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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Lessings Jause.*)

Wir hatten den Aufsatz "Doktor Faust und Fausts Höllenzwang" bereits
in die Druckerei gesandt, als uns das oben bezeichnete interessante Buch
in die Hände kam, über das wir uns nun Bericht zu erstatten beeilen, indem
wir zunächst einen ausführlichen Auszug aus der Einleitung des verdienten
Herausgebers, dann eine Analyse des Stückes selbst mittheilen.

Gotthvld Ephraim Lessing -- kein Geringerer nämlich als dieser ist es,
von dem die Rede ist -- hatte auch die Faustsage dramatisch bearbeitet und
Zwar nach zwei verschiedenen Plänen, von denen der eine sich an die von uns
in voriger Nummer abgekürzt erzählte Lebensgeschichte halten, der andere, von
aller Teufelei absehend, sich mehr dem bürgerlichen Trauerspiel nähern sollte.
Die Anregung hierzu scheint der Dichter durch die Vorstellungen der Schuchschen
Schauspielergesellschaft erhalten zu haben, welche 1753 zu Berlin das alte
Volksdrama "Doktor Johann Faust" aufführte, und mit der Lessing Ver¬
bindungen unterhielt. Daß derselbe sich bereits zu Anfang des Jahres 1755
mit diesem Plane trug, geht aus einem Briefe Moses Mendelssohns an ihn her¬
vor. Drei Jahre später erwähnt Lessing seinen "Doktor Faust" in einem
Briefe an Gleim, nach welchem das Stück bereits fertig und der Aufführung
in Berlin nahe gewesen zu sein scheint. 1759 brachte der siebzehnte Literatur¬
brief eine Faustscene, die als Probe aus Lessings Drama angesehen wurde,
aber dem erwähnten alten Volksschauspiele entnommen und nachgebildet ist,
und durch die wohl nur die Aufmerksamkeit des Publikums auf jenes hinge¬
lenkt werden und ein Beispiel für die Behauptung geliefert werden sollte,
daß gewisse deutsche Volksdrnmeu Stellen aufzuweisen hätten, die "nur ein
Shakespearesches Genie zu denken vermögend gewesen."



Johann Faust. Ein allegorisches Drama in fünf Aufzügen. Muthmaßlich nach
G- E. Lessings Verlornen Manuskript. -- Herausgegeben von Karl Engel. Oldenburg,
Schulzesche Hofbnchyandlung, 1877.
Grenzboten 1, 1877. > 56
Lessings Jause.*)

Wir hatten den Aufsatz „Doktor Faust und Fausts Höllenzwang" bereits
in die Druckerei gesandt, als uns das oben bezeichnete interessante Buch
in die Hände kam, über das wir uns nun Bericht zu erstatten beeilen, indem
wir zunächst einen ausführlichen Auszug aus der Einleitung des verdienten
Herausgebers, dann eine Analyse des Stückes selbst mittheilen.

Gotthvld Ephraim Lessing — kein Geringerer nämlich als dieser ist es,
von dem die Rede ist — hatte auch die Faustsage dramatisch bearbeitet und
Zwar nach zwei verschiedenen Plänen, von denen der eine sich an die von uns
in voriger Nummer abgekürzt erzählte Lebensgeschichte halten, der andere, von
aller Teufelei absehend, sich mehr dem bürgerlichen Trauerspiel nähern sollte.
Die Anregung hierzu scheint der Dichter durch die Vorstellungen der Schuchschen
Schauspielergesellschaft erhalten zu haben, welche 1753 zu Berlin das alte
Volksdrama „Doktor Johann Faust" aufführte, und mit der Lessing Ver¬
bindungen unterhielt. Daß derselbe sich bereits zu Anfang des Jahres 1755
mit diesem Plane trug, geht aus einem Briefe Moses Mendelssohns an ihn her¬
vor. Drei Jahre später erwähnt Lessing seinen „Doktor Faust" in einem
Briefe an Gleim, nach welchem das Stück bereits fertig und der Aufführung
in Berlin nahe gewesen zu sein scheint. 1759 brachte der siebzehnte Literatur¬
brief eine Faustscene, die als Probe aus Lessings Drama angesehen wurde,
aber dem erwähnten alten Volksschauspiele entnommen und nachgebildet ist,
und durch die wohl nur die Aufmerksamkeit des Publikums auf jenes hinge¬
lenkt werden und ein Beispiel für die Behauptung geliefert werden sollte,
daß gewisse deutsche Volksdrnmeu Stellen aufzuweisen hätten, die „nur ein
Shakespearesches Genie zu denken vermögend gewesen."



Johann Faust. Ein allegorisches Drama in fünf Aufzügen. Muthmaßlich nach
G- E. Lessings Verlornen Manuskript. — Herausgegeben von Karl Engel. Oldenburg,
Schulzesche Hofbnchyandlung, 1877.
Grenzboten 1, 1877. > 56
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[0449] Lessings Jause.*) Wir hatten den Aufsatz „Doktor Faust und Fausts Höllenzwang" bereits in die Druckerei gesandt, als uns das oben bezeichnete interessante Buch in die Hände kam, über das wir uns nun Bericht zu erstatten beeilen, indem wir zunächst einen ausführlichen Auszug aus der Einleitung des verdienten Herausgebers, dann eine Analyse des Stückes selbst mittheilen. Gotthvld Ephraim Lessing — kein Geringerer nämlich als dieser ist es, von dem die Rede ist — hatte auch die Faustsage dramatisch bearbeitet und Zwar nach zwei verschiedenen Plänen, von denen der eine sich an die von uns in voriger Nummer abgekürzt erzählte Lebensgeschichte halten, der andere, von aller Teufelei absehend, sich mehr dem bürgerlichen Trauerspiel nähern sollte. Die Anregung hierzu scheint der Dichter durch die Vorstellungen der Schuchschen Schauspielergesellschaft erhalten zu haben, welche 1753 zu Berlin das alte Volksdrama „Doktor Johann Faust" aufführte, und mit der Lessing Ver¬ bindungen unterhielt. Daß derselbe sich bereits zu Anfang des Jahres 1755 mit diesem Plane trug, geht aus einem Briefe Moses Mendelssohns an ihn her¬ vor. Drei Jahre später erwähnt Lessing seinen „Doktor Faust" in einem Briefe an Gleim, nach welchem das Stück bereits fertig und der Aufführung in Berlin nahe gewesen zu sein scheint. 1759 brachte der siebzehnte Literatur¬ brief eine Faustscene, die als Probe aus Lessings Drama angesehen wurde, aber dem erwähnten alten Volksschauspiele entnommen und nachgebildet ist, und durch die wohl nur die Aufmerksamkeit des Publikums auf jenes hinge¬ lenkt werden und ein Beispiel für die Behauptung geliefert werden sollte, daß gewisse deutsche Volksdrnmeu Stellen aufzuweisen hätten, die „nur ein Shakespearesches Genie zu denken vermögend gewesen." Johann Faust. Ein allegorisches Drama in fünf Aufzügen. Muthmaßlich nach G- E. Lessings Verlornen Manuskript. — Herausgegeben von Karl Engel. Oldenburg, Schulzesche Hofbnchyandlung, 1877. Grenzboten 1, 1877. > 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/449>, abgerufen am 04.05.2024.