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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Poznanski" bereits hinter Schloß und Riegel. Wahrlich, es wäre ein wunder¬
liches Schauspiel , wenn eine Reichsbehörde den zufälligen Umstand, daß ein
bereits erlassenes Reichsgesetz einstweilen noch uicht in Kraft treten kann, be¬
nutzte, um eiuer durch das Reichsgesetz vollzogenen Reform mit Hülfe der noch
bestehende" Partikulargesetzgebung Hohn zu sprechen! -- Leider wird die
unselige Angelegenheit den Reichstag, wie es scheint, noch wiederholt be¬
schäftigen.

Erfreulich war der Abschluß der Woche, Die Svunabendsitznng war
dem Gesetzentwurf betreffend die Lcmdesgesetzgcbnng Elsaß-Lothringens ge¬
widmet. Ein stärkerer Kontrast als der zwischen dieser Verhandlung und
jener stürmischen Scene vor drei Jahren, als Herr Teutsch den von Gam-
betta verfaßten Protest verlas, ist nicht denkbar. Die Autonomisten, auf der
Rednerbühne durch die Herren Bergmann und Schneegans vertreten, haben
ihre parlamentarische Thätigkeit mit sehr viel Takt und gutem Glück begonnen.
Die Erfolge, welche ihnen die loyale Anerkennung der bestehenden Verhältnisse
jetzt bereits eingetragen, werden, wie Stauffenberg in einer vortrefflichen Rede
entwickelte, auch die Protestler zwingen, von der bisherigen absoluten Negation
zu eiuer positiverer Haltung überzugehen. Was den erwähnten Gesetzentwurf
betrifft, welcher eine vorsichtige Erweiterung der Befugnisse des elsa߬
lothringischen Landesausschnsses unter entsprechender Einschränkung der Mit¬
wirkung des Reichstages an der dortigen Landesgesetzgebnng bezweckt, so wird
er freilich nicht ohne Modifikationen angenommen werden können-
, doch steht
Zu hoffen, daß sich eine Verständigung ohne allzugroße Schwierigkeit finden
lassen wird. Der Tag, da dies Gesetz zu Stande kommt, wird ein bedeutsamer
Markstein in der Entwickelung des Reichslandes zu einem lebendigen Gliede
d X- ?- es deutschen Reiches sein.




Literatur.

D rutsche Kunst in Prag. Ein Vortrag von or. Alfred Woltmann,
Plos. d. Knusw'schichte an der k. k. Universität in Prag. Leipzig.
Aerlag von E. A. Seemann. 1877.

Dieser Vvrtraa bietet insofern ein besonderes Interesse, als er zu den
bekannten lärmenden Kundgebungen czechtscher Hansnarren führte, die keine
Wahrheit vertragen können', welche ihren Embüduugen von der Große und
Bedeutung ihrer' götzenhaften Nationalität widerspricht. Der Versasser hatte
"r dem zuerst in der prager "Concordia" gehaltenen Vortrage die Frage, was
in der künstlerischen Erscheinung der Stadt Prag deutsch sei, dahin beant¬
wortet: "Beinahe Alles. Erstens ist hier überhaupt Grund und Boden deutscher
Kunst, seit es in Prag eine Kunst gegeben. Zweitens aber fanden zwar mehr-


Poznanski" bereits hinter Schloß und Riegel. Wahrlich, es wäre ein wunder¬
liches Schauspiel , wenn eine Reichsbehörde den zufälligen Umstand, daß ein
bereits erlassenes Reichsgesetz einstweilen noch uicht in Kraft treten kann, be¬
nutzte, um eiuer durch das Reichsgesetz vollzogenen Reform mit Hülfe der noch
bestehende« Partikulargesetzgebung Hohn zu sprechen! — Leider wird die
unselige Angelegenheit den Reichstag, wie es scheint, noch wiederholt be¬
schäftigen.

Erfreulich war der Abschluß der Woche, Die Svunabendsitznng war
dem Gesetzentwurf betreffend die Lcmdesgesetzgcbnng Elsaß-Lothringens ge¬
widmet. Ein stärkerer Kontrast als der zwischen dieser Verhandlung und
jener stürmischen Scene vor drei Jahren, als Herr Teutsch den von Gam-
betta verfaßten Protest verlas, ist nicht denkbar. Die Autonomisten, auf der
Rednerbühne durch die Herren Bergmann und Schneegans vertreten, haben
ihre parlamentarische Thätigkeit mit sehr viel Takt und gutem Glück begonnen.
Die Erfolge, welche ihnen die loyale Anerkennung der bestehenden Verhältnisse
jetzt bereits eingetragen, werden, wie Stauffenberg in einer vortrefflichen Rede
entwickelte, auch die Protestler zwingen, von der bisherigen absoluten Negation
zu eiuer positiverer Haltung überzugehen. Was den erwähnten Gesetzentwurf
betrifft, welcher eine vorsichtige Erweiterung der Befugnisse des elsa߬
lothringischen Landesausschnsses unter entsprechender Einschränkung der Mit¬
wirkung des Reichstages an der dortigen Landesgesetzgebnng bezweckt, so wird
er freilich nicht ohne Modifikationen angenommen werden können-
, doch steht
Zu hoffen, daß sich eine Verständigung ohne allzugroße Schwierigkeit finden
lassen wird. Der Tag, da dies Gesetz zu Stande kommt, wird ein bedeutsamer
Markstein in der Entwickelung des Reichslandes zu einem lebendigen Gliede
d X- ?- es deutschen Reiches sein.




Literatur.

D rutsche Kunst in Prag. Ein Vortrag von or. Alfred Woltmann,
Plos. d. Knusw'schichte an der k. k. Universität in Prag. Leipzig.
Aerlag von E. A. Seemann. 1877.

Dieser Vvrtraa bietet insofern ein besonderes Interesse, als er zu den
bekannten lärmenden Kundgebungen czechtscher Hansnarren führte, die keine
Wahrheit vertragen können', welche ihren Embüduugen von der Große und
Bedeutung ihrer' götzenhaften Nationalität widerspricht. Der Versasser hatte
"r dem zuerst in der prager „Concordia" gehaltenen Vortrage die Frage, was
in der künstlerischen Erscheinung der Stadt Prag deutsch sei, dahin beant¬
wortet: „Beinahe Alles. Erstens ist hier überhaupt Grund und Boden deutscher
Kunst, seit es in Prag eine Kunst gegeben. Zweitens aber fanden zwar mehr-


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[0527] Poznanski" bereits hinter Schloß und Riegel. Wahrlich, es wäre ein wunder¬ liches Schauspiel , wenn eine Reichsbehörde den zufälligen Umstand, daß ein bereits erlassenes Reichsgesetz einstweilen noch uicht in Kraft treten kann, be¬ nutzte, um eiuer durch das Reichsgesetz vollzogenen Reform mit Hülfe der noch bestehende« Partikulargesetzgebung Hohn zu sprechen! — Leider wird die unselige Angelegenheit den Reichstag, wie es scheint, noch wiederholt be¬ schäftigen. Erfreulich war der Abschluß der Woche, Die Svunabendsitznng war dem Gesetzentwurf betreffend die Lcmdesgesetzgcbnng Elsaß-Lothringens ge¬ widmet. Ein stärkerer Kontrast als der zwischen dieser Verhandlung und jener stürmischen Scene vor drei Jahren, als Herr Teutsch den von Gam- betta verfaßten Protest verlas, ist nicht denkbar. Die Autonomisten, auf der Rednerbühne durch die Herren Bergmann und Schneegans vertreten, haben ihre parlamentarische Thätigkeit mit sehr viel Takt und gutem Glück begonnen. Die Erfolge, welche ihnen die loyale Anerkennung der bestehenden Verhältnisse jetzt bereits eingetragen, werden, wie Stauffenberg in einer vortrefflichen Rede entwickelte, auch die Protestler zwingen, von der bisherigen absoluten Negation zu eiuer positiverer Haltung überzugehen. Was den erwähnten Gesetzentwurf betrifft, welcher eine vorsichtige Erweiterung der Befugnisse des elsa߬ lothringischen Landesausschnsses unter entsprechender Einschränkung der Mit¬ wirkung des Reichstages an der dortigen Landesgesetzgebnng bezweckt, so wird er freilich nicht ohne Modifikationen angenommen werden können- , doch steht Zu hoffen, daß sich eine Verständigung ohne allzugroße Schwierigkeit finden lassen wird. Der Tag, da dies Gesetz zu Stande kommt, wird ein bedeutsamer Markstein in der Entwickelung des Reichslandes zu einem lebendigen Gliede d X- ?- es deutschen Reiches sein. Literatur. D rutsche Kunst in Prag. Ein Vortrag von or. Alfred Woltmann, Plos. d. Knusw'schichte an der k. k. Universität in Prag. Leipzig. Aerlag von E. A. Seemann. 1877. Dieser Vvrtraa bietet insofern ein besonderes Interesse, als er zu den bekannten lärmenden Kundgebungen czechtscher Hansnarren führte, die keine Wahrheit vertragen können', welche ihren Embüduugen von der Große und Bedeutung ihrer' götzenhaften Nationalität widerspricht. Der Versasser hatte "r dem zuerst in der prager „Concordia" gehaltenen Vortrage die Frage, was in der künstlerischen Erscheinung der Stadt Prag deutsch sei, dahin beant¬ wortet: „Beinahe Alles. Erstens ist hier überhaupt Grund und Boden deutscher Kunst, seit es in Prag eine Kunst gegeben. Zweitens aber fanden zwar mehr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/527>, abgerufen am 04.05.2024.