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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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zeichnet hat, seitdem ist die Gefahr eines europäischen Krieges so gut wie
verschwunden. Allerdings würde die Verbesserung des Looses der orientali¬
schen Christen, durch russische Waffen herbeigeführt, dem russischen Namen im
Orient einen Glanz verleihen, wie er seit dem Krimkrieg verblichen und wie
er in gleicher Stärke den russischen Namen einst umleuchtet hat, als Kaiser
Nicolaus auf der Höhe seiner Macht stand. Schon deshalb ist anzunehmen,
daß England alles aufbieten wird, die Pforte auf der bevorstehenden Con-
ferenz zur Nachgiebigkeit zu bestimmen. Ob nun aber das Loos der orien¬
talischen Christen mittels des Schwertes oder ohne das Schwert verbessert
wird, Deutschland ist es. welches den europäischen Frieden erhalten, welches
durch Unterstützung bei einem gerechten Zweck sich den Dank Rußlands er¬
worben, und andrerseits England wie Oesterreich durch Abwendung einer Ge¬
fährdung ihrer Interessen sich verpflichtet hat.

Diese Situation war es, welche sich in der Rede des Kanzlers am 6.
Dezember zeichnete, und während der Redner kein Wort sprach, daß er sich
der Macht Deutschlands bediene, selbst nur um Rathschlägen Gewicht zu geben,
leuchtet hervor, daß Deutschland in einem Augenblick, der die Welt von der
"statischen Grenze des stillen Oceans bis zur europäischen Grenze des atlan¬
tischen Oceans zu entflammen drohte, das Schiedsrichteramt zur Bewahrung
des Friedens geübt hat, ohne einen einzigen Mann unter die Waffen zu
stellen und ohne ein einziges Wort der Dringlichkeit, geschweige denn der
0 --r. Drohung, auszusprechen.




Literatur.
Die Jesuiten-Gymnasien in Oesterreich. Von I)r. Johann Kelle,
Professor an der Universität Prag. München, 1876.
Verlag von N. Oldenbourg.

Der Verfasser hat im Jahre 1873 eine Schrift unter demselben Titel
^röffentlicht. in welcher er die Wirksamkeit der Gesellschaft Jesu an den
österreichischen Gelehrtenschulen vom Anfang des vorigen Jahrhunderts bis
"uf die Gegenwart darstellte. Da er hierbei eine Reihe den Jesuiten nicht
inen Ruhme gereichender Wahrheiten aussprechen mußte und namentlich dar-
^at, daß die Vorbildung der jesuitischen Gymnasiallehrer im hohen Grade
Mangelhaft gewesen sei. so erschien 1875 unter dem Titel "Beleuchtung"
°>ne Gegenschrift von Rupert Ebner, 3. 5.. die jene Thatsachen leugnete,
^as obenbezeichnete Buch ist die Antwort darauf und zwar eine Antwort,
^ nicht schlagender ausfallen konnte. Professor Kelle hatte in seiner ersten


zeichnet hat, seitdem ist die Gefahr eines europäischen Krieges so gut wie
verschwunden. Allerdings würde die Verbesserung des Looses der orientali¬
schen Christen, durch russische Waffen herbeigeführt, dem russischen Namen im
Orient einen Glanz verleihen, wie er seit dem Krimkrieg verblichen und wie
er in gleicher Stärke den russischen Namen einst umleuchtet hat, als Kaiser
Nicolaus auf der Höhe seiner Macht stand. Schon deshalb ist anzunehmen,
daß England alles aufbieten wird, die Pforte auf der bevorstehenden Con-
ferenz zur Nachgiebigkeit zu bestimmen. Ob nun aber das Loos der orien¬
talischen Christen mittels des Schwertes oder ohne das Schwert verbessert
wird, Deutschland ist es. welches den europäischen Frieden erhalten, welches
durch Unterstützung bei einem gerechten Zweck sich den Dank Rußlands er¬
worben, und andrerseits England wie Oesterreich durch Abwendung einer Ge¬
fährdung ihrer Interessen sich verpflichtet hat.

Diese Situation war es, welche sich in der Rede des Kanzlers am 6.
Dezember zeichnete, und während der Redner kein Wort sprach, daß er sich
der Macht Deutschlands bediene, selbst nur um Rathschlägen Gewicht zu geben,
leuchtet hervor, daß Deutschland in einem Augenblick, der die Welt von der
"statischen Grenze des stillen Oceans bis zur europäischen Grenze des atlan¬
tischen Oceans zu entflammen drohte, das Schiedsrichteramt zur Bewahrung
des Friedens geübt hat, ohne einen einzigen Mann unter die Waffen zu
stellen und ohne ein einziges Wort der Dringlichkeit, geschweige denn der
0 —r. Drohung, auszusprechen.




Literatur.
Die Jesuiten-Gymnasien in Oesterreich. Von I)r. Johann Kelle,
Professor an der Universität Prag. München, 1876.
Verlag von N. Oldenbourg.

Der Verfasser hat im Jahre 1873 eine Schrift unter demselben Titel
^röffentlicht. in welcher er die Wirksamkeit der Gesellschaft Jesu an den
österreichischen Gelehrtenschulen vom Anfang des vorigen Jahrhunderts bis
"uf die Gegenwart darstellte. Da er hierbei eine Reihe den Jesuiten nicht
inen Ruhme gereichender Wahrheiten aussprechen mußte und namentlich dar-
^at, daß die Vorbildung der jesuitischen Gymnasiallehrer im hohen Grade
Mangelhaft gewesen sei. so erschien 1875 unter dem Titel „Beleuchtung"
°>ne Gegenschrift von Rupert Ebner, 3. 5.. die jene Thatsachen leugnete,
^as obenbezeichnete Buch ist die Antwort darauf und zwar eine Antwort,
^ nicht schlagender ausfallen konnte. Professor Kelle hatte in seiner ersten


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[0479] zeichnet hat, seitdem ist die Gefahr eines europäischen Krieges so gut wie verschwunden. Allerdings würde die Verbesserung des Looses der orientali¬ schen Christen, durch russische Waffen herbeigeführt, dem russischen Namen im Orient einen Glanz verleihen, wie er seit dem Krimkrieg verblichen und wie er in gleicher Stärke den russischen Namen einst umleuchtet hat, als Kaiser Nicolaus auf der Höhe seiner Macht stand. Schon deshalb ist anzunehmen, daß England alles aufbieten wird, die Pforte auf der bevorstehenden Con- ferenz zur Nachgiebigkeit zu bestimmen. Ob nun aber das Loos der orien¬ talischen Christen mittels des Schwertes oder ohne das Schwert verbessert wird, Deutschland ist es. welches den europäischen Frieden erhalten, welches durch Unterstützung bei einem gerechten Zweck sich den Dank Rußlands er¬ worben, und andrerseits England wie Oesterreich durch Abwendung einer Ge¬ fährdung ihrer Interessen sich verpflichtet hat. Diese Situation war es, welche sich in der Rede des Kanzlers am 6. Dezember zeichnete, und während der Redner kein Wort sprach, daß er sich der Macht Deutschlands bediene, selbst nur um Rathschlägen Gewicht zu geben, leuchtet hervor, daß Deutschland in einem Augenblick, der die Welt von der "statischen Grenze des stillen Oceans bis zur europäischen Grenze des atlan¬ tischen Oceans zu entflammen drohte, das Schiedsrichteramt zur Bewahrung des Friedens geübt hat, ohne einen einzigen Mann unter die Waffen zu stellen und ohne ein einziges Wort der Dringlichkeit, geschweige denn der 0 —r. Drohung, auszusprechen. Literatur. Die Jesuiten-Gymnasien in Oesterreich. Von I)r. Johann Kelle, Professor an der Universität Prag. München, 1876. Verlag von N. Oldenbourg. Der Verfasser hat im Jahre 1873 eine Schrift unter demselben Titel ^röffentlicht. in welcher er die Wirksamkeit der Gesellschaft Jesu an den österreichischen Gelehrtenschulen vom Anfang des vorigen Jahrhunderts bis "uf die Gegenwart darstellte. Da er hierbei eine Reihe den Jesuiten nicht inen Ruhme gereichender Wahrheiten aussprechen mußte und namentlich dar- ^at, daß die Vorbildung der jesuitischen Gymnasiallehrer im hohen Grade Mangelhaft gewesen sei. so erschien 1875 unter dem Titel „Beleuchtung" °>ne Gegenschrift von Rupert Ebner, 3. 5.. die jene Thatsachen leugnete, ^as obenbezeichnete Buch ist die Antwort darauf und zwar eine Antwort, ^ nicht schlagender ausfallen konnte. Professor Kelle hatte in seiner ersten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/479>, abgerufen am 29.04.2024.