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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Jer Prozeß gegen Halilei.^)

Wenn wir uns hier mit diesem Gegenstande beschäftigen, der in Deutsch¬
land oftmals besprochen worden ist, so geschieht dies nur in der Absicht, eine
so lange bestehende Streitfrage zum ersten Male nach unanfechtbare" Quellen
gelöst zu sehen. Zudem wird uus durch die Kunst der Darstellung des itali¬
enischen Erzählers Domenico Berti die Gestalt Galileis menschlich nahe gerückt.**)

Interessant und meines Wissens in Deutschland wenig bekannt ist der
Lebenslauf der Akten des Prozesses. Nachdem sie seit dem Jahre 1633 in
dem römischen Archiv geschlummert, wurden die Akten unter dem ersten Kaiser¬
reich nach Paris mit anderen zusammen übergeführt. Napoleon, dessen Blick
oftmals auch das scheinbar Geringfügigste beachtete, befahl die Publikation der
Prozeßakten, und zwar so, daß sie zweisprachig erfolgte, dem Urtexte wurde
die französische Uebersetzung gegenübergestellt. Zu jener Zeit stand der Kaiser
mit der Kurie uoch auf etwas gespanntem Fuße. Die Uebersetzung wurde
auch begonnen, ihre Veröffentlichung aber stockte sehr bald. Die Gründe ent¬
zogen sich der Öffentlichkeit. Man greift aber wohl nicht fehl, wenn man die
Urheber dieser Verzögerung der Sache im Hausstande der Frau Lcititia Bona-




II xrooess!) orixin^is ni 6-cliIen lZ.^NIsi, Mlilioato xer Is, xrima volo <Ja voinvnieo
"frei. "um". 187". So lautet der Titel des Werkes, welches der italienische Gelehrte
ucich den Akten aus dem Vatikan verfasst hat, von denen Pater Thciner, unser hochgeachteter
Landsmann, demselben Einsicht zu nehmen gestattete, nach ausdrücklich ertheilter amtlicher
Autorisation des päpstlichen Kabinets. Die römische Kurie muß der Ansicht gewesen sein,
daß die Zeit es nicht mehr erforderte, den Schleier über Vorgänge zu verbreiten, die in
ihren Hauptzügen längst bekannt geworden. Die Sage hatte aber um diese Vorgänge einen
Schleier gewoben, welcher die Sache für den Ruf der Kurie keineswegs günstig erscheinen
ließ, und so mochte es denn zweckmäßig erscheinen, die reine Wahrheit ans Tageslicht treten
zu lassen, von der man ohnehin so ziemlich den Kern wußte.
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) Da mir das italienische Original nicht zugänglich, so liegt der Darstellung eine fran¬
zösische Bearbeitung zu Grnnde: I-," Vroe^s "Z" Knliwi, ^. IlSMros, <to l'^eaclmme kr"in,n!"c!.
Nvvne tlo" üvnx monüss. Vom" XVII.
Grenzboten I. 1377. (ZI
Jer Prozeß gegen Halilei.^)

Wenn wir uns hier mit diesem Gegenstande beschäftigen, der in Deutsch¬
land oftmals besprochen worden ist, so geschieht dies nur in der Absicht, eine
so lange bestehende Streitfrage zum ersten Male nach unanfechtbare« Quellen
gelöst zu sehen. Zudem wird uus durch die Kunst der Darstellung des itali¬
enischen Erzählers Domenico Berti die Gestalt Galileis menschlich nahe gerückt.**)

Interessant und meines Wissens in Deutschland wenig bekannt ist der
Lebenslauf der Akten des Prozesses. Nachdem sie seit dem Jahre 1633 in
dem römischen Archiv geschlummert, wurden die Akten unter dem ersten Kaiser¬
reich nach Paris mit anderen zusammen übergeführt. Napoleon, dessen Blick
oftmals auch das scheinbar Geringfügigste beachtete, befahl die Publikation der
Prozeßakten, und zwar so, daß sie zweisprachig erfolgte, dem Urtexte wurde
die französische Uebersetzung gegenübergestellt. Zu jener Zeit stand der Kaiser
mit der Kurie uoch auf etwas gespanntem Fuße. Die Uebersetzung wurde
auch begonnen, ihre Veröffentlichung aber stockte sehr bald. Die Gründe ent¬
zogen sich der Öffentlichkeit. Man greift aber wohl nicht fehl, wenn man die
Urheber dieser Verzögerung der Sache im Hausstande der Frau Lcititia Bona-




II xrooess!) orixin^is ni 6-cliIen lZ.^NIsi, Mlilioato xer Is, xrima volo <Ja voinvnieo
»frei. »um». 187«. So lautet der Titel des Werkes, welches der italienische Gelehrte
ucich den Akten aus dem Vatikan verfasst hat, von denen Pater Thciner, unser hochgeachteter
Landsmann, demselben Einsicht zu nehmen gestattete, nach ausdrücklich ertheilter amtlicher
Autorisation des päpstlichen Kabinets. Die römische Kurie muß der Ansicht gewesen sein,
daß die Zeit es nicht mehr erforderte, den Schleier über Vorgänge zu verbreiten, die in
ihren Hauptzügen längst bekannt geworden. Die Sage hatte aber um diese Vorgänge einen
Schleier gewoben, welcher die Sache für den Ruf der Kurie keineswegs günstig erscheinen
ließ, und so mochte es denn zweckmäßig erscheinen, die reine Wahrheit ans Tageslicht treten
zu lassen, von der man ohnehin so ziemlich den Kern wußte.
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) Da mir das italienische Original nicht zugänglich, so liegt der Darstellung eine fran¬
zösische Bearbeitung zu Grnnde: I-,« Vroe^s «Z« Knliwi, ^. IlSMros, <to l'^eaclmme kr»in,n!«c!.
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[0489] Jer Prozeß gegen Halilei.^) Wenn wir uns hier mit diesem Gegenstande beschäftigen, der in Deutsch¬ land oftmals besprochen worden ist, so geschieht dies nur in der Absicht, eine so lange bestehende Streitfrage zum ersten Male nach unanfechtbare« Quellen gelöst zu sehen. Zudem wird uus durch die Kunst der Darstellung des itali¬ enischen Erzählers Domenico Berti die Gestalt Galileis menschlich nahe gerückt.**) Interessant und meines Wissens in Deutschland wenig bekannt ist der Lebenslauf der Akten des Prozesses. Nachdem sie seit dem Jahre 1633 in dem römischen Archiv geschlummert, wurden die Akten unter dem ersten Kaiser¬ reich nach Paris mit anderen zusammen übergeführt. Napoleon, dessen Blick oftmals auch das scheinbar Geringfügigste beachtete, befahl die Publikation der Prozeßakten, und zwar so, daß sie zweisprachig erfolgte, dem Urtexte wurde die französische Uebersetzung gegenübergestellt. Zu jener Zeit stand der Kaiser mit der Kurie uoch auf etwas gespanntem Fuße. Die Uebersetzung wurde auch begonnen, ihre Veröffentlichung aber stockte sehr bald. Die Gründe ent¬ zogen sich der Öffentlichkeit. Man greift aber wohl nicht fehl, wenn man die Urheber dieser Verzögerung der Sache im Hausstande der Frau Lcititia Bona- II xrooess!) orixin^is ni 6-cliIen lZ.^NIsi, Mlilioato xer Is, xrima volo <Ja voinvnieo »frei. »um». 187«. So lautet der Titel des Werkes, welches der italienische Gelehrte ucich den Akten aus dem Vatikan verfasst hat, von denen Pater Thciner, unser hochgeachteter Landsmann, demselben Einsicht zu nehmen gestattete, nach ausdrücklich ertheilter amtlicher Autorisation des päpstlichen Kabinets. Die römische Kurie muß der Ansicht gewesen sein, daß die Zeit es nicht mehr erforderte, den Schleier über Vorgänge zu verbreiten, die in ihren Hauptzügen längst bekannt geworden. Die Sage hatte aber um diese Vorgänge einen Schleier gewoben, welcher die Sache für den Ruf der Kurie keineswegs günstig erscheinen ließ, und so mochte es denn zweckmäßig erscheinen, die reine Wahrheit ans Tageslicht treten zu lassen, von der man ohnehin so ziemlich den Kern wußte. ** ) Da mir das italienische Original nicht zugänglich, so liegt der Darstellung eine fran¬ zösische Bearbeitung zu Grnnde: I-,« Vroe^s «Z« Knliwi, ^. IlSMros, <to l'^eaclmme kr»in,n!«c!. Nvvne tlo« üvnx monüss. Vom« XVII. Grenzboten I. 1377. (ZI

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/489>, abgerufen am 03.05.2024.