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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Lin steirisches Kloster.

Seitdem die "Kronprinz-Rudolfs°Bahn" von der Donau die Enns auf¬
wärts durch die grüne Steiermark bis ins Herz Kärnthens führt, ist
auch jenes großartige Hochthal der Ostalpen, das der Name "Admont" be¬
zeichnet, ein leicht zugänglicher Punkt geworden. Und er verdient es wahr¬
haftig, daß man ihn aufsucht. Durch die düstre Enge des "Gehäuses" führt
von Hieflau her das Dampfroß in einer kurzen Stunde nach Admont. Tief
unten saust und braust die grüne Enns, eng zusammengepreßt von riesigen
Felsen, in jähem Sturze über und um zahllose Steintrümmer sich schmiegend,
auf lange Strecken in weißen Schaum gelöst und die ganze Sohle des Thales
erfüllend. Ueber ihr thürmen sich die Felsmassen empor, den Fuß bekleidet
Mit Fichten und Moosen, die zackigen grauen Häupter nackt und kahl, zer¬
klüftet von der Gewalt des Schneewassers, das jahraus jahrein ihnen tiefe
Furchen reißt und breite Halden von Schutt und Steintrümmern hernieder¬
sendet. Bei jeder Wendung der Bahn zeigen sich neue Felsgestalten, bald
steile Mauern, bald scharfe Zacken, bis die Enge im "Gstatterboden" sich plötz¬
lich zu einem tiefen Felsenkessel weitet. Hier tritt auch wieder die erste Spur
menschlicher Ansiedlung entgegen: ein einsames Stationsgebäude. Aber nicht
freundlicher, nur großartiger wird die Landschaft. Im breiten Bett einher¬
ziehend, das Thal bedeckend mit weißen Kiesbänken und dichtem Röhricht
fließt die Enns; ihr links thürmt sich der Coloß des Buchsteins empor, bis
in die Wolken sich verlierend; ihr zur Rechten starrt zum Himmel die mächtige
Kalkwand des Hochthors, eine weißgraue, steile, zackige Masse, ohne eine
Spur des Lebens, die bei abendlicher Beleuchtung, wenn Alles rings schon
w Dämmerung versunken, geisterhaft weiß über dunklem Untergrunde sich
erhebt. Da donnert der Zug ins Innere des Berges, der ihm den Weg
sperrt. Und wie er den schwarzen Schlund verläßt, breitet sich ein weites,
Milch Thal aus, überragt von grauen Bergeshäuptern, wogend von Feldern
^ Wiesen, von Häusergruppen belebt, und in der Ferne leuchtet das spitze
hurrnpaar einer gothischen Kirche auf über langgedehnten, weißen Gebäude-
'rouler: das ist Kloster Admont.

Wenige Thäler der Ostalpen dürfte es geben, die an Pracht der Land¬
schaft diesem Admonter glichen. Doppelt mächtig wirkt der Gegensatz zwischen
^ Weiten, grünen, mit zahlreichen Ortschaften besetzten Fläche und den
^higen Gipfeln des Hochgebirges nach der menschenleeren Oede des "Ge¬
müses"; wie mit einem Zauberschlage enthüllt sich nach einer grandiosen
"elsenwildniß ein lachendes Culturbild. Einer riesigen Mauer gleich starren
^ Norden des Thales die Bergmassen empor, welche Stetermark von Ober-


Lin steirisches Kloster.

Seitdem die „Kronprinz-Rudolfs°Bahn" von der Donau die Enns auf¬
wärts durch die grüne Steiermark bis ins Herz Kärnthens führt, ist
auch jenes großartige Hochthal der Ostalpen, das der Name „Admont" be¬
zeichnet, ein leicht zugänglicher Punkt geworden. Und er verdient es wahr¬
haftig, daß man ihn aufsucht. Durch die düstre Enge des „Gehäuses" führt
von Hieflau her das Dampfroß in einer kurzen Stunde nach Admont. Tief
unten saust und braust die grüne Enns, eng zusammengepreßt von riesigen
Felsen, in jähem Sturze über und um zahllose Steintrümmer sich schmiegend,
auf lange Strecken in weißen Schaum gelöst und die ganze Sohle des Thales
erfüllend. Ueber ihr thürmen sich die Felsmassen empor, den Fuß bekleidet
Mit Fichten und Moosen, die zackigen grauen Häupter nackt und kahl, zer¬
klüftet von der Gewalt des Schneewassers, das jahraus jahrein ihnen tiefe
Furchen reißt und breite Halden von Schutt und Steintrümmern hernieder¬
sendet. Bei jeder Wendung der Bahn zeigen sich neue Felsgestalten, bald
steile Mauern, bald scharfe Zacken, bis die Enge im „Gstatterboden" sich plötz¬
lich zu einem tiefen Felsenkessel weitet. Hier tritt auch wieder die erste Spur
menschlicher Ansiedlung entgegen: ein einsames Stationsgebäude. Aber nicht
freundlicher, nur großartiger wird die Landschaft. Im breiten Bett einher¬
ziehend, das Thal bedeckend mit weißen Kiesbänken und dichtem Röhricht
fließt die Enns; ihr links thürmt sich der Coloß des Buchsteins empor, bis
in die Wolken sich verlierend; ihr zur Rechten starrt zum Himmel die mächtige
Kalkwand des Hochthors, eine weißgraue, steile, zackige Masse, ohne eine
Spur des Lebens, die bei abendlicher Beleuchtung, wenn Alles rings schon
w Dämmerung versunken, geisterhaft weiß über dunklem Untergrunde sich
erhebt. Da donnert der Zug ins Innere des Berges, der ihm den Weg
sperrt. Und wie er den schwarzen Schlund verläßt, breitet sich ein weites,
Milch Thal aus, überragt von grauen Bergeshäuptern, wogend von Feldern
^ Wiesen, von Häusergruppen belebt, und in der Ferne leuchtet das spitze
hurrnpaar einer gothischen Kirche auf über langgedehnten, weißen Gebäude-
'rouler: das ist Kloster Admont.

Wenige Thäler der Ostalpen dürfte es geben, die an Pracht der Land¬
schaft diesem Admonter glichen. Doppelt mächtig wirkt der Gegensatz zwischen
^ Weiten, grünen, mit zahlreichen Ortschaften besetzten Fläche und den
^higen Gipfeln des Hochgebirges nach der menschenleeren Oede des „Ge¬
müses"; wie mit einem Zauberschlage enthüllt sich nach einer grandiosen
»elsenwildniß ein lachendes Culturbild. Einer riesigen Mauer gleich starren
^ Norden des Thales die Bergmassen empor, welche Stetermark von Ober-


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[0217] Lin steirisches Kloster. Seitdem die „Kronprinz-Rudolfs°Bahn" von der Donau die Enns auf¬ wärts durch die grüne Steiermark bis ins Herz Kärnthens führt, ist auch jenes großartige Hochthal der Ostalpen, das der Name „Admont" be¬ zeichnet, ein leicht zugänglicher Punkt geworden. Und er verdient es wahr¬ haftig, daß man ihn aufsucht. Durch die düstre Enge des „Gehäuses" führt von Hieflau her das Dampfroß in einer kurzen Stunde nach Admont. Tief unten saust und braust die grüne Enns, eng zusammengepreßt von riesigen Felsen, in jähem Sturze über und um zahllose Steintrümmer sich schmiegend, auf lange Strecken in weißen Schaum gelöst und die ganze Sohle des Thales erfüllend. Ueber ihr thürmen sich die Felsmassen empor, den Fuß bekleidet Mit Fichten und Moosen, die zackigen grauen Häupter nackt und kahl, zer¬ klüftet von der Gewalt des Schneewassers, das jahraus jahrein ihnen tiefe Furchen reißt und breite Halden von Schutt und Steintrümmern hernieder¬ sendet. Bei jeder Wendung der Bahn zeigen sich neue Felsgestalten, bald steile Mauern, bald scharfe Zacken, bis die Enge im „Gstatterboden" sich plötz¬ lich zu einem tiefen Felsenkessel weitet. Hier tritt auch wieder die erste Spur menschlicher Ansiedlung entgegen: ein einsames Stationsgebäude. Aber nicht freundlicher, nur großartiger wird die Landschaft. Im breiten Bett einher¬ ziehend, das Thal bedeckend mit weißen Kiesbänken und dichtem Röhricht fließt die Enns; ihr links thürmt sich der Coloß des Buchsteins empor, bis in die Wolken sich verlierend; ihr zur Rechten starrt zum Himmel die mächtige Kalkwand des Hochthors, eine weißgraue, steile, zackige Masse, ohne eine Spur des Lebens, die bei abendlicher Beleuchtung, wenn Alles rings schon w Dämmerung versunken, geisterhaft weiß über dunklem Untergrunde sich erhebt. Da donnert der Zug ins Innere des Berges, der ihm den Weg sperrt. Und wie er den schwarzen Schlund verläßt, breitet sich ein weites, Milch Thal aus, überragt von grauen Bergeshäuptern, wogend von Feldern ^ Wiesen, von Häusergruppen belebt, und in der Ferne leuchtet das spitze hurrnpaar einer gothischen Kirche auf über langgedehnten, weißen Gebäude- 'rouler: das ist Kloster Admont. Wenige Thäler der Ostalpen dürfte es geben, die an Pracht der Land¬ schaft diesem Admonter glichen. Doppelt mächtig wirkt der Gegensatz zwischen ^ Weiten, grünen, mit zahlreichen Ortschaften besetzten Fläche und den ^higen Gipfeln des Hochgebirges nach der menschenleeren Oede des „Ge¬ müses"; wie mit einem Zauberschlage enthüllt sich nach einer grandiosen »elsenwildniß ein lachendes Culturbild. Einer riesigen Mauer gleich starren ^ Norden des Thales die Bergmassen empor, welche Stetermark von Ober-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/217>, abgerufen am 29.03.2024.