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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Gute Arbeit hat das Herrenhaus in dem Gesetzentwurf über die Befähig¬
ung zum höheren Verwaltungsdienst gemacht. Die einzige wesentliche Contro-
verse, welche zwischen der Regierung und dem Abgeordnetenhause über diese
(im vorigen Jahre gescheiterte) Vorlage noch vorhanden ist, besteht darin, ob
die Regierung bei der Auswahl der Landräthe aus gewissen Kategorien an die
Vorschläge der Kreistage gebunden sein soll oder nicht. Das Herrenhaus hat jetzt
ein Amendement Hasselbach angenommen, welches diese Frage bejaht. Leider
steht aber zu befürchten, daß dieser Beschluß bei der zweiten Berathung wieder
' x- ?- umgestoßen wird.




Literatur.
G o no er n a n t e ni i e o er. Herausgegeben zum Besten der deutschen Pensionskasse
und des Feicrabendhauscs für alte Lehrerinnen von M. Wer nicke.
Berlin, Commissionsverlag von Wedekind und Schwieger, 1876.

Die Verfasserin scheint selbst als Gouvernante thätig gewesen zu sein und
dabei schlimme Erfahrungen gemacht zu haben. Ihre Feder ist in Galle ge¬
taucht, ihre meist ganz hübschen Verse fließen über von Verbitterung, Ver¬
drießlichkeit und Klagen, die bisweilen durch ihre Naivetät komisch wirken.
Sonst bekundet sie ein recht artiges Talent, namentlich in der Schilderung
von Naturvorgängen, Landschaften u. dergl. Von dem, was sie in Welt- und
Menschenverachtung leistet, im Folgenden zwei Proben. Ein Gedicht "Wander¬
leben", S. 51, beginnt:


"Herzen kalt wie Hundenasen,
Ein verschrobener Verstand,
Hirne ganz gemacht zum Nasen,
Das war Alles, was ich fand.
Ueberall in jedem Land."

Weiterhin reimt sich darauf, daß das Herz ein "überflüssig Möbel" ist,
die Behauptung: "In der Welt ist Alles Pöbel", und später folgt als Schluß
einer "Reisebetrachtnng" die Moral:


"Viel Herrliches ist in Italien,
Viel Schönes im Deutschen Reich --
Die Menschen sind darum nicht besser.
Die Sorgen sind überall gleich.

Gute Arbeit hat das Herrenhaus in dem Gesetzentwurf über die Befähig¬
ung zum höheren Verwaltungsdienst gemacht. Die einzige wesentliche Contro-
verse, welche zwischen der Regierung und dem Abgeordnetenhause über diese
(im vorigen Jahre gescheiterte) Vorlage noch vorhanden ist, besteht darin, ob
die Regierung bei der Auswahl der Landräthe aus gewissen Kategorien an die
Vorschläge der Kreistage gebunden sein soll oder nicht. Das Herrenhaus hat jetzt
ein Amendement Hasselbach angenommen, welches diese Frage bejaht. Leider
steht aber zu befürchten, daß dieser Beschluß bei der zweiten Berathung wieder
' x- ?- umgestoßen wird.




Literatur.
G o no er n a n t e ni i e o er. Herausgegeben zum Besten der deutschen Pensionskasse
und des Feicrabendhauscs für alte Lehrerinnen von M. Wer nicke.
Berlin, Commissionsverlag von Wedekind und Schwieger, 1876.

Die Verfasserin scheint selbst als Gouvernante thätig gewesen zu sein und
dabei schlimme Erfahrungen gemacht zu haben. Ihre Feder ist in Galle ge¬
taucht, ihre meist ganz hübschen Verse fließen über von Verbitterung, Ver¬
drießlichkeit und Klagen, die bisweilen durch ihre Naivetät komisch wirken.
Sonst bekundet sie ein recht artiges Talent, namentlich in der Schilderung
von Naturvorgängen, Landschaften u. dergl. Von dem, was sie in Welt- und
Menschenverachtung leistet, im Folgenden zwei Proben. Ein Gedicht „Wander¬
leben", S. 51, beginnt:


„Herzen kalt wie Hundenasen,
Ein verschrobener Verstand,
Hirne ganz gemacht zum Nasen,
Das war Alles, was ich fand.
Ueberall in jedem Land."

Weiterhin reimt sich darauf, daß das Herz ein „überflüssig Möbel" ist,
die Behauptung: „In der Welt ist Alles Pöbel", und später folgt als Schluß
einer „Reisebetrachtnng" die Moral:


„Viel Herrliches ist in Italien,
Viel Schönes im Deutschen Reich —
Die Menschen sind darum nicht besser.
Die Sorgen sind überall gleich.

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[0326] Gute Arbeit hat das Herrenhaus in dem Gesetzentwurf über die Befähig¬ ung zum höheren Verwaltungsdienst gemacht. Die einzige wesentliche Contro- verse, welche zwischen der Regierung und dem Abgeordnetenhause über diese (im vorigen Jahre gescheiterte) Vorlage noch vorhanden ist, besteht darin, ob die Regierung bei der Auswahl der Landräthe aus gewissen Kategorien an die Vorschläge der Kreistage gebunden sein soll oder nicht. Das Herrenhaus hat jetzt ein Amendement Hasselbach angenommen, welches diese Frage bejaht. Leider steht aber zu befürchten, daß dieser Beschluß bei der zweiten Berathung wieder ' x- ?- umgestoßen wird. Literatur. G o no er n a n t e ni i e o er. Herausgegeben zum Besten der deutschen Pensionskasse und des Feicrabendhauscs für alte Lehrerinnen von M. Wer nicke. Berlin, Commissionsverlag von Wedekind und Schwieger, 1876. Die Verfasserin scheint selbst als Gouvernante thätig gewesen zu sein und dabei schlimme Erfahrungen gemacht zu haben. Ihre Feder ist in Galle ge¬ taucht, ihre meist ganz hübschen Verse fließen über von Verbitterung, Ver¬ drießlichkeit und Klagen, die bisweilen durch ihre Naivetät komisch wirken. Sonst bekundet sie ein recht artiges Talent, namentlich in der Schilderung von Naturvorgängen, Landschaften u. dergl. Von dem, was sie in Welt- und Menschenverachtung leistet, im Folgenden zwei Proben. Ein Gedicht „Wander¬ leben", S. 51, beginnt: „Herzen kalt wie Hundenasen, Ein verschrobener Verstand, Hirne ganz gemacht zum Nasen, Das war Alles, was ich fand. Ueberall in jedem Land." Weiterhin reimt sich darauf, daß das Herz ein „überflüssig Möbel" ist, die Behauptung: „In der Welt ist Alles Pöbel", und später folgt als Schluß einer „Reisebetrachtnng" die Moral: „Viel Herrliches ist in Italien, Viel Schönes im Deutschen Reich — Die Menschen sind darum nicht besser. Die Sorgen sind überall gleich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/326>, abgerufen am 04.05.2024.