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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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neue Errungenschaft noch weit von dem Ziele entfernt, welches das Land er¬
streben müsse und deshalb der Wunsch gerechtfertigt: "Es möge das Reichs¬
land eine Landesvertretung mit beschließenden Befugnissen erhalten, wodurch
der Schwerpunkt der Gesetzgebung nach Straßburg als Hauptstadt des Reichs¬
landes verlegt werde." Dieser Satz wird dann näher begründet und zu
seiner Rechtfertigung mit Citaten belegt. Mitglied Baron Zorn von Bulach,
der in der gegenwärtigen Session sich schon mehrfach als ein nicht umgewand¬
ter parlamentarischer Kämpe hervorgethan hat und selbstverständlich zu den
wiedergewählten austretenden Bezirkstagsmitgliedern in seinem Wahlkreise ge¬
hört, ergriff darauf die Gelegenheit, in einer schwungvollen Rede auf diese
Wünsche etwas näher einzugehen. Nicht unpoetisch, wenn auch nicht ganz
zutreffend -- die Metaphern hinken ja bekanntlich alle -- verglich er den
vorliegenden Gesetzentwurf mit einem Freiheitstrank, nach dem das Land
schon lange gedurstet, der ihm aber von der Regierung nur tropfenweise
eingeflößt werde. Er will darin eine ähnliche BeHandlungsweise erblicken,
wie wenn der Vater zu seinem hoffnungsvollen Sohn und Studiosus sagt:
"Jetzt bist du aus der Secunda in die Prima versetzt worden; dann wirst du
dein Abiturienten-Examen machen, später die Universität beziehen und sonach
und nach deine Laufbahn weiter fortsetzen." Ist das nicht niedlich? Denken Sie
sich nur das Reich als den domus xater t'smiliÄS, der ein wenig knickert mit
den Goldfüchschen für seinen studirenden tilius, und das Reichsland als diesen
fleißigen Bruder Studio, der am liebsten alles in Saus und Braus durch¬
bringen möchte. So etwa würde sich die hübsche Metapher ergänzen lassen.
Mit Rücksicht auf den mir zugewiesenen Raum muß ich mir versagen, auf
diese interessante Sitzung und deren Resultate des Näheren einzugehen, ge¬
d 5". enke aber später einmal gelegentlich darauf zurückzukommen.




Konservative Position.

Unter dem obigen Titel hat Herr Philipp von Nathusius-Ludom. be¬
kanntlich bis vor kurzem Redakteur der Kreuzzeitung, eine Anzahl von
Artikeln als Flugschrift veröffentlicht, die zuvor in der Kreuzzeitung ohne
Namensunterschrift erschienen waren. Die Flugschrift bezweckt laut ihres
ersten Abschnittes ein positives Programm der Kreuzzeitungspartei zu geben.
Der Verfasser will, wie er erklärt, den Gegnern die Waffe entziehen, die er
eine abgenutzte nennt, welche in der Behauptung liege, daß die conservative
Partei nicht sage, was sie wolle, sondern bloß kritisire. Wir meinen freilich.


neue Errungenschaft noch weit von dem Ziele entfernt, welches das Land er¬
streben müsse und deshalb der Wunsch gerechtfertigt: „Es möge das Reichs¬
land eine Landesvertretung mit beschließenden Befugnissen erhalten, wodurch
der Schwerpunkt der Gesetzgebung nach Straßburg als Hauptstadt des Reichs¬
landes verlegt werde." Dieser Satz wird dann näher begründet und zu
seiner Rechtfertigung mit Citaten belegt. Mitglied Baron Zorn von Bulach,
der in der gegenwärtigen Session sich schon mehrfach als ein nicht umgewand¬
ter parlamentarischer Kämpe hervorgethan hat und selbstverständlich zu den
wiedergewählten austretenden Bezirkstagsmitgliedern in seinem Wahlkreise ge¬
hört, ergriff darauf die Gelegenheit, in einer schwungvollen Rede auf diese
Wünsche etwas näher einzugehen. Nicht unpoetisch, wenn auch nicht ganz
zutreffend — die Metaphern hinken ja bekanntlich alle — verglich er den
vorliegenden Gesetzentwurf mit einem Freiheitstrank, nach dem das Land
schon lange gedurstet, der ihm aber von der Regierung nur tropfenweise
eingeflößt werde. Er will darin eine ähnliche BeHandlungsweise erblicken,
wie wenn der Vater zu seinem hoffnungsvollen Sohn und Studiosus sagt:
„Jetzt bist du aus der Secunda in die Prima versetzt worden; dann wirst du
dein Abiturienten-Examen machen, später die Universität beziehen und sonach
und nach deine Laufbahn weiter fortsetzen." Ist das nicht niedlich? Denken Sie
sich nur das Reich als den domus xater t'smiliÄS, der ein wenig knickert mit
den Goldfüchschen für seinen studirenden tilius, und das Reichsland als diesen
fleißigen Bruder Studio, der am liebsten alles in Saus und Braus durch¬
bringen möchte. So etwa würde sich die hübsche Metapher ergänzen lassen.
Mit Rücksicht auf den mir zugewiesenen Raum muß ich mir versagen, auf
diese interessante Sitzung und deren Resultate des Näheren einzugehen, ge¬
d 5». enke aber später einmal gelegentlich darauf zurückzukommen.




Konservative Position.

Unter dem obigen Titel hat Herr Philipp von Nathusius-Ludom. be¬
kanntlich bis vor kurzem Redakteur der Kreuzzeitung, eine Anzahl von
Artikeln als Flugschrift veröffentlicht, die zuvor in der Kreuzzeitung ohne
Namensunterschrift erschienen waren. Die Flugschrift bezweckt laut ihres
ersten Abschnittes ein positives Programm der Kreuzzeitungspartei zu geben.
Der Verfasser will, wie er erklärt, den Gegnern die Waffe entziehen, die er
eine abgenutzte nennt, welche in der Behauptung liege, daß die conservative
Partei nicht sage, was sie wolle, sondern bloß kritisire. Wir meinen freilich.


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[0512] neue Errungenschaft noch weit von dem Ziele entfernt, welches das Land er¬ streben müsse und deshalb der Wunsch gerechtfertigt: „Es möge das Reichs¬ land eine Landesvertretung mit beschließenden Befugnissen erhalten, wodurch der Schwerpunkt der Gesetzgebung nach Straßburg als Hauptstadt des Reichs¬ landes verlegt werde." Dieser Satz wird dann näher begründet und zu seiner Rechtfertigung mit Citaten belegt. Mitglied Baron Zorn von Bulach, der in der gegenwärtigen Session sich schon mehrfach als ein nicht umgewand¬ ter parlamentarischer Kämpe hervorgethan hat und selbstverständlich zu den wiedergewählten austretenden Bezirkstagsmitgliedern in seinem Wahlkreise ge¬ hört, ergriff darauf die Gelegenheit, in einer schwungvollen Rede auf diese Wünsche etwas näher einzugehen. Nicht unpoetisch, wenn auch nicht ganz zutreffend — die Metaphern hinken ja bekanntlich alle — verglich er den vorliegenden Gesetzentwurf mit einem Freiheitstrank, nach dem das Land schon lange gedurstet, der ihm aber von der Regierung nur tropfenweise eingeflößt werde. Er will darin eine ähnliche BeHandlungsweise erblicken, wie wenn der Vater zu seinem hoffnungsvollen Sohn und Studiosus sagt: „Jetzt bist du aus der Secunda in die Prima versetzt worden; dann wirst du dein Abiturienten-Examen machen, später die Universität beziehen und sonach und nach deine Laufbahn weiter fortsetzen." Ist das nicht niedlich? Denken Sie sich nur das Reich als den domus xater t'smiliÄS, der ein wenig knickert mit den Goldfüchschen für seinen studirenden tilius, und das Reichsland als diesen fleißigen Bruder Studio, der am liebsten alles in Saus und Braus durch¬ bringen möchte. So etwa würde sich die hübsche Metapher ergänzen lassen. Mit Rücksicht auf den mir zugewiesenen Raum muß ich mir versagen, auf diese interessante Sitzung und deren Resultate des Näheren einzugehen, ge¬ d 5». enke aber später einmal gelegentlich darauf zurückzukommen. Konservative Position. Unter dem obigen Titel hat Herr Philipp von Nathusius-Ludom. be¬ kanntlich bis vor kurzem Redakteur der Kreuzzeitung, eine Anzahl von Artikeln als Flugschrift veröffentlicht, die zuvor in der Kreuzzeitung ohne Namensunterschrift erschienen waren. Die Flugschrift bezweckt laut ihres ersten Abschnittes ein positives Programm der Kreuzzeitungspartei zu geben. Der Verfasser will, wie er erklärt, den Gegnern die Waffe entziehen, die er eine abgenutzte nennt, welche in der Behauptung liege, daß die conservative Partei nicht sage, was sie wolle, sondern bloß kritisire. Wir meinen freilich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/512>, abgerufen am 07.05.2024.