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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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unendlich viel mehr, als der Physiker, der Chemiker, ja auch der Physiolog
sich bei diesem Worte zu denken pflegt."

Einen erwünschten Abschluß bildet der dritte Abschnitt, die Lehre vom
Werth, vom seinsollenden, vom ästhetischen und ethischen Ideal. Fast durch¬
gängig in Aphorismen größern und geringern Umfangs geschrieben, deutet er
viel an. führt manches in geistreichem Lapidarstyl aus und macht in der That
den Eindruck eines "Streifzuges mit gelegentlicher Recognoscirung und Ex-
ploration schwieriger Gegenden." Möge sich das Werk bei allen Denkenden
den Einfluß verschaffen, den es vermöge seiner reichen Gedanken und seiner
E. Conrad. schönen Form verdient.




Zur politischen Literatur in den Vereinigten Staaten.

Vor nicht langer Zeit erschien im Verlage von Harper Brothers in
New-Uork ein Buch, welches in der unabhängigen englisch-amerikanischen
Presse fast einstimmigen Beifall davon trug. Der Titel dieses Buches ist:
,,?olitie8 lor VounA ^merieans" und sein Versasser, Charles Nordhoff,
gehört zu den geachtetsten Deutsch-Amerikanern in den Vereinigten Staaten.
Die Schrift ist zwar in erster Linie für jüngere Leute, zunächst für Nordhoff's
eigenen Sohn bestimmt; allein sie kann und wird auch von älteren Personen,
die sich mit dem inneren Getriebe des amerikanischen Staatswesens bekannt
machen wollen, mit Interesse und Bortheil gelesen werden. Das Hauptziel des
Verfassers ist darauf gerichtet, das Wesen und den Begriff der Freiheit, des
Rechts, des Gesetzes, der Regierung u. s. w. klar zu legen und auf amerika¬
nische Verhältnisse anzuwenden. Das Buch ist reich an principiellen Aus¬
führungen und Nutzanwendungen auf die Praxis. Die Kapitel über "Arbeit
und Kapital" und "Handel und Bankwesen" sind vielen amerikanischen Ge¬
setzgebern und Staatsmännern, vielleicht auch gewissen Mitgliedern deutscher
Legislaturen, zu einem näheren Studium zu empfehlen. Nordhoff läßt sich
gern auf die Besprechung streitiger Fragen ein und vertheidigt dabei seine
Ansichten mit Kraft und Schärfe. neutral zu bleiben liebt er nicht, weder
bei politischen noch religiösen, noch volkswirthschaftlichen Controversen. Er


unendlich viel mehr, als der Physiker, der Chemiker, ja auch der Physiolog
sich bei diesem Worte zu denken pflegt."

Einen erwünschten Abschluß bildet der dritte Abschnitt, die Lehre vom
Werth, vom seinsollenden, vom ästhetischen und ethischen Ideal. Fast durch¬
gängig in Aphorismen größern und geringern Umfangs geschrieben, deutet er
viel an. führt manches in geistreichem Lapidarstyl aus und macht in der That
den Eindruck eines „Streifzuges mit gelegentlicher Recognoscirung und Ex-
ploration schwieriger Gegenden." Möge sich das Werk bei allen Denkenden
den Einfluß verschaffen, den es vermöge seiner reichen Gedanken und seiner
E. Conrad. schönen Form verdient.




Zur politischen Literatur in den Vereinigten Staaten.

Vor nicht langer Zeit erschien im Verlage von Harper Brothers in
New-Uork ein Buch, welches in der unabhängigen englisch-amerikanischen
Presse fast einstimmigen Beifall davon trug. Der Titel dieses Buches ist:
,,?olitie8 lor VounA ^merieans" und sein Versasser, Charles Nordhoff,
gehört zu den geachtetsten Deutsch-Amerikanern in den Vereinigten Staaten.
Die Schrift ist zwar in erster Linie für jüngere Leute, zunächst für Nordhoff's
eigenen Sohn bestimmt; allein sie kann und wird auch von älteren Personen,
die sich mit dem inneren Getriebe des amerikanischen Staatswesens bekannt
machen wollen, mit Interesse und Bortheil gelesen werden. Das Hauptziel des
Verfassers ist darauf gerichtet, das Wesen und den Begriff der Freiheit, des
Rechts, des Gesetzes, der Regierung u. s. w. klar zu legen und auf amerika¬
nische Verhältnisse anzuwenden. Das Buch ist reich an principiellen Aus¬
führungen und Nutzanwendungen auf die Praxis. Die Kapitel über „Arbeit
und Kapital" und „Handel und Bankwesen" sind vielen amerikanischen Ge¬
setzgebern und Staatsmännern, vielleicht auch gewissen Mitgliedern deutscher
Legislaturen, zu einem näheren Studium zu empfehlen. Nordhoff läßt sich
gern auf die Besprechung streitiger Fragen ein und vertheidigt dabei seine
Ansichten mit Kraft und Schärfe. neutral zu bleiben liebt er nicht, weder
bei politischen noch religiösen, noch volkswirthschaftlichen Controversen. Er


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[0124] unendlich viel mehr, als der Physiker, der Chemiker, ja auch der Physiolog sich bei diesem Worte zu denken pflegt." Einen erwünschten Abschluß bildet der dritte Abschnitt, die Lehre vom Werth, vom seinsollenden, vom ästhetischen und ethischen Ideal. Fast durch¬ gängig in Aphorismen größern und geringern Umfangs geschrieben, deutet er viel an. führt manches in geistreichem Lapidarstyl aus und macht in der That den Eindruck eines „Streifzuges mit gelegentlicher Recognoscirung und Ex- ploration schwieriger Gegenden." Möge sich das Werk bei allen Denkenden den Einfluß verschaffen, den es vermöge seiner reichen Gedanken und seiner E. Conrad. schönen Form verdient. Zur politischen Literatur in den Vereinigten Staaten. Vor nicht langer Zeit erschien im Verlage von Harper Brothers in New-Uork ein Buch, welches in der unabhängigen englisch-amerikanischen Presse fast einstimmigen Beifall davon trug. Der Titel dieses Buches ist: ,,?olitie8 lor VounA ^merieans" und sein Versasser, Charles Nordhoff, gehört zu den geachtetsten Deutsch-Amerikanern in den Vereinigten Staaten. Die Schrift ist zwar in erster Linie für jüngere Leute, zunächst für Nordhoff's eigenen Sohn bestimmt; allein sie kann und wird auch von älteren Personen, die sich mit dem inneren Getriebe des amerikanischen Staatswesens bekannt machen wollen, mit Interesse und Bortheil gelesen werden. Das Hauptziel des Verfassers ist darauf gerichtet, das Wesen und den Begriff der Freiheit, des Rechts, des Gesetzes, der Regierung u. s. w. klar zu legen und auf amerika¬ nische Verhältnisse anzuwenden. Das Buch ist reich an principiellen Aus¬ führungen und Nutzanwendungen auf die Praxis. Die Kapitel über „Arbeit und Kapital" und „Handel und Bankwesen" sind vielen amerikanischen Ge¬ setzgebern und Staatsmännern, vielleicht auch gewissen Mitgliedern deutscher Legislaturen, zu einem näheren Studium zu empfehlen. Nordhoff läßt sich gern auf die Besprechung streitiger Fragen ein und vertheidigt dabei seine Ansichten mit Kraft und Schärfe. neutral zu bleiben liebt er nicht, weder bei politischen noch religiösen, noch volkswirthschaftlichen Controversen. Er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/124>, abgerufen am 28.03.2024.