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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Beschaffung solcher gesagt ist, und der Inhalt des folgenden Abschnitts, der
von der "Lebenskunst" handelt, deren Begriff Herr Sinnes viel zu eng faßt.
Ein größerer Uebelstand des Buches ist seine Weitschweifigkeit und die Art,
wie der Verfasser schon drei, vier, ja zehnmal Gesagtes wiederholt. Schlie߬
lich aber wird er nicht selten trivial, wenigstens Leuten von Bildung gegen¬
über, die hier mancherlei Dinge als neu und mit Pathos vorgebracht finden,
die wir längst als selbstverständlich betrachten. Bei alledem kann das Werk
(629 Seiten stark) recht nützlich wirken. Die Grundansichten des Verfassers
sind gesunde, nicht leicht wird man ihm in seinen wirthschaftlichen Principien
Irrthümer nachweisen können, und unter dem in seiner Darstellung zusammen¬
gehäuften Material ist sehr vieles, von dem zu wünschen wäre, daß unsere Arbeiter,
sehr vieles auch, von dem wir möchten, daß unsre Arbeitgeber es lasen und be¬
herzigten. Wir verweisen in dieser Hinsicht namentlich auf das 7. Kapitel, wo von
dem Nutzen der Lebensversicherung und den verschiedenen Methoden derselben die
Rede ist, auf das achte, wo wir eine Geschichte der Sparbanken in England
erhalten, und auf die Kapitel 10 und 11, wo uns Beispiele großer und
wohlwollender Fabrikanten vorgeführt werden, die entweder in großartiger
Weise für die Wohlfahrt ihrer Arbeiter sorgten. oder Versuche mit dem
Cooperativsystem anstellten, welche freilich nur selten gelungen sind, wenn
auch meist nur deshalb nicht, weil Strikes oder andere von Seiten der Ar¬
beiter herkommende Störungen den Erfolg nach einiger Zeit vereitelten.
Das Buch sei daher trotz der Eingangs gerügten Mängel allen, die sich für
wirthschaftliche Fragen interessiren, bestens empfohlen.


Barthold Georg Niebuhr. Eine Gedächtnißschrift zu seinem hundertjährigen
Geburtstage von Johannes Classen, Gotha, Friedrich Andreas Perthes, 1876.

Der Geburtstag Niebuhrs ist der 27. August 1776. Der Verfasser
wirkte mehrere Jahre als Erzieher im Hause desselben, und die Schrift ist
die Umarbeitung und Erweiterung eines Aufsatzes, den Herr Classen kurz
nach Niebuhrs Ableben über dessen Leben für die Allgem. Preuß. Staats¬
zeitung (Nummer vom 2. Februar 1831) geschrieben hat. Für die, welche
die "Lebensnachrichten" kennen, welche Niebuhrs Schwägerin und Freundin
Frau Hensler 1838 und 1839 in drei Bänden veröffentlicht hat, wird unsre
Schrift wenig Neues von Bedeutung enthabten. Andern wird es willkommen
sein, zumal das Material besser als dort geordnet und Ueberflüssiges weg¬
gelassen worden ist. Die Frage, ob Hr. El. nicht auch noch hin und wieder
zu ausführlich wird, soll ebenso wie die, ob seine Pietät nicht bisweilen dem
Bilde zu wenig Schatten giebt, so daß es einen etwas sentimalen Ton be¬
kommt, nur angedeutet werden.


Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbi" in Leipzig. -- Druck von Hüthcl " Herrmann in Leipzig.

Beschaffung solcher gesagt ist, und der Inhalt des folgenden Abschnitts, der
von der „Lebenskunst" handelt, deren Begriff Herr Sinnes viel zu eng faßt.
Ein größerer Uebelstand des Buches ist seine Weitschweifigkeit und die Art,
wie der Verfasser schon drei, vier, ja zehnmal Gesagtes wiederholt. Schlie߬
lich aber wird er nicht selten trivial, wenigstens Leuten von Bildung gegen¬
über, die hier mancherlei Dinge als neu und mit Pathos vorgebracht finden,
die wir längst als selbstverständlich betrachten. Bei alledem kann das Werk
(629 Seiten stark) recht nützlich wirken. Die Grundansichten des Verfassers
sind gesunde, nicht leicht wird man ihm in seinen wirthschaftlichen Principien
Irrthümer nachweisen können, und unter dem in seiner Darstellung zusammen¬
gehäuften Material ist sehr vieles, von dem zu wünschen wäre, daß unsere Arbeiter,
sehr vieles auch, von dem wir möchten, daß unsre Arbeitgeber es lasen und be¬
herzigten. Wir verweisen in dieser Hinsicht namentlich auf das 7. Kapitel, wo von
dem Nutzen der Lebensversicherung und den verschiedenen Methoden derselben die
Rede ist, auf das achte, wo wir eine Geschichte der Sparbanken in England
erhalten, und auf die Kapitel 10 und 11, wo uns Beispiele großer und
wohlwollender Fabrikanten vorgeführt werden, die entweder in großartiger
Weise für die Wohlfahrt ihrer Arbeiter sorgten. oder Versuche mit dem
Cooperativsystem anstellten, welche freilich nur selten gelungen sind, wenn
auch meist nur deshalb nicht, weil Strikes oder andere von Seiten der Ar¬
beiter herkommende Störungen den Erfolg nach einiger Zeit vereitelten.
Das Buch sei daher trotz der Eingangs gerügten Mängel allen, die sich für
wirthschaftliche Fragen interessiren, bestens empfohlen.


Barthold Georg Niebuhr. Eine Gedächtnißschrift zu seinem hundertjährigen
Geburtstage von Johannes Classen, Gotha, Friedrich Andreas Perthes, 1876.

Der Geburtstag Niebuhrs ist der 27. August 1776. Der Verfasser
wirkte mehrere Jahre als Erzieher im Hause desselben, und die Schrift ist
die Umarbeitung und Erweiterung eines Aufsatzes, den Herr Classen kurz
nach Niebuhrs Ableben über dessen Leben für die Allgem. Preuß. Staats¬
zeitung (Nummer vom 2. Februar 1831) geschrieben hat. Für die, welche
die „Lebensnachrichten" kennen, welche Niebuhrs Schwägerin und Freundin
Frau Hensler 1838 und 1839 in drei Bänden veröffentlicht hat, wird unsre
Schrift wenig Neues von Bedeutung enthabten. Andern wird es willkommen
sein, zumal das Material besser als dort geordnet und Ueberflüssiges weg¬
gelassen worden ist. Die Frage, ob Hr. El. nicht auch noch hin und wieder
zu ausführlich wird, soll ebenso wie die, ob seine Pietät nicht bisweilen dem
Bilde zu wenig Schatten giebt, so daß es einen etwas sentimalen Ton be¬
kommt, nur angedeutet werden.


Verantwortlicher Redakteur: or. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbi» in Leipzig. — Druck von Hüthcl » Herrmann in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/448>, abgerufen am 28.03.2024.