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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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die Blätter welk und die Früchte taub geworden. Indeß kann es sein, daß
wir uns ihn, um im Gleichniß zu bleiben, nicht genau genug besehen haben,
und daß unsre Meinung nur von einem Theile der Aeste und Zweige gilt.
Jedenfalls enthält die vorliegende Sammlung von Gebeten, Ansprachen, Be¬
trachtungen, Trinksprüchen und Liedern eine Auzahl wirklich recht frischer
Blätter, Dichtungen voll Wärme und Schwung, die, wenn sie auch nicht ge¬
rade tief sind, doch an Form wie an Inhalt ganz erheblich über den gereimten
Phrasen stehen, denen wir nach dem, was die masonischen Dichter sonst in der
Regel vorbringen, zu begegnen fürchteten. Besonders erfreut hat uns der
warme patriotische Ton, der durch einen großen Theil der Sprüche und Lieder
geht, und der ein beredtes Zeugniß ablegt, daß anch in den Logen Kaiser und
Reich hoch gehalten werden. Verse freilich wie: "Haben's ja All' erlebt,
Kronen find nicht geklebt am Fürstenhanpt", und (es ist vom Kaiser Wilhelm
die Rede, und "Feuer" wird in der Sprache der königlichen Kunst das Trinken
bei einem Toast genannt): "Der aller Klerisei hinfort das größte Unge¬
heuer -- ihm gilt das stärkste Feuer" sind besser gemeint als geformt.


Der Kulturkampf in der Bronze. Eine Pfahldorf-Geschichte für heitere
Naturforscher und verwandte Gemüther. Von M. Reymond. Bern, Verlag
von G. Frobeen u. Comp., 1877.

Ein mit hübschen Silhonettenbildchen illustrirter Schwank in dramatischer
Form, der auf die Theilnehmer an dein Bankett der naturforschenden Gesell¬
schaft in Bern, bei dem er nach dem Vorwort znerst aufgeführt worden ist, ohne
Zweifel sehr erheiternd gewirkt hat, der sich aber für ein größeres Publikum
nicht recht eignet, da dieses mit den Verhältnissen und Persönlichkeiten, welche
der Dichter im Auge hat, selbstverständlich unbekannt ist. Allerdings folgen
zum Schlüsse erklärende Anmerkungen, aber sie werden nicht viel helfen. Steht
es schon mit ernsten Dichtungen, die durch einen Commentar verständlich ge¬
macht werden müssen, mißlich, so ist dies bei humoristischen noch schlimmer.
Ein Witz, welcher der Erklärung bedarf, in den man sich erst hineinarbeiten
muß, den wir, ohne das Lexikon hinten aufzuschlagen, nicht verstehen, ist ziem¬
lich ungenießbar. Das Wort sagt schon, daß er sofort, plötzlich, im Nu, daß
er wie der Blitz wirke" muß, wenn er sein soll, was er sein will. Dieses
Urtheil schließt nicht ans, daß einige ohne Glossar verständliche Stellen recht
drollige Einfälle und Wendungen enthalten, und daß der Verfasser dieses
Scherzes, wenn er sich einmal an ein anderes Thema machen wollte, mit dem
ihm eignen Humor weitere Kreise fesseln und vergnügen könnte.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hrrbig in Leipzig. -- Druck von Hüthcl Hrrrniann in Leipzig.

die Blätter welk und die Früchte taub geworden. Indeß kann es sein, daß
wir uns ihn, um im Gleichniß zu bleiben, nicht genau genug besehen haben,
und daß unsre Meinung nur von einem Theile der Aeste und Zweige gilt.
Jedenfalls enthält die vorliegende Sammlung von Gebeten, Ansprachen, Be¬
trachtungen, Trinksprüchen und Liedern eine Auzahl wirklich recht frischer
Blätter, Dichtungen voll Wärme und Schwung, die, wenn sie auch nicht ge¬
rade tief sind, doch an Form wie an Inhalt ganz erheblich über den gereimten
Phrasen stehen, denen wir nach dem, was die masonischen Dichter sonst in der
Regel vorbringen, zu begegnen fürchteten. Besonders erfreut hat uns der
warme patriotische Ton, der durch einen großen Theil der Sprüche und Lieder
geht, und der ein beredtes Zeugniß ablegt, daß anch in den Logen Kaiser und
Reich hoch gehalten werden. Verse freilich wie: „Haben's ja All' erlebt,
Kronen find nicht geklebt am Fürstenhanpt", und (es ist vom Kaiser Wilhelm
die Rede, und „Feuer" wird in der Sprache der königlichen Kunst das Trinken
bei einem Toast genannt): „Der aller Klerisei hinfort das größte Unge¬
heuer — ihm gilt das stärkste Feuer" sind besser gemeint als geformt.


Der Kulturkampf in der Bronze. Eine Pfahldorf-Geschichte für heitere
Naturforscher und verwandte Gemüther. Von M. Reymond. Bern, Verlag
von G. Frobeen u. Comp., 1877.

Ein mit hübschen Silhonettenbildchen illustrirter Schwank in dramatischer
Form, der auf die Theilnehmer an dein Bankett der naturforschenden Gesell¬
schaft in Bern, bei dem er nach dem Vorwort znerst aufgeführt worden ist, ohne
Zweifel sehr erheiternd gewirkt hat, der sich aber für ein größeres Publikum
nicht recht eignet, da dieses mit den Verhältnissen und Persönlichkeiten, welche
der Dichter im Auge hat, selbstverständlich unbekannt ist. Allerdings folgen
zum Schlüsse erklärende Anmerkungen, aber sie werden nicht viel helfen. Steht
es schon mit ernsten Dichtungen, die durch einen Commentar verständlich ge¬
macht werden müssen, mißlich, so ist dies bei humoristischen noch schlimmer.
Ein Witz, welcher der Erklärung bedarf, in den man sich erst hineinarbeiten
muß, den wir, ohne das Lexikon hinten aufzuschlagen, nicht verstehen, ist ziem¬
lich ungenießbar. Das Wort sagt schon, daß er sofort, plötzlich, im Nu, daß
er wie der Blitz wirke» muß, wenn er sein soll, was er sein will. Dieses
Urtheil schließt nicht ans, daß einige ohne Glossar verständliche Stellen recht
drollige Einfälle und Wendungen enthalten, und daß der Verfasser dieses
Scherzes, wenn er sich einmal an ein anderes Thema machen wollte, mit dem
ihm eignen Humor weitere Kreise fesseln und vergnügen könnte.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hrrbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl Hrrrniann in Leipzig.
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[0288] die Blätter welk und die Früchte taub geworden. Indeß kann es sein, daß wir uns ihn, um im Gleichniß zu bleiben, nicht genau genug besehen haben, und daß unsre Meinung nur von einem Theile der Aeste und Zweige gilt. Jedenfalls enthält die vorliegende Sammlung von Gebeten, Ansprachen, Be¬ trachtungen, Trinksprüchen und Liedern eine Auzahl wirklich recht frischer Blätter, Dichtungen voll Wärme und Schwung, die, wenn sie auch nicht ge¬ rade tief sind, doch an Form wie an Inhalt ganz erheblich über den gereimten Phrasen stehen, denen wir nach dem, was die masonischen Dichter sonst in der Regel vorbringen, zu begegnen fürchteten. Besonders erfreut hat uns der warme patriotische Ton, der durch einen großen Theil der Sprüche und Lieder geht, und der ein beredtes Zeugniß ablegt, daß anch in den Logen Kaiser und Reich hoch gehalten werden. Verse freilich wie: „Haben's ja All' erlebt, Kronen find nicht geklebt am Fürstenhanpt", und (es ist vom Kaiser Wilhelm die Rede, und „Feuer" wird in der Sprache der königlichen Kunst das Trinken bei einem Toast genannt): „Der aller Klerisei hinfort das größte Unge¬ heuer — ihm gilt das stärkste Feuer" sind besser gemeint als geformt. Der Kulturkampf in der Bronze. Eine Pfahldorf-Geschichte für heitere Naturforscher und verwandte Gemüther. Von M. Reymond. Bern, Verlag von G. Frobeen u. Comp., 1877. Ein mit hübschen Silhonettenbildchen illustrirter Schwank in dramatischer Form, der auf die Theilnehmer an dein Bankett der naturforschenden Gesell¬ schaft in Bern, bei dem er nach dem Vorwort znerst aufgeführt worden ist, ohne Zweifel sehr erheiternd gewirkt hat, der sich aber für ein größeres Publikum nicht recht eignet, da dieses mit den Verhältnissen und Persönlichkeiten, welche der Dichter im Auge hat, selbstverständlich unbekannt ist. Allerdings folgen zum Schlüsse erklärende Anmerkungen, aber sie werden nicht viel helfen. Steht es schon mit ernsten Dichtungen, die durch einen Commentar verständlich ge¬ macht werden müssen, mißlich, so ist dies bei humoristischen noch schlimmer. Ein Witz, welcher der Erklärung bedarf, in den man sich erst hineinarbeiten muß, den wir, ohne das Lexikon hinten aufzuschlagen, nicht verstehen, ist ziem¬ lich ungenießbar. Das Wort sagt schon, daß er sofort, plötzlich, im Nu, daß er wie der Blitz wirke» muß, wenn er sein soll, was er sein will. Dieses Urtheil schließt nicht ans, daß einige ohne Glossar verständliche Stellen recht drollige Einfälle und Wendungen enthalten, und daß der Verfasser dieses Scherzes, wenn er sich einmal an ein anderes Thema machen wollte, mit dem ihm eignen Humor weitere Kreise fesseln und vergnügen könnte. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Hrrbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl Hrrrniann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/288>, abgerufen am 04.05.2024.