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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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des Salzburger Se. Peterskloster waren es, die unter ihrem Abte die erste
Anlage machten und gleichsam als Palladium die schöne Bibelhandschrift mit
sich brachten, die noch jetzt der Stolz der Klosterbtbliothek ist. Aber rasch
gedieh die junge Stiftung zu einer der ersten Steiermarks. Freilich scheint
nun auf den ersten Blick die Entwicklung eines Klosters bei seiner Ab¬
geschlossenheit in der scheinbaren Einförmigkeit seiner Existenz wenig all¬
gemeinere Theilnahme erwecken zu können. Aber ein Benedictinerstift ist eben
zu keiner Zeit bloß ein frommer Betrachtung und Uebung gewidmetes
"Gotteshaus" gewesen; solange seine Insassen die Grundlage ihres Ordens¬
stifters: "Bete und arbeite" nicht außer Augen ließen -- und dies geschah
immer nur in einzelnen Perioden --, so lange war ein solches Ordenshaus
in der That eine Culturmacht und eine Culturstätte, von der aus Axt und
Pflugschaar, Meißel und Schreibgriffel unermüdlich vorwärtsdrangen. Die
astslavischen Lande der Ostalpen zumal verdanken diesen Klöstern einen sehr
guten Theil ihrer Civilisation und ihrer Germanisirung. Und von einem
weltabgeschlossenen Stillleben kann auch wohl kaum die Rede sein; denn jedes
hervorragende Kloster wuchs bald auch zu einer weltlichen Macht heran und
wurde tausendfach in die Landesgeschichte verflochten. Auch in die Kloster¬
mauern drang der Hader der Parteien in Reich und Landschaft, die geistigen
Kämpfe draußen fanden ihren Wiederhall in der Clausur, machten oft ihre
fördernde, vielleicht noch öfter ihre zerstörende Gewalt geltend. So ist auch
die Geschichte von Admont ein Spiegelbild der Landesgeschichte.

Wie die älteren Orden, die Benedictiner zumal, ihre Blüthezeit etwa bis
zum 13. Jahrhundert gehabt haben, so auch das Stift Admont. Rasch erwarb
es große Güter durch Schenkung frommer Seelen, klugen Kauf und sorgsame
Verwaltung, cultivirte mit Erfolg das Thal von Se. Gallen, das den ein¬
zigen Ausweg nach der untern Enns bildete, und das Paltenthal, welches
die Verbindung mit dem Innern Steiermarks sicherte. Unter Abt Wolfold
(1115--1173) gewann es die Gerichtsbarkeit über das Admontthal, also die
erste Grundlage landesherrlicher Gewalt; später, unter Berthold (1229--31) auch
die Erzpriesterwürde in Enns- und Paltenthale für seine Aebte, und so die
oberste kirchliche Macht über ein großes Gebiet. Eine feste Stütze hatte das
Kloster durch Anschluß an die von Frankreich ausgehende Regel von Clugny
gefunden, welche, in Deutschland vom Kaiser Heinrich III. selbst energisch ge¬
fördert, das Klosterleben kräftig erneuerte, freilich auch im Sinne päpstlicher
Universalherrschaft wirkte. Auch ein Nonnenkloster schloß sich noch unter
Wolfold an, das bis zur Reformationszeit bestanden hat. War nun die
Thätigkeit jener Aebte sehr wesentlich auf wirthschaftliche Entwicklung ge¬
richtet - die Geschichte der Gütererwerbungen füllt doch in der Klosterge¬
schichte nicht wenige Blätter -- so ward doch geistige Bildung keineswegs


I

des Salzburger Se. Peterskloster waren es, die unter ihrem Abte die erste
Anlage machten und gleichsam als Palladium die schöne Bibelhandschrift mit
sich brachten, die noch jetzt der Stolz der Klosterbtbliothek ist. Aber rasch
gedieh die junge Stiftung zu einer der ersten Steiermarks. Freilich scheint
nun auf den ersten Blick die Entwicklung eines Klosters bei seiner Ab¬
geschlossenheit in der scheinbaren Einförmigkeit seiner Existenz wenig all¬
gemeinere Theilnahme erwecken zu können. Aber ein Benedictinerstift ist eben
zu keiner Zeit bloß ein frommer Betrachtung und Uebung gewidmetes
„Gotteshaus" gewesen; solange seine Insassen die Grundlage ihres Ordens¬
stifters: „Bete und arbeite" nicht außer Augen ließen — und dies geschah
immer nur in einzelnen Perioden —, so lange war ein solches Ordenshaus
in der That eine Culturmacht und eine Culturstätte, von der aus Axt und
Pflugschaar, Meißel und Schreibgriffel unermüdlich vorwärtsdrangen. Die
astslavischen Lande der Ostalpen zumal verdanken diesen Klöstern einen sehr
guten Theil ihrer Civilisation und ihrer Germanisirung. Und von einem
weltabgeschlossenen Stillleben kann auch wohl kaum die Rede sein; denn jedes
hervorragende Kloster wuchs bald auch zu einer weltlichen Macht heran und
wurde tausendfach in die Landesgeschichte verflochten. Auch in die Kloster¬
mauern drang der Hader der Parteien in Reich und Landschaft, die geistigen
Kämpfe draußen fanden ihren Wiederhall in der Clausur, machten oft ihre
fördernde, vielleicht noch öfter ihre zerstörende Gewalt geltend. So ist auch
die Geschichte von Admont ein Spiegelbild der Landesgeschichte.

Wie die älteren Orden, die Benedictiner zumal, ihre Blüthezeit etwa bis
zum 13. Jahrhundert gehabt haben, so auch das Stift Admont. Rasch erwarb
es große Güter durch Schenkung frommer Seelen, klugen Kauf und sorgsame
Verwaltung, cultivirte mit Erfolg das Thal von Se. Gallen, das den ein¬
zigen Ausweg nach der untern Enns bildete, und das Paltenthal, welches
die Verbindung mit dem Innern Steiermarks sicherte. Unter Abt Wolfold
(1115—1173) gewann es die Gerichtsbarkeit über das Admontthal, also die
erste Grundlage landesherrlicher Gewalt; später, unter Berthold (1229—31) auch
die Erzpriesterwürde in Enns- und Paltenthale für seine Aebte, und so die
oberste kirchliche Macht über ein großes Gebiet. Eine feste Stütze hatte das
Kloster durch Anschluß an die von Frankreich ausgehende Regel von Clugny
gefunden, welche, in Deutschland vom Kaiser Heinrich III. selbst energisch ge¬
fördert, das Klosterleben kräftig erneuerte, freilich auch im Sinne päpstlicher
Universalherrschaft wirkte. Auch ein Nonnenkloster schloß sich noch unter
Wolfold an, das bis zur Reformationszeit bestanden hat. War nun die
Thätigkeit jener Aebte sehr wesentlich auf wirthschaftliche Entwicklung ge¬
richtet - die Geschichte der Gütererwerbungen füllt doch in der Klosterge¬
schichte nicht wenige Blätter — so ward doch geistige Bildung keineswegs


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[0220] des Salzburger Se. Peterskloster waren es, die unter ihrem Abte die erste Anlage machten und gleichsam als Palladium die schöne Bibelhandschrift mit sich brachten, die noch jetzt der Stolz der Klosterbtbliothek ist. Aber rasch gedieh die junge Stiftung zu einer der ersten Steiermarks. Freilich scheint nun auf den ersten Blick die Entwicklung eines Klosters bei seiner Ab¬ geschlossenheit in der scheinbaren Einförmigkeit seiner Existenz wenig all¬ gemeinere Theilnahme erwecken zu können. Aber ein Benedictinerstift ist eben zu keiner Zeit bloß ein frommer Betrachtung und Uebung gewidmetes „Gotteshaus" gewesen; solange seine Insassen die Grundlage ihres Ordens¬ stifters: „Bete und arbeite" nicht außer Augen ließen — und dies geschah immer nur in einzelnen Perioden —, so lange war ein solches Ordenshaus in der That eine Culturmacht und eine Culturstätte, von der aus Axt und Pflugschaar, Meißel und Schreibgriffel unermüdlich vorwärtsdrangen. Die astslavischen Lande der Ostalpen zumal verdanken diesen Klöstern einen sehr guten Theil ihrer Civilisation und ihrer Germanisirung. Und von einem weltabgeschlossenen Stillleben kann auch wohl kaum die Rede sein; denn jedes hervorragende Kloster wuchs bald auch zu einer weltlichen Macht heran und wurde tausendfach in die Landesgeschichte verflochten. Auch in die Kloster¬ mauern drang der Hader der Parteien in Reich und Landschaft, die geistigen Kämpfe draußen fanden ihren Wiederhall in der Clausur, machten oft ihre fördernde, vielleicht noch öfter ihre zerstörende Gewalt geltend. So ist auch die Geschichte von Admont ein Spiegelbild der Landesgeschichte. Wie die älteren Orden, die Benedictiner zumal, ihre Blüthezeit etwa bis zum 13. Jahrhundert gehabt haben, so auch das Stift Admont. Rasch erwarb es große Güter durch Schenkung frommer Seelen, klugen Kauf und sorgsame Verwaltung, cultivirte mit Erfolg das Thal von Se. Gallen, das den ein¬ zigen Ausweg nach der untern Enns bildete, und das Paltenthal, welches die Verbindung mit dem Innern Steiermarks sicherte. Unter Abt Wolfold (1115—1173) gewann es die Gerichtsbarkeit über das Admontthal, also die erste Grundlage landesherrlicher Gewalt; später, unter Berthold (1229—31) auch die Erzpriesterwürde in Enns- und Paltenthale für seine Aebte, und so die oberste kirchliche Macht über ein großes Gebiet. Eine feste Stütze hatte das Kloster durch Anschluß an die von Frankreich ausgehende Regel von Clugny gefunden, welche, in Deutschland vom Kaiser Heinrich III. selbst energisch ge¬ fördert, das Klosterleben kräftig erneuerte, freilich auch im Sinne päpstlicher Universalherrschaft wirkte. Auch ein Nonnenkloster schloß sich noch unter Wolfold an, das bis zur Reformationszeit bestanden hat. War nun die Thätigkeit jener Aebte sehr wesentlich auf wirthschaftliche Entwicklung ge¬ richtet - die Geschichte der Gütererwerbungen füllt doch in der Klosterge¬ schichte nicht wenige Blätter — so ward doch geistige Bildung keineswegs I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/220>, abgerufen am 25.04.2024.