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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Wird der Wortwitz abgeschmackt, bewahrt er sich nicht einen gewissen
wählerischen Zug, sondern greift zu der nächstliegenden, trivialsten Anspielung,
so sinkt er zu dem herab, was man Kalauer nennt, ein terminus teednieus,
in dessen Geschichte sich merkwürdiger Weise unsere ganze Darlegung noch ein¬
mal wie von selbst rekapitulirt. Nach dem Pfaffen von Kalenberg, dem Verfasser
eines im 15. Jahrhundert erschienenen Schwankbuches nannten die Franzosen
ihren eÄlemdoui-A oder ealkmdour, und wenn ihnen dies, wie ans dem Ab¬
werfen des Endbuchstaben hervorzugehen scheint, etwa an tambour anklang,
so hätten wir da eine echte Volksetymologie. Eine vulgäre Volksetymologie
wurde daraus, als der Deutsche den eslsindour zum Kalauer umprägte und
dabei entweder an den Ledergeruch oder an die Haltbarkeit der Kalauer
Stiefeln dachte, von denen ja die böse Welt behauptet, daß man sie nicht an
der Strippe, sondern mit der Sohle nach oben tragen müsse. Wenn aber der
Student der klassischen Philologie die Heimat des Kalauers nicht in der Pro¬
vinz Sachsen, sondern mit komischer Gelahrtheit ans der altgriechischen, an der
Küste von Argolis gelegenen Insel Kalauria sucht, so ist dieser Einfall schlie߬
lich selber nichts weiter, als ein ganz gewöhnlicher -- Kalauer.




Der Juddha und der Auddhisnms.
i.

Seit Schopenhauer in die Mode gekommen ist und der Hartmannsche
Pessimismus von sich reden macht, wird der Buddhismus so oft erwähnt und
dabei so häufig verrathen, daß der Betreffende keine deutliche Vorstellung von
der Sache hat, die damit gemeint ist, daß es nicht überflüssig und unwill¬
kommen sein möchte, wenn wir im Folgenden eine gedrängte Uebersicht über
die Geschichte des Buddha, seine Lehre und die Entwickelung derselben geben.
Man wird dabei inne werden, daß diese Weisheit nicht entfernt verdient, uns
deutschen Christenmenschen angepriesen zu werden, und wer das Leben und die
Denkart des fratzenhaft hochmüthigen, menschenverachtenden, lächerlich selbstsüch¬
tigen Philosophen von Frankfurt kennt, wird bedauern, daß ihm die Buddha¬
figur, die er auf seinem Schreibtisch stehen hatte, nicht in stillen Stunden etwas
von der Bescheidenheit und der Menschenliebe gepredigt hat, die ihr Urbild
höher stellen als das, was es lehrte.

Der Buddhismus ist theils der Gegensatz, theils der Versuch einer Weiter¬
entwickelung der uns im Bramaismus entgegentretenden Religionsstufe, die


Wird der Wortwitz abgeschmackt, bewahrt er sich nicht einen gewissen
wählerischen Zug, sondern greift zu der nächstliegenden, trivialsten Anspielung,
so sinkt er zu dem herab, was man Kalauer nennt, ein terminus teednieus,
in dessen Geschichte sich merkwürdiger Weise unsere ganze Darlegung noch ein¬
mal wie von selbst rekapitulirt. Nach dem Pfaffen von Kalenberg, dem Verfasser
eines im 15. Jahrhundert erschienenen Schwankbuches nannten die Franzosen
ihren eÄlemdoui-A oder ealkmdour, und wenn ihnen dies, wie ans dem Ab¬
werfen des Endbuchstaben hervorzugehen scheint, etwa an tambour anklang,
so hätten wir da eine echte Volksetymologie. Eine vulgäre Volksetymologie
wurde daraus, als der Deutsche den eslsindour zum Kalauer umprägte und
dabei entweder an den Ledergeruch oder an die Haltbarkeit der Kalauer
Stiefeln dachte, von denen ja die böse Welt behauptet, daß man sie nicht an
der Strippe, sondern mit der Sohle nach oben tragen müsse. Wenn aber der
Student der klassischen Philologie die Heimat des Kalauers nicht in der Pro¬
vinz Sachsen, sondern mit komischer Gelahrtheit ans der altgriechischen, an der
Küste von Argolis gelegenen Insel Kalauria sucht, so ist dieser Einfall schlie߬
lich selber nichts weiter, als ein ganz gewöhnlicher — Kalauer.




Der Juddha und der Auddhisnms.
i.

Seit Schopenhauer in die Mode gekommen ist und der Hartmannsche
Pessimismus von sich reden macht, wird der Buddhismus so oft erwähnt und
dabei so häufig verrathen, daß der Betreffende keine deutliche Vorstellung von
der Sache hat, die damit gemeint ist, daß es nicht überflüssig und unwill¬
kommen sein möchte, wenn wir im Folgenden eine gedrängte Uebersicht über
die Geschichte des Buddha, seine Lehre und die Entwickelung derselben geben.
Man wird dabei inne werden, daß diese Weisheit nicht entfernt verdient, uns
deutschen Christenmenschen angepriesen zu werden, und wer das Leben und die
Denkart des fratzenhaft hochmüthigen, menschenverachtenden, lächerlich selbstsüch¬
tigen Philosophen von Frankfurt kennt, wird bedauern, daß ihm die Buddha¬
figur, die er auf seinem Schreibtisch stehen hatte, nicht in stillen Stunden etwas
von der Bescheidenheit und der Menschenliebe gepredigt hat, die ihr Urbild
höher stellen als das, was es lehrte.

Der Buddhismus ist theils der Gegensatz, theils der Versuch einer Weiter¬
entwickelung der uns im Bramaismus entgegentretenden Religionsstufe, die


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[0136] Wird der Wortwitz abgeschmackt, bewahrt er sich nicht einen gewissen wählerischen Zug, sondern greift zu der nächstliegenden, trivialsten Anspielung, so sinkt er zu dem herab, was man Kalauer nennt, ein terminus teednieus, in dessen Geschichte sich merkwürdiger Weise unsere ganze Darlegung noch ein¬ mal wie von selbst rekapitulirt. Nach dem Pfaffen von Kalenberg, dem Verfasser eines im 15. Jahrhundert erschienenen Schwankbuches nannten die Franzosen ihren eÄlemdoui-A oder ealkmdour, und wenn ihnen dies, wie ans dem Ab¬ werfen des Endbuchstaben hervorzugehen scheint, etwa an tambour anklang, so hätten wir da eine echte Volksetymologie. Eine vulgäre Volksetymologie wurde daraus, als der Deutsche den eslsindour zum Kalauer umprägte und dabei entweder an den Ledergeruch oder an die Haltbarkeit der Kalauer Stiefeln dachte, von denen ja die böse Welt behauptet, daß man sie nicht an der Strippe, sondern mit der Sohle nach oben tragen müsse. Wenn aber der Student der klassischen Philologie die Heimat des Kalauers nicht in der Pro¬ vinz Sachsen, sondern mit komischer Gelahrtheit ans der altgriechischen, an der Küste von Argolis gelegenen Insel Kalauria sucht, so ist dieser Einfall schlie߬ lich selber nichts weiter, als ein ganz gewöhnlicher — Kalauer. Der Juddha und der Auddhisnms. i. Seit Schopenhauer in die Mode gekommen ist und der Hartmannsche Pessimismus von sich reden macht, wird der Buddhismus so oft erwähnt und dabei so häufig verrathen, daß der Betreffende keine deutliche Vorstellung von der Sache hat, die damit gemeint ist, daß es nicht überflüssig und unwill¬ kommen sein möchte, wenn wir im Folgenden eine gedrängte Uebersicht über die Geschichte des Buddha, seine Lehre und die Entwickelung derselben geben. Man wird dabei inne werden, daß diese Weisheit nicht entfernt verdient, uns deutschen Christenmenschen angepriesen zu werden, und wer das Leben und die Denkart des fratzenhaft hochmüthigen, menschenverachtenden, lächerlich selbstsüch¬ tigen Philosophen von Frankfurt kennt, wird bedauern, daß ihm die Buddha¬ figur, die er auf seinem Schreibtisch stehen hatte, nicht in stillen Stunden etwas von der Bescheidenheit und der Menschenliebe gepredigt hat, die ihr Urbild höher stellen als das, was es lehrte. Der Buddhismus ist theils der Gegensatz, theils der Versuch einer Weiter¬ entwickelung der uns im Bramaismus entgegentretenden Religionsstufe, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/136>, abgerufen am 19.05.2024.