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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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stritt er -- unter Berufung ans die seit Jahr und Tag vorliegenden Er¬
hebungen des Deutschen Handelstags und sonstiges Material, sowie unter
Vorbehalt noch auzustelleuder Untersuchungen über Specialfragen -- die
Nothwendigkeit wie die Zweckmäßigkeit, ja bis zu einem gewissen Grade selbst
die Möglichkeit der in dem Varnbülerschen Antrage verlangten Generalenquete.
Die nächste Folge derselben würde thatsächlich eine zum mindesten zeitweilige
Außerkraftsetzung der gegenwärtigen Handelspolitik sein; und dies Bestreben
wurde von Herrn Hofmann mit wünschenswertester Deutlichkeit zurückgewiesen.
Um diesen Mißerfolg zu verhüllen, kam einer der Unterzeichner auf den Ge¬
danken, "angesichts der entgegenkommenden Erklärungen der Regierung" den
Antrag zurückzuziehen. Unglücklicherweise schlug dies überschlaue Manöver erst
recht zum Verderben der Antragsteller aus. Der Antrag wurde von freihänd¬
lerischer Seite wieder aufgenommen, und nunmehr bedachte Karl Braun --
nach solch' ungeschickter Taktik allerdings nicht mit Unrecht -- die Unglücklichen
neben einer sachlichen Widerlegung im reichsten Maße mit der beißenden Lange
seines Spottes. Obendrein legte schließlich auch noch der Präsident des Reichs-
kanzleramts gegen das ihm angedichtete Entgegenkommen Verwcchrnng ein, und
die Schutzzöllner gingen vollständig geschlagen nach Haus.

Außer den Zollfragen erledigte der Reichstag die Budgetberathnng. Die
acuten Schmerze", welche die Rede Moltke's für "den dreizehnten Hcuipt-
mann" verursacht, sind inzwischen bereits gewichen; der Ernst der Situation
aber, welchen sie einmal recht lebhaft zum Bewußtsein brachte, wird bleiben.




Wie die ultramontanen UolaKen jubelten

über den von ihnen schon als sicher gebuchten Rücktritt des Reichskanzlers,
zeigt uns das westpreußische Kaplansblatt "Przyjaziel Ludu" vom 13. April,
dessen sehr charakteristische Albernheiten wir im Nachstehenden ohne Bemerkun¬
gen wiedergeben, da sie für Vernünftige deren nicht bedürfen. Es heißt da:
"Die Leute gehen und wechseln. Heute sind sie so groß wie die Eichen, und
worgen wirft sie der Sturm zu Boden, und wenn von ihnen einer den Krieg
mit der Kirche begann und dachte, daß er die Kirche umstürzen werde, so hat
er sicher sich den Kopf an dem Felsen Petri zerschellt. Solche Gedanken
drängen sich uns heute auf, wo Bismarck aufgehört hat, der deutsche Kanzler
und der allmächtige Herr zu sein. -- Die Deutsche" bedauern Bismarck nicht,
wenngleich das eine große Undankbarkeit ist. -- In der großen Welt ist Alles


stritt er — unter Berufung ans die seit Jahr und Tag vorliegenden Er¬
hebungen des Deutschen Handelstags und sonstiges Material, sowie unter
Vorbehalt noch auzustelleuder Untersuchungen über Specialfragen — die
Nothwendigkeit wie die Zweckmäßigkeit, ja bis zu einem gewissen Grade selbst
die Möglichkeit der in dem Varnbülerschen Antrage verlangten Generalenquete.
Die nächste Folge derselben würde thatsächlich eine zum mindesten zeitweilige
Außerkraftsetzung der gegenwärtigen Handelspolitik sein; und dies Bestreben
wurde von Herrn Hofmann mit wünschenswertester Deutlichkeit zurückgewiesen.
Um diesen Mißerfolg zu verhüllen, kam einer der Unterzeichner auf den Ge¬
danken, „angesichts der entgegenkommenden Erklärungen der Regierung" den
Antrag zurückzuziehen. Unglücklicherweise schlug dies überschlaue Manöver erst
recht zum Verderben der Antragsteller aus. Der Antrag wurde von freihänd¬
lerischer Seite wieder aufgenommen, und nunmehr bedachte Karl Braun —
nach solch' ungeschickter Taktik allerdings nicht mit Unrecht — die Unglücklichen
neben einer sachlichen Widerlegung im reichsten Maße mit der beißenden Lange
seines Spottes. Obendrein legte schließlich auch noch der Präsident des Reichs-
kanzleramts gegen das ihm angedichtete Entgegenkommen Verwcchrnng ein, und
die Schutzzöllner gingen vollständig geschlagen nach Haus.

Außer den Zollfragen erledigte der Reichstag die Budgetberathnng. Die
acuten Schmerze», welche die Rede Moltke's für „den dreizehnten Hcuipt-
mann" verursacht, sind inzwischen bereits gewichen; der Ernst der Situation
aber, welchen sie einmal recht lebhaft zum Bewußtsein brachte, wird bleiben.




Wie die ultramontanen UolaKen jubelten

über den von ihnen schon als sicher gebuchten Rücktritt des Reichskanzlers,
zeigt uns das westpreußische Kaplansblatt „Przyjaziel Ludu" vom 13. April,
dessen sehr charakteristische Albernheiten wir im Nachstehenden ohne Bemerkun¬
gen wiedergeben, da sie für Vernünftige deren nicht bedürfen. Es heißt da:
»Die Leute gehen und wechseln. Heute sind sie so groß wie die Eichen, und
worgen wirft sie der Sturm zu Boden, und wenn von ihnen einer den Krieg
mit der Kirche begann und dachte, daß er die Kirche umstürzen werde, so hat
er sicher sich den Kopf an dem Felsen Petri zerschellt. Solche Gedanken
drängen sich uns heute auf, wo Bismarck aufgehört hat, der deutsche Kanzler
und der allmächtige Herr zu sein. — Die Deutsche» bedauern Bismarck nicht,
wenngleich das eine große Undankbarkeit ist. — In der großen Welt ist Alles


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[0243] stritt er — unter Berufung ans die seit Jahr und Tag vorliegenden Er¬ hebungen des Deutschen Handelstags und sonstiges Material, sowie unter Vorbehalt noch auzustelleuder Untersuchungen über Specialfragen — die Nothwendigkeit wie die Zweckmäßigkeit, ja bis zu einem gewissen Grade selbst die Möglichkeit der in dem Varnbülerschen Antrage verlangten Generalenquete. Die nächste Folge derselben würde thatsächlich eine zum mindesten zeitweilige Außerkraftsetzung der gegenwärtigen Handelspolitik sein; und dies Bestreben wurde von Herrn Hofmann mit wünschenswertester Deutlichkeit zurückgewiesen. Um diesen Mißerfolg zu verhüllen, kam einer der Unterzeichner auf den Ge¬ danken, „angesichts der entgegenkommenden Erklärungen der Regierung" den Antrag zurückzuziehen. Unglücklicherweise schlug dies überschlaue Manöver erst recht zum Verderben der Antragsteller aus. Der Antrag wurde von freihänd¬ lerischer Seite wieder aufgenommen, und nunmehr bedachte Karl Braun — nach solch' ungeschickter Taktik allerdings nicht mit Unrecht — die Unglücklichen neben einer sachlichen Widerlegung im reichsten Maße mit der beißenden Lange seines Spottes. Obendrein legte schließlich auch noch der Präsident des Reichs- kanzleramts gegen das ihm angedichtete Entgegenkommen Verwcchrnng ein, und die Schutzzöllner gingen vollständig geschlagen nach Haus. Außer den Zollfragen erledigte der Reichstag die Budgetberathnng. Die acuten Schmerze», welche die Rede Moltke's für „den dreizehnten Hcuipt- mann" verursacht, sind inzwischen bereits gewichen; der Ernst der Situation aber, welchen sie einmal recht lebhaft zum Bewußtsein brachte, wird bleiben. Wie die ultramontanen UolaKen jubelten über den von ihnen schon als sicher gebuchten Rücktritt des Reichskanzlers, zeigt uns das westpreußische Kaplansblatt „Przyjaziel Ludu" vom 13. April, dessen sehr charakteristische Albernheiten wir im Nachstehenden ohne Bemerkun¬ gen wiedergeben, da sie für Vernünftige deren nicht bedürfen. Es heißt da: »Die Leute gehen und wechseln. Heute sind sie so groß wie die Eichen, und worgen wirft sie der Sturm zu Boden, und wenn von ihnen einer den Krieg mit der Kirche begann und dachte, daß er die Kirche umstürzen werde, so hat er sicher sich den Kopf an dem Felsen Petri zerschellt. Solche Gedanken drängen sich uns heute auf, wo Bismarck aufgehört hat, der deutsche Kanzler und der allmächtige Herr zu sein. — Die Deutsche» bedauern Bismarck nicht, wenngleich das eine große Undankbarkeit ist. — In der großen Welt ist Alles

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/243>, abgerufen am 19.05.2024.