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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Gemäldes, welche erst vor etwa zweihundert Jahren in einem Mönchskloster
zu Trau in Dalmatien wieder aufgefunden wurde. Der Ort der Handlung
ist wahrscheinlich Neapel. Zwei junge römische Bürger, Eneolpius und As-
cytus, beide Jndustrieritter, Schmarotzer und Gauner, beide in alle Geheim¬
nisse und Bräuche der liederlichen Gesellschaft eingeweiht, haben sich mit ihrem
Liebling Gnon in die Provinz auf Abenteuer begeben. Sie kommen auf
ihrer Reise nach Neapel, wo sie hören, daß der Sevir (Priester) Cajus Pom-
pejus Trimalchio, ein reicher, ungebildeter, aber eingebildeter Emporkömmling,
ein Gastmahl zu geben im Begriff ist. und demselben beizuwohnen beschließen,
was ihnen nicht schwer fällt, da Trimalchio offne Tafel hält. Die Beschrei¬
bung des Schmauses führt uns eine Menge seltsamer und kunstreicher Ge¬
richte. Geräthe und Geschirre vor. die uns zeigen, in welch raffinirter Weise
das Hauswesen der damaligen römischen Nabobs eingerichtet war, und die
dabei geführten Gespräche der Gäste, sowie die Reden Trimalchios und sein
Betragen gegen seine Frau enthüllen uns die ganze Gemeinheit und Ver¬
kommenheit der Welt, deren Typen Gastgeber und Gäste sind. In der
That, die letzteren sind ihres Wirthes, dieses ordinären, großthuenden, eitlen
Geldprotzen vollkommen würdig, die ganze Gesellschaft besteht aus dem Ab¬
schaum und Bodensatz der vornehmen Kreise, aus freigelassenen und reichge¬
worden Sclaven. Glücksrittern, in herkömmlichen glatten Formen gewandt
sich bewegenden Lumpen, die eine Auffassung der Menschen und Dinge kund¬
geben, welche an den gebildeten Hausknecht erinnert. So ist das Gemälde
ein sehr widerwärtiges, aber von hohem Werthe für die Kenntniß vom Stande
der Gesittung in weiten Kreisen des kaiserlichen Rom zur Zeit, wo Tacitus
schrieb, und gewissermaßen eine Ergänzung des Inhalts von dessen Schriften.
Wir bemerken noch, daß der Uebersetzung die Ausgabe der Satiren Petrons
von Bücheler zu Grunde liegt, die 1871 erschien, und daß dabei u. A. eine
Bearbeitung des Gastmahls von L. Storch benutzt worden ist.


Homers Odyssee übersetzt von Heinrich Schwarzschild. Frankfurt a. M.
Verlag von M. Diesterweg. 1876.

Die bisherigen Uebersetzungen der Irrfahrten des vielgereisten Dulders
Odysseus gaben uns das Original in seinem eignen Versmaße, also in
Hexametern wieder. Man konnte meinen, das wäre selbstverständlich, zumal
die deutsche Sprache, wie Donner, Minkwitz und Jordan durch ihre Leistun¬
gen gezeigt haben, sich sehr wohl für dieses Metrum eignet. Die vorliegende
Uebersetzung hat einen andern Weg eingeschlagen, und das Ergebniß kann
nicht anders als sehr befriedigend genannt werden. Herr Schwarzschild hat
die italienische Stanze gewählt, und wenn er dies bei der Ilias nicht hätte
thun können, ohne der Urdichtung einen falschen Ton und ein unpassendes


Gemäldes, welche erst vor etwa zweihundert Jahren in einem Mönchskloster
zu Trau in Dalmatien wieder aufgefunden wurde. Der Ort der Handlung
ist wahrscheinlich Neapel. Zwei junge römische Bürger, Eneolpius und As-
cytus, beide Jndustrieritter, Schmarotzer und Gauner, beide in alle Geheim¬
nisse und Bräuche der liederlichen Gesellschaft eingeweiht, haben sich mit ihrem
Liebling Gnon in die Provinz auf Abenteuer begeben. Sie kommen auf
ihrer Reise nach Neapel, wo sie hören, daß der Sevir (Priester) Cajus Pom-
pejus Trimalchio, ein reicher, ungebildeter, aber eingebildeter Emporkömmling,
ein Gastmahl zu geben im Begriff ist. und demselben beizuwohnen beschließen,
was ihnen nicht schwer fällt, da Trimalchio offne Tafel hält. Die Beschrei¬
bung des Schmauses führt uns eine Menge seltsamer und kunstreicher Ge¬
richte. Geräthe und Geschirre vor. die uns zeigen, in welch raffinirter Weise
das Hauswesen der damaligen römischen Nabobs eingerichtet war, und die
dabei geführten Gespräche der Gäste, sowie die Reden Trimalchios und sein
Betragen gegen seine Frau enthüllen uns die ganze Gemeinheit und Ver¬
kommenheit der Welt, deren Typen Gastgeber und Gäste sind. In der
That, die letzteren sind ihres Wirthes, dieses ordinären, großthuenden, eitlen
Geldprotzen vollkommen würdig, die ganze Gesellschaft besteht aus dem Ab¬
schaum und Bodensatz der vornehmen Kreise, aus freigelassenen und reichge¬
worden Sclaven. Glücksrittern, in herkömmlichen glatten Formen gewandt
sich bewegenden Lumpen, die eine Auffassung der Menschen und Dinge kund¬
geben, welche an den gebildeten Hausknecht erinnert. So ist das Gemälde
ein sehr widerwärtiges, aber von hohem Werthe für die Kenntniß vom Stande
der Gesittung in weiten Kreisen des kaiserlichen Rom zur Zeit, wo Tacitus
schrieb, und gewissermaßen eine Ergänzung des Inhalts von dessen Schriften.
Wir bemerken noch, daß der Uebersetzung die Ausgabe der Satiren Petrons
von Bücheler zu Grunde liegt, die 1871 erschien, und daß dabei u. A. eine
Bearbeitung des Gastmahls von L. Storch benutzt worden ist.


Homers Odyssee übersetzt von Heinrich Schwarzschild. Frankfurt a. M.
Verlag von M. Diesterweg. 1876.

Die bisherigen Uebersetzungen der Irrfahrten des vielgereisten Dulders
Odysseus gaben uns das Original in seinem eignen Versmaße, also in
Hexametern wieder. Man konnte meinen, das wäre selbstverständlich, zumal
die deutsche Sprache, wie Donner, Minkwitz und Jordan durch ihre Leistun¬
gen gezeigt haben, sich sehr wohl für dieses Metrum eignet. Die vorliegende
Uebersetzung hat einen andern Weg eingeschlagen, und das Ergebniß kann
nicht anders als sehr befriedigend genannt werden. Herr Schwarzschild hat
die italienische Stanze gewählt, und wenn er dies bei der Ilias nicht hätte
thun können, ohne der Urdichtung einen falschen Ton und ein unpassendes


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[0160] Gemäldes, welche erst vor etwa zweihundert Jahren in einem Mönchskloster zu Trau in Dalmatien wieder aufgefunden wurde. Der Ort der Handlung ist wahrscheinlich Neapel. Zwei junge römische Bürger, Eneolpius und As- cytus, beide Jndustrieritter, Schmarotzer und Gauner, beide in alle Geheim¬ nisse und Bräuche der liederlichen Gesellschaft eingeweiht, haben sich mit ihrem Liebling Gnon in die Provinz auf Abenteuer begeben. Sie kommen auf ihrer Reise nach Neapel, wo sie hören, daß der Sevir (Priester) Cajus Pom- pejus Trimalchio, ein reicher, ungebildeter, aber eingebildeter Emporkömmling, ein Gastmahl zu geben im Begriff ist. und demselben beizuwohnen beschließen, was ihnen nicht schwer fällt, da Trimalchio offne Tafel hält. Die Beschrei¬ bung des Schmauses führt uns eine Menge seltsamer und kunstreicher Ge¬ richte. Geräthe und Geschirre vor. die uns zeigen, in welch raffinirter Weise das Hauswesen der damaligen römischen Nabobs eingerichtet war, und die dabei geführten Gespräche der Gäste, sowie die Reden Trimalchios und sein Betragen gegen seine Frau enthüllen uns die ganze Gemeinheit und Ver¬ kommenheit der Welt, deren Typen Gastgeber und Gäste sind. In der That, die letzteren sind ihres Wirthes, dieses ordinären, großthuenden, eitlen Geldprotzen vollkommen würdig, die ganze Gesellschaft besteht aus dem Ab¬ schaum und Bodensatz der vornehmen Kreise, aus freigelassenen und reichge¬ worden Sclaven. Glücksrittern, in herkömmlichen glatten Formen gewandt sich bewegenden Lumpen, die eine Auffassung der Menschen und Dinge kund¬ geben, welche an den gebildeten Hausknecht erinnert. So ist das Gemälde ein sehr widerwärtiges, aber von hohem Werthe für die Kenntniß vom Stande der Gesittung in weiten Kreisen des kaiserlichen Rom zur Zeit, wo Tacitus schrieb, und gewissermaßen eine Ergänzung des Inhalts von dessen Schriften. Wir bemerken noch, daß der Uebersetzung die Ausgabe der Satiren Petrons von Bücheler zu Grunde liegt, die 1871 erschien, und daß dabei u. A. eine Bearbeitung des Gastmahls von L. Storch benutzt worden ist. Homers Odyssee übersetzt von Heinrich Schwarzschild. Frankfurt a. M. Verlag von M. Diesterweg. 1876. Die bisherigen Uebersetzungen der Irrfahrten des vielgereisten Dulders Odysseus gaben uns das Original in seinem eignen Versmaße, also in Hexametern wieder. Man konnte meinen, das wäre selbstverständlich, zumal die deutsche Sprache, wie Donner, Minkwitz und Jordan durch ihre Leistun¬ gen gezeigt haben, sich sehr wohl für dieses Metrum eignet. Die vorliegende Uebersetzung hat einen andern Weg eingeschlagen, und das Ergebniß kann nicht anders als sehr befriedigend genannt werden. Herr Schwarzschild hat die italienische Stanze gewählt, und wenn er dies bei der Ilias nicht hätte thun können, ohne der Urdichtung einen falschen Ton und ein unpassendes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/160>, abgerufen am 29.04.2024.