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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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"Lin Seitenstück der Woabitica.

Hätte man dem laufenden Jahre einen bezeichnenden Beinamen zu geben,
so könnte man sich fast versucht fühlen, es das Jahr der entlarvten Antiken¬
fälschungen oder das Jahr der beschämter Unfehlbarkeiten in der Gelehrten-
republik oder aber das Trauerjahr der Berliner Akademie der Wissenschaften
zu nennen. Auch das Jahr der betrübten preußischen Staatskasse würde
vielleicht kein unebener Titel sein, wenn dieses Institut sich trotz der ihm
hierbei erwachsenen öffentlichen Nachtheile nicht -- dem Himmel sei Dank!
-- bei vergleichsweise recht blühender Gesundheit befände. In der That,
schwere Kalamitäten suchten in den letzten sieben Monaten einen Theil der
Berliner Gelehrtenwelt und eigenthümlicherweise gerade die Spitzen einer be¬
stimmten besonders vornehmen Klasse derselben heim, und wenn der Staats¬
säckel dabei nicht in allen Fällen unwiederbringliche Anzapfung erfuhr, so hat
dagegen unsere Achtung vor dem Wissen und unser Vertrauen zu der Vorsicht
der betreffenden Persönlichkeiten eine Erschütterung erlitten, die. wie zu fürch¬
ten steht, lange nachwirken und Manchem das bisher empfundene Pathos der
Ehrfurcht, das in verts. maZistri schwört, für immer in verdrießliches Mi߬
trauen oder -- die Temperamente sind verschieden -- in frivoles Schmunzeln
verwandeln wird.

Die Klage über das Unglück, das die Moabitica angerichtet, und bei
welchem das Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Akademie.
G. O. Reg.-Rath Justus Olshausen die Hauptschuld getroffen, waren noch
nicht verstummt, als wir von der Kunde überrascht wurden, daß einem zwei¬
ten Mitgliede der erwähnten Section jener Körperschaft ein ganz ähnliches
Malheur passirt sei, welches dem Staate nahezu dieselbe Summe gekostet
habe, wie der Erwerb jenes Plunders. Die "Post" meldete -- irren wir
nicht, Ende Juni -- daß dem Direktor des Antiquariums der Berliner Museen.


Grenzboten III. 187". 4 t
«Lin Seitenstück der Woabitica.

Hätte man dem laufenden Jahre einen bezeichnenden Beinamen zu geben,
so könnte man sich fast versucht fühlen, es das Jahr der entlarvten Antiken¬
fälschungen oder das Jahr der beschämter Unfehlbarkeiten in der Gelehrten-
republik oder aber das Trauerjahr der Berliner Akademie der Wissenschaften
zu nennen. Auch das Jahr der betrübten preußischen Staatskasse würde
vielleicht kein unebener Titel sein, wenn dieses Institut sich trotz der ihm
hierbei erwachsenen öffentlichen Nachtheile nicht — dem Himmel sei Dank!
— bei vergleichsweise recht blühender Gesundheit befände. In der That,
schwere Kalamitäten suchten in den letzten sieben Monaten einen Theil der
Berliner Gelehrtenwelt und eigenthümlicherweise gerade die Spitzen einer be¬
stimmten besonders vornehmen Klasse derselben heim, und wenn der Staats¬
säckel dabei nicht in allen Fällen unwiederbringliche Anzapfung erfuhr, so hat
dagegen unsere Achtung vor dem Wissen und unser Vertrauen zu der Vorsicht
der betreffenden Persönlichkeiten eine Erschütterung erlitten, die. wie zu fürch¬
ten steht, lange nachwirken und Manchem das bisher empfundene Pathos der
Ehrfurcht, das in verts. maZistri schwört, für immer in verdrießliches Mi߬
trauen oder — die Temperamente sind verschieden — in frivoles Schmunzeln
verwandeln wird.

Die Klage über das Unglück, das die Moabitica angerichtet, und bei
welchem das Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Akademie.
G. O. Reg.-Rath Justus Olshausen die Hauptschuld getroffen, waren noch
nicht verstummt, als wir von der Kunde überrascht wurden, daß einem zwei¬
ten Mitgliede der erwähnten Section jener Körperschaft ein ganz ähnliches
Malheur passirt sei, welches dem Staate nahezu dieselbe Summe gekostet
habe, wie der Erwerb jenes Plunders. Die „Post" meldete — irren wir
nicht, Ende Juni — daß dem Direktor des Antiquariums der Berliner Museen.


Grenzboten III. 187«. 4 t
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[0329] «Lin Seitenstück der Woabitica. Hätte man dem laufenden Jahre einen bezeichnenden Beinamen zu geben, so könnte man sich fast versucht fühlen, es das Jahr der entlarvten Antiken¬ fälschungen oder das Jahr der beschämter Unfehlbarkeiten in der Gelehrten- republik oder aber das Trauerjahr der Berliner Akademie der Wissenschaften zu nennen. Auch das Jahr der betrübten preußischen Staatskasse würde vielleicht kein unebener Titel sein, wenn dieses Institut sich trotz der ihm hierbei erwachsenen öffentlichen Nachtheile nicht — dem Himmel sei Dank! — bei vergleichsweise recht blühender Gesundheit befände. In der That, schwere Kalamitäten suchten in den letzten sieben Monaten einen Theil der Berliner Gelehrtenwelt und eigenthümlicherweise gerade die Spitzen einer be¬ stimmten besonders vornehmen Klasse derselben heim, und wenn der Staats¬ säckel dabei nicht in allen Fällen unwiederbringliche Anzapfung erfuhr, so hat dagegen unsere Achtung vor dem Wissen und unser Vertrauen zu der Vorsicht der betreffenden Persönlichkeiten eine Erschütterung erlitten, die. wie zu fürch¬ ten steht, lange nachwirken und Manchem das bisher empfundene Pathos der Ehrfurcht, das in verts. maZistri schwört, für immer in verdrießliches Mi߬ trauen oder — die Temperamente sind verschieden — in frivoles Schmunzeln verwandeln wird. Die Klage über das Unglück, das die Moabitica angerichtet, und bei welchem das Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Akademie. G. O. Reg.-Rath Justus Olshausen die Hauptschuld getroffen, waren noch nicht verstummt, als wir von der Kunde überrascht wurden, daß einem zwei¬ ten Mitgliede der erwähnten Section jener Körperschaft ein ganz ähnliches Malheur passirt sei, welches dem Staate nahezu dieselbe Summe gekostet habe, wie der Erwerb jenes Plunders. Die „Post" meldete — irren wir nicht, Ende Juni — daß dem Direktor des Antiquariums der Berliner Museen. Grenzboten III. 187«. 4 t

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/329>, abgerufen am 19.04.2024.