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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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von den Töchtern und Enkelinnen der edör" more wie eine Mutter verehrt,
welcher jene ihr Inneres in Freud und Leid, in allen Angelegenheiten er¬
schlossen -- und nicht vergebens. Denn die Fürstin hatte für Alles den rechten,
sicheren Blick, ein bestimmtes, klares Urtheil, doch stets gegründet auf ihren
über Alles stehenden religiösen Sinn. Wiederum wurden jene Frauen eben
so in Mitleid gezogen durch Alles, was der Fürstin Leben und Familie im
engeren und weiteren Sinn bewegte. Als Zeugnisse des oben Gesagten dienen
die uns vorliegenden Originalbriefe der Frau v. Lengefeld, ihrer Töchter (die
meisten von Charlotte Schiller), Enkel und Enkelinnen, an die Fürstin gerichtet,
deren mehrere mit Erlaubniß der hohen Anverwandten hier zum ersten Male
veröffentlicht werden dürfen. Sie sollen -- das ist der nächste Zweck -- der
Vergessenheit entrissen, vor möglichem Untergang bewahrt werden und sich als
ein Beitrag zur Kenntniß jenes schönen Verhältnisses an die Anzahl der schon
bekannten anreihen. Hoffentlich erscheinen sie den zahlreichen Schillerfreunden
als eine nicht unwillkommene kleine Gabe, ebenso wie wir uns der schönen
und zarten Beziehungen Schillers zu unserem Fürstenhause und zu unserer
Stadt stets mit Freuden bewußt sind. "Die Freundschaft zog Schiller nach
Rudolstadt, die Liebe hielt ihn hier fest".--

Wir lassen nun den Wortlaut dieser Briefe, mit den nöthigen Anmerkungen,
nach und nach in den "Grenzboten" folgen:

1) Frau von Lengefeld an die Fürstin Caroline Louise.

Jena, den 4. November 1799.")

Beste gnädigste Fürstin! Herzlich und unterthänig danke ich für den An¬
theil, den Sie an der guten Lollo nehmen, Gott vergelte es Ihnen und lasse
Ihr mütterliches Herz nie ein meinem Schicksal ähnliches erfahren. Tage des
Leidens und der Prüfung sind mir schon geworden, doch sie sind alle in der
Hand desjenigen, der Alles zum Besten macht; sie geduldig zu ertragen, meine
Pflichten darin nach Möglichkeit zu vollbringen, ist jetzt mein Beruf; daher
Sie, theuerste Fürstin, mir auch gewiß erlauben werden, noch einige Zeit hier
Zu bleiben. Sobald es mir möglich, eile ich zu Ihnen, und wie wohlthätig
wird es mir sein, meine Erholung bei Ihnen zu finden, bei Ihnen, die meine
ganze Seele liebt und verehrt.--Zu dem kommenden Mittwoch wünsche
ich das beste Glück; Gott mache unsern lieben Günther würdig, Ihr Sohn zu
sein, so ist er gewiß recht gut; empfehlen Sie mich ja unserem guten Fürsten



*) Geschrieben während der schweren Krankheit ihrer Tochter Charlotte, als diese in
Folge ihrer Entbindung beinahe sechs Wochen an großer Schwäche, körperlich und geistig,
litt, von der sie sich erst Mitte November wieder erholte, Arzt war Starke. Sorgsam wurde
sie gepflegt von Schiller, von ihrer Mutter und der "treuen" Griesbach.

von den Töchtern und Enkelinnen der edör« more wie eine Mutter verehrt,
welcher jene ihr Inneres in Freud und Leid, in allen Angelegenheiten er¬
schlossen — und nicht vergebens. Denn die Fürstin hatte für Alles den rechten,
sicheren Blick, ein bestimmtes, klares Urtheil, doch stets gegründet auf ihren
über Alles stehenden religiösen Sinn. Wiederum wurden jene Frauen eben
so in Mitleid gezogen durch Alles, was der Fürstin Leben und Familie im
engeren und weiteren Sinn bewegte. Als Zeugnisse des oben Gesagten dienen
die uns vorliegenden Originalbriefe der Frau v. Lengefeld, ihrer Töchter (die
meisten von Charlotte Schiller), Enkel und Enkelinnen, an die Fürstin gerichtet,
deren mehrere mit Erlaubniß der hohen Anverwandten hier zum ersten Male
veröffentlicht werden dürfen. Sie sollen — das ist der nächste Zweck — der
Vergessenheit entrissen, vor möglichem Untergang bewahrt werden und sich als
ein Beitrag zur Kenntniß jenes schönen Verhältnisses an die Anzahl der schon
bekannten anreihen. Hoffentlich erscheinen sie den zahlreichen Schillerfreunden
als eine nicht unwillkommene kleine Gabe, ebenso wie wir uns der schönen
und zarten Beziehungen Schillers zu unserem Fürstenhause und zu unserer
Stadt stets mit Freuden bewußt sind. „Die Freundschaft zog Schiller nach
Rudolstadt, die Liebe hielt ihn hier fest".--

Wir lassen nun den Wortlaut dieser Briefe, mit den nöthigen Anmerkungen,
nach und nach in den „Grenzboten" folgen:

1) Frau von Lengefeld an die Fürstin Caroline Louise.

Jena, den 4. November 1799.»)

Beste gnädigste Fürstin! Herzlich und unterthänig danke ich für den An¬
theil, den Sie an der guten Lollo nehmen, Gott vergelte es Ihnen und lasse
Ihr mütterliches Herz nie ein meinem Schicksal ähnliches erfahren. Tage des
Leidens und der Prüfung sind mir schon geworden, doch sie sind alle in der
Hand desjenigen, der Alles zum Besten macht; sie geduldig zu ertragen, meine
Pflichten darin nach Möglichkeit zu vollbringen, ist jetzt mein Beruf; daher
Sie, theuerste Fürstin, mir auch gewiß erlauben werden, noch einige Zeit hier
Zu bleiben. Sobald es mir möglich, eile ich zu Ihnen, und wie wohlthätig
wird es mir sein, meine Erholung bei Ihnen zu finden, bei Ihnen, die meine
ganze Seele liebt und verehrt.--Zu dem kommenden Mittwoch wünsche
ich das beste Glück; Gott mache unsern lieben Günther würdig, Ihr Sohn zu
sein, so ist er gewiß recht gut; empfehlen Sie mich ja unserem guten Fürsten



*) Geschrieben während der schweren Krankheit ihrer Tochter Charlotte, als diese in
Folge ihrer Entbindung beinahe sechs Wochen an großer Schwäche, körperlich und geistig,
litt, von der sie sich erst Mitte November wieder erholte, Arzt war Starke. Sorgsam wurde
sie gepflegt von Schiller, von ihrer Mutter und der „treuen" Griesbach.
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[0147] von den Töchtern und Enkelinnen der edör« more wie eine Mutter verehrt, welcher jene ihr Inneres in Freud und Leid, in allen Angelegenheiten er¬ schlossen — und nicht vergebens. Denn die Fürstin hatte für Alles den rechten, sicheren Blick, ein bestimmtes, klares Urtheil, doch stets gegründet auf ihren über Alles stehenden religiösen Sinn. Wiederum wurden jene Frauen eben so in Mitleid gezogen durch Alles, was der Fürstin Leben und Familie im engeren und weiteren Sinn bewegte. Als Zeugnisse des oben Gesagten dienen die uns vorliegenden Originalbriefe der Frau v. Lengefeld, ihrer Töchter (die meisten von Charlotte Schiller), Enkel und Enkelinnen, an die Fürstin gerichtet, deren mehrere mit Erlaubniß der hohen Anverwandten hier zum ersten Male veröffentlicht werden dürfen. Sie sollen — das ist der nächste Zweck — der Vergessenheit entrissen, vor möglichem Untergang bewahrt werden und sich als ein Beitrag zur Kenntniß jenes schönen Verhältnisses an die Anzahl der schon bekannten anreihen. Hoffentlich erscheinen sie den zahlreichen Schillerfreunden als eine nicht unwillkommene kleine Gabe, ebenso wie wir uns der schönen und zarten Beziehungen Schillers zu unserem Fürstenhause und zu unserer Stadt stets mit Freuden bewußt sind. „Die Freundschaft zog Schiller nach Rudolstadt, die Liebe hielt ihn hier fest".-- Wir lassen nun den Wortlaut dieser Briefe, mit den nöthigen Anmerkungen, nach und nach in den „Grenzboten" folgen: 1) Frau von Lengefeld an die Fürstin Caroline Louise. Jena, den 4. November 1799.») Beste gnädigste Fürstin! Herzlich und unterthänig danke ich für den An¬ theil, den Sie an der guten Lollo nehmen, Gott vergelte es Ihnen und lasse Ihr mütterliches Herz nie ein meinem Schicksal ähnliches erfahren. Tage des Leidens und der Prüfung sind mir schon geworden, doch sie sind alle in der Hand desjenigen, der Alles zum Besten macht; sie geduldig zu ertragen, meine Pflichten darin nach Möglichkeit zu vollbringen, ist jetzt mein Beruf; daher Sie, theuerste Fürstin, mir auch gewiß erlauben werden, noch einige Zeit hier Zu bleiben. Sobald es mir möglich, eile ich zu Ihnen, und wie wohlthätig wird es mir sein, meine Erholung bei Ihnen zu finden, bei Ihnen, die meine ganze Seele liebt und verehrt.--Zu dem kommenden Mittwoch wünsche ich das beste Glück; Gott mache unsern lieben Günther würdig, Ihr Sohn zu sein, so ist er gewiß recht gut; empfehlen Sie mich ja unserem guten Fürsten *) Geschrieben während der schweren Krankheit ihrer Tochter Charlotte, als diese in Folge ihrer Entbindung beinahe sechs Wochen an großer Schwäche, körperlich und geistig, litt, von der sie sich erst Mitte November wieder erholte, Arzt war Starke. Sorgsam wurde sie gepflegt von Schiller, von ihrer Mutter und der „treuen" Griesbach.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/147>, abgerufen am 19.05.2024.