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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Alexander Humboldt ist ganz eilig hier durch gereist, ohne sich aufzuhalten,
er soll mit dem Prinzen nach Paris reisen und sie werden sich in Frankfurt
treffen. Ich denke mir, der Prinz wird nun abwarten in dortiger Gegend bei
Ihrem Herrn Vater, bis der Kaiser zurück ist. Es heißt, er werde in drei
Wochen wieder dort sein. Möge aller Segen, dessen sein reines Gemüth werth ist,
ihm auf seinen Wegen folgen! Ein solcher Mensch ist sehr selten. Er hat
eine Gewandtheit in der Erscheinung und ist so freundlich und mild, und doch
so ernst, so rege für alles höhere Interesse! So hätte Friedrich der Große
werden müssen in dieser Zeit; man kann sich seinen Charakter ganz so denken
im Ernste des Lebens, und sein Enkel hat das Gefällige der Jugend, und die
liebliche Bildung des Geistes. -- Ich habe noch wenig Menschen gefunden, mit
denen mir sogleich das Herz einfällt, denn ich konnte von den Gefühlen, die
mir am heiligsten sind, gleich sprechen und fühle, daß ich verstanden wurde.

Sobald ich unsere Prinzessin Caroline besuche, soll sie mir recht viel von
der Hoheit erzählen, denn Prinz Wilhelm hat ihr gewiß viel erzählt und ich
werde es der mers mors treu berichten.

Jetzt vergönnen Sie mir, gnädigste verehrte Fürstin, Ihnen meinen unter-
thänigsten Dank zu sagen für alle Huld, die Sie mir erzeigten und für die
gnädige liebevolle Aufnahme, die Sie meiner Caroline gönnten. Für so etwas
gibt es so wenig Worte. Aber das Herz fühlt dafür inniger.


Ihre unterthänige Ch. v. S.
5 b) Die Fürstin Caroline Louise an Frau Charlotte v. Kalb.

Rudolstadt. Januar 1807."°)

Ihr Andenken, liebe Frau v. Kalb, hat mir viele Freude gemacht. Ach,
könnte ich nur Ihnen auch Freude machen -- die Kleinigkeit, die meinen Brief
begleitet, foll Ihnen Beweis meiner Willfährigkeit sein, alles das, was in
meinem Vermögen steht, für Sie zu thun. In dem jetzigen Augenblick, wo
der Krieg unsere Gegend traf, wo Menschenblut unser sonst so freundliches
Thal befleckte, wo Plünderung, Contribution, Requisition und Administration
unser Land drückt, können Sie leicht denken, daß ich nur thun konnte, was in
meinem Vermögen stand.

Im Oktober war das Kriegstheater hier, so daß ich im November noch



*) Dieser Brief, eine Antwort an die Frau v. Kalb, welche sich in ihrer höchst traurigen
Lage (vergl. "Charlotte v. Schiller und ihre Freunde", 4. Bd., S. 231), um Unterstützung an
die Fürstin gewandt hatte, mag deswegen hier eingeschaltet werden, weil er in kräftigen
Zügen einen Blick wirft auf die für die Fürstin so ernsten Verhältnisse jenes Jahres, da
ihr Gemahl zum Tode erkrankt war. Sie leitete alle Angelegenheiten.

Alexander Humboldt ist ganz eilig hier durch gereist, ohne sich aufzuhalten,
er soll mit dem Prinzen nach Paris reisen und sie werden sich in Frankfurt
treffen. Ich denke mir, der Prinz wird nun abwarten in dortiger Gegend bei
Ihrem Herrn Vater, bis der Kaiser zurück ist. Es heißt, er werde in drei
Wochen wieder dort sein. Möge aller Segen, dessen sein reines Gemüth werth ist,
ihm auf seinen Wegen folgen! Ein solcher Mensch ist sehr selten. Er hat
eine Gewandtheit in der Erscheinung und ist so freundlich und mild, und doch
so ernst, so rege für alles höhere Interesse! So hätte Friedrich der Große
werden müssen in dieser Zeit; man kann sich seinen Charakter ganz so denken
im Ernste des Lebens, und sein Enkel hat das Gefällige der Jugend, und die
liebliche Bildung des Geistes. — Ich habe noch wenig Menschen gefunden, mit
denen mir sogleich das Herz einfällt, denn ich konnte von den Gefühlen, die
mir am heiligsten sind, gleich sprechen und fühle, daß ich verstanden wurde.

Sobald ich unsere Prinzessin Caroline besuche, soll sie mir recht viel von
der Hoheit erzählen, denn Prinz Wilhelm hat ihr gewiß viel erzählt und ich
werde es der mers mors treu berichten.

Jetzt vergönnen Sie mir, gnädigste verehrte Fürstin, Ihnen meinen unter-
thänigsten Dank zu sagen für alle Huld, die Sie mir erzeigten und für die
gnädige liebevolle Aufnahme, die Sie meiner Caroline gönnten. Für so etwas
gibt es so wenig Worte. Aber das Herz fühlt dafür inniger.


Ihre unterthänige Ch. v. S.
5 b) Die Fürstin Caroline Louise an Frau Charlotte v. Kalb.

Rudolstadt. Januar 1807."°)

Ihr Andenken, liebe Frau v. Kalb, hat mir viele Freude gemacht. Ach,
könnte ich nur Ihnen auch Freude machen — die Kleinigkeit, die meinen Brief
begleitet, foll Ihnen Beweis meiner Willfährigkeit sein, alles das, was in
meinem Vermögen steht, für Sie zu thun. In dem jetzigen Augenblick, wo
der Krieg unsere Gegend traf, wo Menschenblut unser sonst so freundliches
Thal befleckte, wo Plünderung, Contribution, Requisition und Administration
unser Land drückt, können Sie leicht denken, daß ich nur thun konnte, was in
meinem Vermögen stand.

Im Oktober war das Kriegstheater hier, so daß ich im November noch



*) Dieser Brief, eine Antwort an die Frau v. Kalb, welche sich in ihrer höchst traurigen
Lage (vergl. „Charlotte v. Schiller und ihre Freunde", 4. Bd., S. 231), um Unterstützung an
die Fürstin gewandt hatte, mag deswegen hier eingeschaltet werden, weil er in kräftigen
Zügen einen Blick wirft auf die für die Fürstin so ernsten Verhältnisse jenes Jahres, da
ihr Gemahl zum Tode erkrankt war. Sie leitete alle Angelegenheiten.
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[0156] Alexander Humboldt ist ganz eilig hier durch gereist, ohne sich aufzuhalten, er soll mit dem Prinzen nach Paris reisen und sie werden sich in Frankfurt treffen. Ich denke mir, der Prinz wird nun abwarten in dortiger Gegend bei Ihrem Herrn Vater, bis der Kaiser zurück ist. Es heißt, er werde in drei Wochen wieder dort sein. Möge aller Segen, dessen sein reines Gemüth werth ist, ihm auf seinen Wegen folgen! Ein solcher Mensch ist sehr selten. Er hat eine Gewandtheit in der Erscheinung und ist so freundlich und mild, und doch so ernst, so rege für alles höhere Interesse! So hätte Friedrich der Große werden müssen in dieser Zeit; man kann sich seinen Charakter ganz so denken im Ernste des Lebens, und sein Enkel hat das Gefällige der Jugend, und die liebliche Bildung des Geistes. — Ich habe noch wenig Menschen gefunden, mit denen mir sogleich das Herz einfällt, denn ich konnte von den Gefühlen, die mir am heiligsten sind, gleich sprechen und fühle, daß ich verstanden wurde. Sobald ich unsere Prinzessin Caroline besuche, soll sie mir recht viel von der Hoheit erzählen, denn Prinz Wilhelm hat ihr gewiß viel erzählt und ich werde es der mers mors treu berichten. Jetzt vergönnen Sie mir, gnädigste verehrte Fürstin, Ihnen meinen unter- thänigsten Dank zu sagen für alle Huld, die Sie mir erzeigten und für die gnädige liebevolle Aufnahme, die Sie meiner Caroline gönnten. Für so etwas gibt es so wenig Worte. Aber das Herz fühlt dafür inniger. Ihre unterthänige Ch. v. S. 5 b) Die Fürstin Caroline Louise an Frau Charlotte v. Kalb. Rudolstadt. Januar 1807."°) Ihr Andenken, liebe Frau v. Kalb, hat mir viele Freude gemacht. Ach, könnte ich nur Ihnen auch Freude machen — die Kleinigkeit, die meinen Brief begleitet, foll Ihnen Beweis meiner Willfährigkeit sein, alles das, was in meinem Vermögen steht, für Sie zu thun. In dem jetzigen Augenblick, wo der Krieg unsere Gegend traf, wo Menschenblut unser sonst so freundliches Thal befleckte, wo Plünderung, Contribution, Requisition und Administration unser Land drückt, können Sie leicht denken, daß ich nur thun konnte, was in meinem Vermögen stand. Im Oktober war das Kriegstheater hier, so daß ich im November noch *) Dieser Brief, eine Antwort an die Frau v. Kalb, welche sich in ihrer höchst traurigen Lage (vergl. „Charlotte v. Schiller und ihre Freunde", 4. Bd., S. 231), um Unterstützung an die Fürstin gewandt hatte, mag deswegen hier eingeschaltet werden, weil er in kräftigen Zügen einen Blick wirft auf die für die Fürstin so ernsten Verhältnisse jenes Jahres, da ihr Gemahl zum Tode erkrankt war. Sie leitete alle Angelegenheiten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/156>, abgerufen am 19.05.2024.