Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bauten, der Ausstattung und Ausbesserung seiner Paläste Dolmabagdsche,
Top Kapu, Imi Serai, Beschiktasch, Tschiragan. Begier Beg. Chiat Chara
und der zahlreichen Kioske auf beiden Seiten des Bosporus erfordert werden.
Es giebt indeß kein Mittel, die Richtigkeit dieser Abschätzungen festzustellen,
auch giebt das eine Jahr nicht.das Maß für das folgende. Vieles hängt
dabei von der Laune des Autokraten ab, der Schlösser bauen und Möbel und
Juwelen kaufen kann, ohne anders als durch die Unmöglichkeit beschränkt zu
sein, sich das dazu erforderliche Geld oder den nöthigen Credit zu verschaffen.
Unter dem letzten Sultan trat diese Beschränkung ein, und der jetzige will
sie berücksichtigen -- wenn er überhaupt etwas will. Warten wir das ab.




Ale religiöse Bewegung in Italien.

Daß eine religiöse Bewegung auch unter den gebildeten Klassen Italiens,
ob immerhin nur in sehr kleiner Ausdehnung besteht, dafür lieferte einen
bemerkenswerthen Beleg das römische Tageblatt "Diritto" in sechs Nummern,
die zwischen dem 2. und 11. Februar d. I. erschienen. Das "Diritto" nennt
sich Journal der italienischen Demokratie und gilt seit dem letzten Minister-
Wechsel für das Organ des Ministeriums, in welchem die Linke zum ersten
Mal wieder ans Ruder gelangt ist, seitdem die Laufbahn Ratazzt's ge¬
endet hat.

Unter Demokratie ist in Italien etwas Anderes zu verstehen als ander¬
wärts, und die moderne italienische Demokratie, wie sie gerade durch die
Wirksamkeit des "Diritto" reformirt worden ist, ist wiederum von dem älteren
Radikalismus der jetzt sehr zusammengeschmolzenen republikanischen Partei
mazzinistischer Tradition wohl zu unterscheiden. Die Doktrin der neuen na-
schen Demokratie setzt nicht die Leugnung der natürlich-geistigen und gesell¬
schaftlichen Unterschiede voraus, wird nicht von demagogischen Gelüsten be-
wegt, ist nicht bezeichnet mit jenem: e' est l'^ntlcng-entre <mi ohne entror
an Salon. Im Ganzen gewinnt man durch die Beschäftigung mit den wich¬
tigsten Organen und Lebensäußerungen dieser Partei den Eindruck, die wahr¬
haft nationale Partei Italiens vor sich zu haben. Die italienische Demo¬
kratie vertritt das Bedürfniß einer ernsten und gründlichen Regeneration des
ganzen Nationallebens, während diejenigen Klassen, welche nach Errichtung


Bauten, der Ausstattung und Ausbesserung seiner Paläste Dolmabagdsche,
Top Kapu, Imi Serai, Beschiktasch, Tschiragan. Begier Beg. Chiat Chara
und der zahlreichen Kioske auf beiden Seiten des Bosporus erfordert werden.
Es giebt indeß kein Mittel, die Richtigkeit dieser Abschätzungen festzustellen,
auch giebt das eine Jahr nicht.das Maß für das folgende. Vieles hängt
dabei von der Laune des Autokraten ab, der Schlösser bauen und Möbel und
Juwelen kaufen kann, ohne anders als durch die Unmöglichkeit beschränkt zu
sein, sich das dazu erforderliche Geld oder den nöthigen Credit zu verschaffen.
Unter dem letzten Sultan trat diese Beschränkung ein, und der jetzige will
sie berücksichtigen — wenn er überhaupt etwas will. Warten wir das ab.




Ale religiöse Bewegung in Italien.

Daß eine religiöse Bewegung auch unter den gebildeten Klassen Italiens,
ob immerhin nur in sehr kleiner Ausdehnung besteht, dafür lieferte einen
bemerkenswerthen Beleg das römische Tageblatt „Diritto" in sechs Nummern,
die zwischen dem 2. und 11. Februar d. I. erschienen. Das „Diritto" nennt
sich Journal der italienischen Demokratie und gilt seit dem letzten Minister-
Wechsel für das Organ des Ministeriums, in welchem die Linke zum ersten
Mal wieder ans Ruder gelangt ist, seitdem die Laufbahn Ratazzt's ge¬
endet hat.

Unter Demokratie ist in Italien etwas Anderes zu verstehen als ander¬
wärts, und die moderne italienische Demokratie, wie sie gerade durch die
Wirksamkeit des „Diritto" reformirt worden ist, ist wiederum von dem älteren
Radikalismus der jetzt sehr zusammengeschmolzenen republikanischen Partei
mazzinistischer Tradition wohl zu unterscheiden. Die Doktrin der neuen na-
schen Demokratie setzt nicht die Leugnung der natürlich-geistigen und gesell¬
schaftlichen Unterschiede voraus, wird nicht von demagogischen Gelüsten be-
wegt, ist nicht bezeichnet mit jenem: e' est l'^ntlcng-entre <mi ohne entror
an Salon. Im Ganzen gewinnt man durch die Beschäftigung mit den wich¬
tigsten Organen und Lebensäußerungen dieser Partei den Eindruck, die wahr¬
haft nationale Partei Italiens vor sich zu haben. Die italienische Demo¬
kratie vertritt das Bedürfniß einer ernsten und gründlichen Regeneration des
ganzen Nationallebens, während diejenigen Klassen, welche nach Errichtung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136548"/>
          <p xml:id="ID_1124" prev="#ID_1123"> Bauten, der Ausstattung und Ausbesserung seiner Paläste Dolmabagdsche,<lb/>
Top Kapu, Imi Serai, Beschiktasch, Tschiragan. Begier Beg. Chiat Chara<lb/>
und der zahlreichen Kioske auf beiden Seiten des Bosporus erfordert werden.<lb/>
Es giebt indeß kein Mittel, die Richtigkeit dieser Abschätzungen festzustellen,<lb/>
auch giebt das eine Jahr nicht.das Maß für das folgende. Vieles hängt<lb/>
dabei von der Laune des Autokraten ab, der Schlösser bauen und Möbel und<lb/>
Juwelen kaufen kann, ohne anders als durch die Unmöglichkeit beschränkt zu<lb/>
sein, sich das dazu erforderliche Geld oder den nöthigen Credit zu verschaffen.<lb/>
Unter dem letzten Sultan trat diese Beschränkung ein, und der jetzige will<lb/>
sie berücksichtigen &#x2014; wenn er überhaupt etwas will.  Warten wir das ab.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ale religiöse Bewegung in Italien.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1125"> Daß eine religiöse Bewegung auch unter den gebildeten Klassen Italiens,<lb/>
ob immerhin nur in sehr kleiner Ausdehnung besteht, dafür lieferte einen<lb/>
bemerkenswerthen Beleg das römische Tageblatt &#x201E;Diritto" in sechs Nummern,<lb/>
die zwischen dem 2. und 11. Februar d. I. erschienen. Das &#x201E;Diritto" nennt<lb/>
sich Journal der italienischen Demokratie und gilt seit dem letzten Minister-<lb/>
Wechsel für das Organ des Ministeriums, in welchem die Linke zum ersten<lb/>
Mal wieder ans Ruder gelangt ist, seitdem die Laufbahn Ratazzt's ge¬<lb/>
endet hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1126" next="#ID_1127"> Unter Demokratie ist in Italien etwas Anderes zu verstehen als ander¬<lb/>
wärts, und die moderne italienische Demokratie, wie sie gerade durch die<lb/>
Wirksamkeit des &#x201E;Diritto" reformirt worden ist, ist wiederum von dem älteren<lb/>
Radikalismus der jetzt sehr zusammengeschmolzenen republikanischen Partei<lb/>
mazzinistischer Tradition wohl zu unterscheiden. Die Doktrin der neuen na-<lb/>
schen Demokratie setzt nicht die Leugnung der natürlich-geistigen und gesell¬<lb/>
schaftlichen Unterschiede voraus, wird nicht von demagogischen Gelüsten be-<lb/>
wegt, ist nicht bezeichnet mit jenem: e' est l'^ntlcng-entre &lt;mi ohne entror<lb/>
an Salon. Im Ganzen gewinnt man durch die Beschäftigung mit den wich¬<lb/>
tigsten Organen und Lebensäußerungen dieser Partei den Eindruck, die wahr¬<lb/>
haft nationale Partei Italiens vor sich zu haben. Die italienische Demo¬<lb/>
kratie vertritt das Bedürfniß einer ernsten und gründlichen Regeneration des<lb/>
ganzen Nationallebens, während diejenigen Klassen, welche nach Errichtung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0437] Bauten, der Ausstattung und Ausbesserung seiner Paläste Dolmabagdsche, Top Kapu, Imi Serai, Beschiktasch, Tschiragan. Begier Beg. Chiat Chara und der zahlreichen Kioske auf beiden Seiten des Bosporus erfordert werden. Es giebt indeß kein Mittel, die Richtigkeit dieser Abschätzungen festzustellen, auch giebt das eine Jahr nicht.das Maß für das folgende. Vieles hängt dabei von der Laune des Autokraten ab, der Schlösser bauen und Möbel und Juwelen kaufen kann, ohne anders als durch die Unmöglichkeit beschränkt zu sein, sich das dazu erforderliche Geld oder den nöthigen Credit zu verschaffen. Unter dem letzten Sultan trat diese Beschränkung ein, und der jetzige will sie berücksichtigen — wenn er überhaupt etwas will. Warten wir das ab. Ale religiöse Bewegung in Italien. Daß eine religiöse Bewegung auch unter den gebildeten Klassen Italiens, ob immerhin nur in sehr kleiner Ausdehnung besteht, dafür lieferte einen bemerkenswerthen Beleg das römische Tageblatt „Diritto" in sechs Nummern, die zwischen dem 2. und 11. Februar d. I. erschienen. Das „Diritto" nennt sich Journal der italienischen Demokratie und gilt seit dem letzten Minister- Wechsel für das Organ des Ministeriums, in welchem die Linke zum ersten Mal wieder ans Ruder gelangt ist, seitdem die Laufbahn Ratazzt's ge¬ endet hat. Unter Demokratie ist in Italien etwas Anderes zu verstehen als ander¬ wärts, und die moderne italienische Demokratie, wie sie gerade durch die Wirksamkeit des „Diritto" reformirt worden ist, ist wiederum von dem älteren Radikalismus der jetzt sehr zusammengeschmolzenen republikanischen Partei mazzinistischer Tradition wohl zu unterscheiden. Die Doktrin der neuen na- schen Demokratie setzt nicht die Leugnung der natürlich-geistigen und gesell¬ schaftlichen Unterschiede voraus, wird nicht von demagogischen Gelüsten be- wegt, ist nicht bezeichnet mit jenem: e' est l'^ntlcng-entre <mi ohne entror an Salon. Im Ganzen gewinnt man durch die Beschäftigung mit den wich¬ tigsten Organen und Lebensäußerungen dieser Partei den Eindruck, die wahr¬ haft nationale Partei Italiens vor sich zu haben. Die italienische Demo¬ kratie vertritt das Bedürfniß einer ernsten und gründlichen Regeneration des ganzen Nationallebens, während diejenigen Klassen, welche nach Errichtung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/437
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/437>, abgerufen am 24.04.2024.