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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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weit das heutige Deutschland sich von dem Deutschland entfernt hat, dessen
wissenschaftlicher und poetischer Idealismus zur Leuchte der Welt bestimmt
zu sein schien. Unser Verfasser hielt noch, als er diese Briefe schrieb, den
italienischen Geist für weit weniger vorbereitet zur Aufnahme des religiösen
Problems, von dessen Lösung er gleichwohl die Zukunft der italienischen
Nation abhängig erblickte. Er will deshalb auch mit so ungenügenden Ver¬
suchen zur Lösung dieses Problems einstweilen für Italien vorlieb nehmen,
wie der Altkatholicismus einer ist.

Die Kenntnißnahme der Briefe Mariano's verschafft uns die Einsicht,
daß in Italien eine jugendliche Generation lebt, die, obschon nicht zahlreich,
mit zuversichtlichen Glauben, mit dem Durst der sittlichen Erhebung und
der wissenschaftlichen Wahrheit die geistigen Lebensbedingungen der Zukunft
ihres Volkes zu begreifen und das Gefundene unter den Ihrigen wirken zu
l Constantin Rößler. assen bestrebt ist.




Die neueste Aase der MberKrisis.
von Max Wirth.

Zu keiner Zeit, selbst nicht nach der Entdeckung von Amerika, war der
Edelmetallmarkt so bewegt als gegenwärtig in Folge des Fallens des Silber-
Preises. Die Ereignisse folgen so rasch auf einander, daß es nothwendig
wird, sie von Zeit zu Zeit in einem Gesammtblick zu überschauen, um nicht
Plötzlich von neuen Wendungen überrascht zu werden. Obgleich die Gold¬
währung im deutschen Reiche nun nahe daran ist eine ganze Wahrheit zu
werden, so ist doch das Gesetz vom Januar dieses Jahres, betreffend die
Modifikation des Artikel 13 des Münzgesetzes, noch nicht in Kraft gesetzt,
weil wir uns noch einer ansehnlichen Summe Silbers zu entledigen haben.
Es ist also auch für die Reichsfinanzen immerhin keine gleichgiltige Frage,
ob die Entwerthung des Silbers anhalten wird, oder ob die Hoffnung be-
gründet ist, daß der Preis sich wieder erheben werde. Nun hat sich aller¬
dings der Silberpreis, nachdem er kürzlich den Tiefpunkt von 47 Pence, per
Unze Feinsilber, erreicht hatte, wieder auf 52^2 gehoben; allein diese Schwan¬
kung war mehr die Folge zufälliger Marktconjecturen, geringerer Zufuhr
wegen des niedrigen Preises und der Zurückhaltung der englischen Regierung
beim Verkauf ihrer indischen Wechsel. Man erwartet in London, daß die


weit das heutige Deutschland sich von dem Deutschland entfernt hat, dessen
wissenschaftlicher und poetischer Idealismus zur Leuchte der Welt bestimmt
zu sein schien. Unser Verfasser hielt noch, als er diese Briefe schrieb, den
italienischen Geist für weit weniger vorbereitet zur Aufnahme des religiösen
Problems, von dessen Lösung er gleichwohl die Zukunft der italienischen
Nation abhängig erblickte. Er will deshalb auch mit so ungenügenden Ver¬
suchen zur Lösung dieses Problems einstweilen für Italien vorlieb nehmen,
wie der Altkatholicismus einer ist.

Die Kenntnißnahme der Briefe Mariano's verschafft uns die Einsicht,
daß in Italien eine jugendliche Generation lebt, die, obschon nicht zahlreich,
mit zuversichtlichen Glauben, mit dem Durst der sittlichen Erhebung und
der wissenschaftlichen Wahrheit die geistigen Lebensbedingungen der Zukunft
ihres Volkes zu begreifen und das Gefundene unter den Ihrigen wirken zu
l Constantin Rößler. assen bestrebt ist.




Die neueste Aase der MberKrisis.
von Max Wirth.

Zu keiner Zeit, selbst nicht nach der Entdeckung von Amerika, war der
Edelmetallmarkt so bewegt als gegenwärtig in Folge des Fallens des Silber-
Preises. Die Ereignisse folgen so rasch auf einander, daß es nothwendig
wird, sie von Zeit zu Zeit in einem Gesammtblick zu überschauen, um nicht
Plötzlich von neuen Wendungen überrascht zu werden. Obgleich die Gold¬
währung im deutschen Reiche nun nahe daran ist eine ganze Wahrheit zu
werden, so ist doch das Gesetz vom Januar dieses Jahres, betreffend die
Modifikation des Artikel 13 des Münzgesetzes, noch nicht in Kraft gesetzt,
weil wir uns noch einer ansehnlichen Summe Silbers zu entledigen haben.
Es ist also auch für die Reichsfinanzen immerhin keine gleichgiltige Frage,
ob die Entwerthung des Silbers anhalten wird, oder ob die Hoffnung be-
gründet ist, daß der Preis sich wieder erheben werde. Nun hat sich aller¬
dings der Silberpreis, nachdem er kürzlich den Tiefpunkt von 47 Pence, per
Unze Feinsilber, erreicht hatte, wieder auf 52^2 gehoben; allein diese Schwan¬
kung war mehr die Folge zufälliger Marktconjecturen, geringerer Zufuhr
wegen des niedrigen Preises und der Zurückhaltung der englischen Regierung
beim Verkauf ihrer indischen Wechsel. Man erwartet in London, daß die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/443>, abgerufen am 25.04.2024.