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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Sendung des Lucifer", das allerdings in einzelnen Stellen an Goethe's
Prolog "Im Himmel" erinnert, aber doch durch die Aufnahme moderner
Bildungselemente eine selbständige Haltung bekundet.

Neben dem Dichter steht der Denker und Weltweise. Der Abschnitt "Bunte
Blätter und Sprüche" enthält eine Perlenschnur jener reizenden Sprüche, die
Bodenstedt in unnachahmlicher Prägnanz zu ersinnen weiß. Das tiefste
philosophische Problem wie der trivialste Anlaß bieten die Gelegenheit, um
den Verfasser als originellen Beobachter zu zeigen. Hier werden die Mode¬
philosophen mit ihrer Sucht, die Welt erbärmlich zu finden, dort die modernen
Alexandriner, welche nicht müde werden, die Kleiderrechnungen und Wäsche¬
zettel unserer Klassiker herauszugeben, nach Verdienst abgefertigt. Die in
diesen Sprüchen gepredigte Lebensweisheit erscheint zunächst mosaikartig zer¬
splittert, bildet jedoch insofern wieder eine Einheit, als überall auf das
schon von Goethe und Schiller gepriesene Ideal der Humanität verwiesen
wird, welches für alle Zeit unserem Volke auf seiner Nuhmesbahn als leuch¬
tendes Panier voranwehen möge. Unter dem Titel "Erinnerungsblätter"
hat Bodenstedt eine Anzahl verschiedener Gedichte zusammengestellt, die
theils aus bestimmten Veranlassungen entstanden sind und demnach den Cha-
racter der Gelegenheitspoesie tragen, theils in rührenden und erinnerungs¬
vollen Elegieen das Andenken einzelner Personen feiern. Namentlich ist das
auf den unglücklichen italienischen Poeten Giacomo Leopardi verfaßte Gedicht
eine Perle.

Als Anhang ist in die Sammlung eine größere dramatische Dichtung,
"Hiarne", Gesangspiel aus der Nordlandssage in drei Akten und einem Vor¬
spiel, aufgenommen worden. Die Dichtung soll, im offenbaren Hinblick auf
Richard Wagners Theorie vom Musikdrama, dem Komponisten eine würdige
Textunterlage bieten, dürste jedoch ohne die musikalische Behandlung von
selbständigem und vielleicht höherem poetischem Werthe sein. Wenigstens gewährt
das Schicksal des Statten Hiarne, der zum Herrscher von Lethra gewählt
wird, durch List ein edles Weib gewinnt, aber im Kampf mit dem todtge¬
glaubten Königssohne Friedleu fällt, ein allseitiges und menschlich rührendes
Interesse.^^




^tJan"ar^I87?beginnt diese Zeitschriftdas I. Quartal ihres
36 Jahrgangs, welches durch alle Vuchhaudlungen und Pott-
anftalten des In- "ut Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 9 Mark. .
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellsch after,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten. ^ ^ ^
^ Leipzig , im December 1876. Die BerlagshandUMg'




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Hrrvig in Leipzig. -- Druck von Hiithel Herrmann in Leipzig-

Sendung des Lucifer", das allerdings in einzelnen Stellen an Goethe's
Prolog „Im Himmel" erinnert, aber doch durch die Aufnahme moderner
Bildungselemente eine selbständige Haltung bekundet.

Neben dem Dichter steht der Denker und Weltweise. Der Abschnitt „Bunte
Blätter und Sprüche" enthält eine Perlenschnur jener reizenden Sprüche, die
Bodenstedt in unnachahmlicher Prägnanz zu ersinnen weiß. Das tiefste
philosophische Problem wie der trivialste Anlaß bieten die Gelegenheit, um
den Verfasser als originellen Beobachter zu zeigen. Hier werden die Mode¬
philosophen mit ihrer Sucht, die Welt erbärmlich zu finden, dort die modernen
Alexandriner, welche nicht müde werden, die Kleiderrechnungen und Wäsche¬
zettel unserer Klassiker herauszugeben, nach Verdienst abgefertigt. Die in
diesen Sprüchen gepredigte Lebensweisheit erscheint zunächst mosaikartig zer¬
splittert, bildet jedoch insofern wieder eine Einheit, als überall auf das
schon von Goethe und Schiller gepriesene Ideal der Humanität verwiesen
wird, welches für alle Zeit unserem Volke auf seiner Nuhmesbahn als leuch¬
tendes Panier voranwehen möge. Unter dem Titel „Erinnerungsblätter"
hat Bodenstedt eine Anzahl verschiedener Gedichte zusammengestellt, die
theils aus bestimmten Veranlassungen entstanden sind und demnach den Cha-
racter der Gelegenheitspoesie tragen, theils in rührenden und erinnerungs¬
vollen Elegieen das Andenken einzelner Personen feiern. Namentlich ist das
auf den unglücklichen italienischen Poeten Giacomo Leopardi verfaßte Gedicht
eine Perle.

Als Anhang ist in die Sammlung eine größere dramatische Dichtung,
„Hiarne", Gesangspiel aus der Nordlandssage in drei Akten und einem Vor¬
spiel, aufgenommen worden. Die Dichtung soll, im offenbaren Hinblick auf
Richard Wagners Theorie vom Musikdrama, dem Komponisten eine würdige
Textunterlage bieten, dürste jedoch ohne die musikalische Behandlung von
selbständigem und vielleicht höherem poetischem Werthe sein. Wenigstens gewährt
das Schicksal des Statten Hiarne, der zum Herrscher von Lethra gewählt
wird, durch List ein edles Weib gewinnt, aber im Kampf mit dem todtge¬
glaubten Königssohne Friedleu fällt, ein allseitiges und menschlich rührendes
Interesse.^^




^tJan«ar^I87?beginnt diese Zeitschriftdas I. Quartal ihres
36 Jahrgangs, welches durch alle Vuchhaudlungen und Pott-
anftalten des In- «ut Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 9 Mark. .
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellsch after,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten. ^ ^ ^
^ Leipzig , im December 1876. Die BerlagshandUMg'




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Hrrvig in Leipzig. — Druck von Hiithel Herrmann in Leipzig-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/484>, abgerufen am 29.04.2024.