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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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der Rauch seinen Weg durch die Absonderung hindurchnimmt, welche sich in
Kopf, Rohr und Spitze angesetzt hat, und da er hierdurch sein Arom mit
häßlichen Düften mischt. Höchstens eine kurze einfache Cigarrenspitze ist er¬
laubt. Am besten aber bringt man die Cigarre direct an den Mund.

Unrecht ist es, die Cigarre mit den Zähnen zu fassen, abscheulich endlich,
sie zu zerkauen. Je trockner das Mundstück bleibt, desto sauberer und desto
duftiger wird die Cigarre sein. Sparsamkeit ohne Ueberlegung nennen wir
es, wenn jemand eine ausgegangene Cigarre, die stundenlang gelegen hat,
wieder in Angriff nimmt, weil eine solche die Zunge beißt und die Nase
nicht vergnügt.

Wir bemerken noch, daß man wohlthut, nicht unmittelbar vor dem
Schlafengehen und nicht sofort nach dem Aufstehen sowie nicht bis kurz vor
der Zeit, wo man sich zu Tische setzt, zu rauchen. Im ersten Fall sichern
wir uns durch die anempfohlene Enthaltsamkeit ein baldiges Einschlafen;
im zweiten bewahren wir uns vor der Wirkung, die der Tabak selbst auf
manchen alten und wohldisciplinirten Raucher hat, wenn er nüchtern ge¬
nossen wird; im dritten bringen wir guten Appetit, die beste, und keinen
Tabaksgeschmack, die schlechteste Würze, mit zum Mahle.




Lin Hottesgericht in West-MMa.
Von Herman Soyaux.

Allen unentwickelten Völkern ist der Tod nicht die nothwendige Folge
des Lebens, sondern die Wirkung einer geheimen von erzürnten Göttern oder
bösen Zauberern ausgeübten Macht; ihnen kommt der Gedanke nicht, daß
auf natürlichem Wege das warme Blut erstarren, das leuchtende Auge
brechen, und der Körper seine lebenäußernden Funktionen einstellen könne.

Auf jeder Stufe des geistigen Entwickelungsganges fühlt der Mensch
das Bedürfniß, für alle Erscheinungen im Leben und in der Natur, für alle
Borfälle einen Grund und Urheber zu erforschen und kennen zu lernen.
Jeder gebildete Mensch weiß, daß der Tod folgerichtig eintreten muß und in
der Abnutzung der Kräfte, in dem "allgemeinen Verbrennungsprocesse" seinen
letzten Grund finde. Der Ungebildete glaubt an die Zauberkraft eines Menschen
oder die Machtäußerung eines Geistes als die Ursache des Todes. Warum
sollte daher nicht der Wilde zu demselben Glauben und zu dnn Wahne ge-


der Rauch seinen Weg durch die Absonderung hindurchnimmt, welche sich in
Kopf, Rohr und Spitze angesetzt hat, und da er hierdurch sein Arom mit
häßlichen Düften mischt. Höchstens eine kurze einfache Cigarrenspitze ist er¬
laubt. Am besten aber bringt man die Cigarre direct an den Mund.

Unrecht ist es, die Cigarre mit den Zähnen zu fassen, abscheulich endlich,
sie zu zerkauen. Je trockner das Mundstück bleibt, desto sauberer und desto
duftiger wird die Cigarre sein. Sparsamkeit ohne Ueberlegung nennen wir
es, wenn jemand eine ausgegangene Cigarre, die stundenlang gelegen hat,
wieder in Angriff nimmt, weil eine solche die Zunge beißt und die Nase
nicht vergnügt.

Wir bemerken noch, daß man wohlthut, nicht unmittelbar vor dem
Schlafengehen und nicht sofort nach dem Aufstehen sowie nicht bis kurz vor
der Zeit, wo man sich zu Tische setzt, zu rauchen. Im ersten Fall sichern
wir uns durch die anempfohlene Enthaltsamkeit ein baldiges Einschlafen;
im zweiten bewahren wir uns vor der Wirkung, die der Tabak selbst auf
manchen alten und wohldisciplinirten Raucher hat, wenn er nüchtern ge¬
nossen wird; im dritten bringen wir guten Appetit, die beste, und keinen
Tabaksgeschmack, die schlechteste Würze, mit zum Mahle.




Lin Hottesgericht in West-MMa.
Von Herman Soyaux.

Allen unentwickelten Völkern ist der Tod nicht die nothwendige Folge
des Lebens, sondern die Wirkung einer geheimen von erzürnten Göttern oder
bösen Zauberern ausgeübten Macht; ihnen kommt der Gedanke nicht, daß
auf natürlichem Wege das warme Blut erstarren, das leuchtende Auge
brechen, und der Körper seine lebenäußernden Funktionen einstellen könne.

Auf jeder Stufe des geistigen Entwickelungsganges fühlt der Mensch
das Bedürfniß, für alle Erscheinungen im Leben und in der Natur, für alle
Borfälle einen Grund und Urheber zu erforschen und kennen zu lernen.
Jeder gebildete Mensch weiß, daß der Tod folgerichtig eintreten muß und in
der Abnutzung der Kräfte, in dem „allgemeinen Verbrennungsprocesse" seinen
letzten Grund finde. Der Ungebildete glaubt an die Zauberkraft eines Menschen
oder die Machtäußerung eines Geistes als die Ursache des Todes. Warum
sollte daher nicht der Wilde zu demselben Glauben und zu dnn Wahne ge-


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[0416] der Rauch seinen Weg durch die Absonderung hindurchnimmt, welche sich in Kopf, Rohr und Spitze angesetzt hat, und da er hierdurch sein Arom mit häßlichen Düften mischt. Höchstens eine kurze einfache Cigarrenspitze ist er¬ laubt. Am besten aber bringt man die Cigarre direct an den Mund. Unrecht ist es, die Cigarre mit den Zähnen zu fassen, abscheulich endlich, sie zu zerkauen. Je trockner das Mundstück bleibt, desto sauberer und desto duftiger wird die Cigarre sein. Sparsamkeit ohne Ueberlegung nennen wir es, wenn jemand eine ausgegangene Cigarre, die stundenlang gelegen hat, wieder in Angriff nimmt, weil eine solche die Zunge beißt und die Nase nicht vergnügt. Wir bemerken noch, daß man wohlthut, nicht unmittelbar vor dem Schlafengehen und nicht sofort nach dem Aufstehen sowie nicht bis kurz vor der Zeit, wo man sich zu Tische setzt, zu rauchen. Im ersten Fall sichern wir uns durch die anempfohlene Enthaltsamkeit ein baldiges Einschlafen; im zweiten bewahren wir uns vor der Wirkung, die der Tabak selbst auf manchen alten und wohldisciplinirten Raucher hat, wenn er nüchtern ge¬ nossen wird; im dritten bringen wir guten Appetit, die beste, und keinen Tabaksgeschmack, die schlechteste Würze, mit zum Mahle. Lin Hottesgericht in West-MMa. Von Herman Soyaux. Allen unentwickelten Völkern ist der Tod nicht die nothwendige Folge des Lebens, sondern die Wirkung einer geheimen von erzürnten Göttern oder bösen Zauberern ausgeübten Macht; ihnen kommt der Gedanke nicht, daß auf natürlichem Wege das warme Blut erstarren, das leuchtende Auge brechen, und der Körper seine lebenäußernden Funktionen einstellen könne. Auf jeder Stufe des geistigen Entwickelungsganges fühlt der Mensch das Bedürfniß, für alle Erscheinungen im Leben und in der Natur, für alle Borfälle einen Grund und Urheber zu erforschen und kennen zu lernen. Jeder gebildete Mensch weiß, daß der Tod folgerichtig eintreten muß und in der Abnutzung der Kräfte, in dem „allgemeinen Verbrennungsprocesse" seinen letzten Grund finde. Der Ungebildete glaubt an die Zauberkraft eines Menschen oder die Machtäußerung eines Geistes als die Ursache des Todes. Warum sollte daher nicht der Wilde zu demselben Glauben und zu dnn Wahne ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/416>, abgerufen am 29.04.2024.