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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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zugleich auf eine und dieselbe Gottheit übertragen werden und allein die Er¬
habenheit der Götterwelt über die Menschenwelt zum Ausdruck kommt. Ge¬
rade daß die Schlange dem Menschen Furcht und Grauen erweckt, machte sie
im Semitismus, wo die Religion durchaus auf Furcht vor übermächtigen
Wesen beruht, zu einem göttlichen Thiere, von welchem man dann, wie
von den Göttern überhaupt, bald Wohlthaten, bald Heimsuchungen ab¬
leitete."

Die letzte Abhandlung widerlegt eine Ansicht Hitzig's in Betreff der Stelle
Sacharja 12, 11: "An jenem Tage wird groß sein die Klage in Jerusalem
gleich der Klage Hadad Rimmons im Thale Megiddo." Die älteren Er¬
klärer haben darunter eine Todtenklage an einem Orte Hadad Rimmon ver¬
standen und dabei bald an den Tod des Königs Ahab, bald an den des
Ahasja, bald an den des Josia gedacht. Hitzig dagegen sah in Hadad Rim¬
mon nicht den Ort, wo, sondern die Person, über welche die Klage angestellt
worden sei, und zwar wollte er, daß sie dem Gott Adonis gegolten habe,
der eben syrisch Hadad Rimmon geheißen habe. Unsere Schrift aber weist
nach, daß in Hadad Rimmon allerdings Gottesnamen enthalten sind, daß
aber ganz entschieden verneint werden muß, damit sei der Adonis oder ir¬
gend ein Gott gemeint, um den eine Klage wie um den Adonis an¬
gestellt worden sei. In Hadad Rimmon läßt sich weder der erste noch der
zweite Theil als Name des Adonis nachweisen. Es muß statt dessen Hadar
Rammon oder Ramman gelesen werden, und Rammon ist identisch mit dem
assyrischen Gewittergotte Bin. Von einem Trauerritus in dem Cultus dieses
Gottes ist aber nichts bekannt. Also haben wir uns nach einer andern Er¬
klärung der Klage Hadar Ramman's umzusehen. Der Verfasser hält nun
dafür, daß Hadar Ramman der Name einer nach dem Gotte Ramman be¬
nannten Stadt gewesen sei und "Herrlich ist Ramman" bedeutet habe. Der
Name stamme vielleicht aus der Zeit vor der Besitznahme des Landes durch
die Jsraeliten, vielleicht aber auch hätten sich nach Zerstörung des Reiches
Samaria Syrer oder Assyrer dort angesiedelt. Die Klage über Hadar Ramman
endlich sei die über den in der Nähe dieses Ortes erfolgten Tod des Königs
Josia angestellte Klage, eine Feierlichkeit, von der wahrscheinlicher ist, daß
sie in der Hauptstadt des Reiches Juda, also zu Jerusalem, als daß sie in
einer kleinen Landstadt abgehalten wurde.


Die Philosophie der Erlösung von Philipp Mainländer. Berlin, Verlag von
Theobald Grieben, 1876.

Das einzig Werthvolle an diesem über 600 Seiten starken Buche ver¬
mögen wir in einem Theil der kritischen Bemerkungen über gewisse Behaupt¬
ungen Schopenhauer's zu finden, wo in der That viel Treffendes gesagt und


zugleich auf eine und dieselbe Gottheit übertragen werden und allein die Er¬
habenheit der Götterwelt über die Menschenwelt zum Ausdruck kommt. Ge¬
rade daß die Schlange dem Menschen Furcht und Grauen erweckt, machte sie
im Semitismus, wo die Religion durchaus auf Furcht vor übermächtigen
Wesen beruht, zu einem göttlichen Thiere, von welchem man dann, wie
von den Göttern überhaupt, bald Wohlthaten, bald Heimsuchungen ab¬
leitete."

Die letzte Abhandlung widerlegt eine Ansicht Hitzig's in Betreff der Stelle
Sacharja 12, 11: „An jenem Tage wird groß sein die Klage in Jerusalem
gleich der Klage Hadad Rimmons im Thale Megiddo." Die älteren Er¬
klärer haben darunter eine Todtenklage an einem Orte Hadad Rimmon ver¬
standen und dabei bald an den Tod des Königs Ahab, bald an den des
Ahasja, bald an den des Josia gedacht. Hitzig dagegen sah in Hadad Rim¬
mon nicht den Ort, wo, sondern die Person, über welche die Klage angestellt
worden sei, und zwar wollte er, daß sie dem Gott Adonis gegolten habe,
der eben syrisch Hadad Rimmon geheißen habe. Unsere Schrift aber weist
nach, daß in Hadad Rimmon allerdings Gottesnamen enthalten sind, daß
aber ganz entschieden verneint werden muß, damit sei der Adonis oder ir¬
gend ein Gott gemeint, um den eine Klage wie um den Adonis an¬
gestellt worden sei. In Hadad Rimmon läßt sich weder der erste noch der
zweite Theil als Name des Adonis nachweisen. Es muß statt dessen Hadar
Rammon oder Ramman gelesen werden, und Rammon ist identisch mit dem
assyrischen Gewittergotte Bin. Von einem Trauerritus in dem Cultus dieses
Gottes ist aber nichts bekannt. Also haben wir uns nach einer andern Er¬
klärung der Klage Hadar Ramman's umzusehen. Der Verfasser hält nun
dafür, daß Hadar Ramman der Name einer nach dem Gotte Ramman be¬
nannten Stadt gewesen sei und „Herrlich ist Ramman" bedeutet habe. Der
Name stamme vielleicht aus der Zeit vor der Besitznahme des Landes durch
die Jsraeliten, vielleicht aber auch hätten sich nach Zerstörung des Reiches
Samaria Syrer oder Assyrer dort angesiedelt. Die Klage über Hadar Ramman
endlich sei die über den in der Nähe dieses Ortes erfolgten Tod des Königs
Josia angestellte Klage, eine Feierlichkeit, von der wahrscheinlicher ist, daß
sie in der Hauptstadt des Reiches Juda, also zu Jerusalem, als daß sie in
einer kleinen Landstadt abgehalten wurde.


Die Philosophie der Erlösung von Philipp Mainländer. Berlin, Verlag von
Theobald Grieben, 1876.

Das einzig Werthvolle an diesem über 600 Seiten starken Buche ver¬
mögen wir in einem Theil der kritischen Bemerkungen über gewisse Behaupt¬
ungen Schopenhauer's zu finden, wo in der That viel Treffendes gesagt und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/407>, abgerufen am 16.04.2024.