, im Juni 1876 Die B-rlagshandlung. Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Hervig in Leipzig, — Druck von Hüthcl » Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/484>, abgerufen am 07.05.2024.