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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Literatur.
Livland im achtzehnten Jahrhundert. -- Umrisse zu einer livländischen
Geschichte von Julius Eckardt. 1. Bd. Leipzig, Brockhaus. 1876.

Dieses Buch ist vor Allem für Livländer, denen es bisher an einer
Uebersicht über die neuere Geschichte ihrer Provinz fehlte, bestimmt, und es
macht keinen Anspruch auf eigentlich wissenschaftliche Darstellung seines Gegen¬
standes, sondern will ein praktisches Bedürfniß befriedigen. Einer seiner
Hauptzwecke ist, die gebildete Klasse in Livland über Alter, Entstehung und
Bedeutung der Einrichtungen zu belehren, von denen sie umgeben ist, und
irrthümliche Vorstellungen zu berichtigen, die über dieselben, sowie über
manches Andere, z. B. die Einflüsse Herrnhuts, im Umlaufe sind. In der
Hauptsache beschränkt sich der Verfasser darauf, in Spezialwerken zerstreute
Materialien zu sichten und zu gruppiren. Wo er die Landtagsgeschichte be¬
handelt, beruht seine Arbeit aus Studien des Archivs der livländischen Ritter¬
schaft. Die interessantesten Partien des Buches für uns Deutsche enthalten
die beiden letzten Kapitel, von denen sich das eine mit den ländlichen Ver-
fassungs- und Sittenzuständen Livlands in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts, das andere mit dem Bürgerthum und Städtewesen in dieser
und der nächstfolgenden Zeit beschäftigt. Die vorhergehenden Abschnitte geben
zunächst kurzgefaßte Rückblicke auf die livländische Landes- und Verfassungs¬
geschichte in der Periode der Unabhängigkeit, unter der Herrschaft der Polen
und unter derjenigen Schwedens, sowie auf die agrarischen Zustände in der
polnischen und schwedischen Zeit. Dann folgt in breiterer und tieferer Be¬
handlung die Geschichte der livländischen Institutionen unter der russischen
Herrschaft bis zum Jahre 1766, wofür weitere Kreise namentlich das Wir¬
ken und die Erlebnisse der Herrnhuter in den baltischen Provinzen Rußlands
und vorzüglich in Livland Interesse haben können. Die große "Seelener-
weckung- auf der Insel Oesel, welche durch jene Secte hervorgerufen wurde
und Aehnlichkeit mit den amerikanischen Revivals hatte, sowie die spätere
Verfolgung der Herrnhuter durch die Regierung, sind in anziehender Weise ge¬
schildert.


Die Sparsamkeit von Samuel Sinnes. Deutsche autorisirte Ausgabe von
Dr. Moritz Busch. Leipzig, Verlag von I. I. Weber 1876.

Der Verfasser hat alles Mögliche zusammengetragen, was sich über seinen
Gegenstand sagen läßt und zugleich eine gute Anzahl von Dingen, die zu
demselben in keiner oder doch nur in sehr entfernter Beziehung stehen, z. B.
das, was im 15. Kapitel über gesunde Wohnungen und die Bewegung zur


Literatur.
Livland im achtzehnten Jahrhundert. — Umrisse zu einer livländischen
Geschichte von Julius Eckardt. 1. Bd. Leipzig, Brockhaus. 1876.

Dieses Buch ist vor Allem für Livländer, denen es bisher an einer
Uebersicht über die neuere Geschichte ihrer Provinz fehlte, bestimmt, und es
macht keinen Anspruch auf eigentlich wissenschaftliche Darstellung seines Gegen¬
standes, sondern will ein praktisches Bedürfniß befriedigen. Einer seiner
Hauptzwecke ist, die gebildete Klasse in Livland über Alter, Entstehung und
Bedeutung der Einrichtungen zu belehren, von denen sie umgeben ist, und
irrthümliche Vorstellungen zu berichtigen, die über dieselben, sowie über
manches Andere, z. B. die Einflüsse Herrnhuts, im Umlaufe sind. In der
Hauptsache beschränkt sich der Verfasser darauf, in Spezialwerken zerstreute
Materialien zu sichten und zu gruppiren. Wo er die Landtagsgeschichte be¬
handelt, beruht seine Arbeit aus Studien des Archivs der livländischen Ritter¬
schaft. Die interessantesten Partien des Buches für uns Deutsche enthalten
die beiden letzten Kapitel, von denen sich das eine mit den ländlichen Ver-
fassungs- und Sittenzuständen Livlands in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts, das andere mit dem Bürgerthum und Städtewesen in dieser
und der nächstfolgenden Zeit beschäftigt. Die vorhergehenden Abschnitte geben
zunächst kurzgefaßte Rückblicke auf die livländische Landes- und Verfassungs¬
geschichte in der Periode der Unabhängigkeit, unter der Herrschaft der Polen
und unter derjenigen Schwedens, sowie auf die agrarischen Zustände in der
polnischen und schwedischen Zeit. Dann folgt in breiterer und tieferer Be¬
handlung die Geschichte der livländischen Institutionen unter der russischen
Herrschaft bis zum Jahre 1766, wofür weitere Kreise namentlich das Wir¬
ken und die Erlebnisse der Herrnhuter in den baltischen Provinzen Rußlands
und vorzüglich in Livland Interesse haben können. Die große „Seelener-
weckung- auf der Insel Oesel, welche durch jene Secte hervorgerufen wurde
und Aehnlichkeit mit den amerikanischen Revivals hatte, sowie die spätere
Verfolgung der Herrnhuter durch die Regierung, sind in anziehender Weise ge¬
schildert.


Die Sparsamkeit von Samuel Sinnes. Deutsche autorisirte Ausgabe von
Dr. Moritz Busch. Leipzig, Verlag von I. I. Weber 1876.

Der Verfasser hat alles Mögliche zusammengetragen, was sich über seinen
Gegenstand sagen läßt und zugleich eine gute Anzahl von Dingen, die zu
demselben in keiner oder doch nur in sehr entfernter Beziehung stehen, z. B.
das, was im 15. Kapitel über gesunde Wohnungen und die Bewegung zur


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[0447] Literatur. Livland im achtzehnten Jahrhundert. — Umrisse zu einer livländischen Geschichte von Julius Eckardt. 1. Bd. Leipzig, Brockhaus. 1876. Dieses Buch ist vor Allem für Livländer, denen es bisher an einer Uebersicht über die neuere Geschichte ihrer Provinz fehlte, bestimmt, und es macht keinen Anspruch auf eigentlich wissenschaftliche Darstellung seines Gegen¬ standes, sondern will ein praktisches Bedürfniß befriedigen. Einer seiner Hauptzwecke ist, die gebildete Klasse in Livland über Alter, Entstehung und Bedeutung der Einrichtungen zu belehren, von denen sie umgeben ist, und irrthümliche Vorstellungen zu berichtigen, die über dieselben, sowie über manches Andere, z. B. die Einflüsse Herrnhuts, im Umlaufe sind. In der Hauptsache beschränkt sich der Verfasser darauf, in Spezialwerken zerstreute Materialien zu sichten und zu gruppiren. Wo er die Landtagsgeschichte be¬ handelt, beruht seine Arbeit aus Studien des Archivs der livländischen Ritter¬ schaft. Die interessantesten Partien des Buches für uns Deutsche enthalten die beiden letzten Kapitel, von denen sich das eine mit den ländlichen Ver- fassungs- und Sittenzuständen Livlands in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, das andere mit dem Bürgerthum und Städtewesen in dieser und der nächstfolgenden Zeit beschäftigt. Die vorhergehenden Abschnitte geben zunächst kurzgefaßte Rückblicke auf die livländische Landes- und Verfassungs¬ geschichte in der Periode der Unabhängigkeit, unter der Herrschaft der Polen und unter derjenigen Schwedens, sowie auf die agrarischen Zustände in der polnischen und schwedischen Zeit. Dann folgt in breiterer und tieferer Be¬ handlung die Geschichte der livländischen Institutionen unter der russischen Herrschaft bis zum Jahre 1766, wofür weitere Kreise namentlich das Wir¬ ken und die Erlebnisse der Herrnhuter in den baltischen Provinzen Rußlands und vorzüglich in Livland Interesse haben können. Die große „Seelener- weckung- auf der Insel Oesel, welche durch jene Secte hervorgerufen wurde und Aehnlichkeit mit den amerikanischen Revivals hatte, sowie die spätere Verfolgung der Herrnhuter durch die Regierung, sind in anziehender Weise ge¬ schildert. Die Sparsamkeit von Samuel Sinnes. Deutsche autorisirte Ausgabe von Dr. Moritz Busch. Leipzig, Verlag von I. I. Weber 1876. Der Verfasser hat alles Mögliche zusammengetragen, was sich über seinen Gegenstand sagen läßt und zugleich eine gute Anzahl von Dingen, die zu demselben in keiner oder doch nur in sehr entfernter Beziehung stehen, z. B. das, was im 15. Kapitel über gesunde Wohnungen und die Bewegung zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/447>, abgerufen am 29.03.2024.