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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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und günstige Berichte von den Erfolgen der Ansiedler nach Deutschland ge¬
langten, der Zuzug immer stärker. Aller Orten entstanden neue Kolonien,
deren es gegenwärtig in Südbrasilien einige vierzig gibt. Nicht allein die
Regierung ließ es sich angelegen sein, den Einwanderern ans den vorhandenen
Staatsländereien gegen geringe Zahlung den nöthigen Ackerboden zur Verfügung
zu stellen, sondern auch Aktiengesellschaften und Privatleute verabfolgten ihnen
unter günstigen Bedingungen Grund und Boden zur Niederlassung.

Die Kolonien liegen fast durchgängig an den Abhängen und zwischen den
Vorhügeln der Serra auf außerordentlich fruchtbarem Boden im Urwald.
Zum Ausgangspunkt wird ein schiffbarer Fluß gewählt. Eine gerade Linie,
welche in gehöriger Breite mitten durch den dichten Wald gelegt wird, dient
zur Basis und Hauptstraße des zu kultivirenden Bezirkes, und nur vor steilen
Felswänden und tiefen Schluchten weicht man von der geraden Richtung ab.
Zu beiden Seiten jener Linie werden die Kolonistenloose in einer Breite von
100 Braten, d. h. 2000 Decimetern abgesteckt, während die Tiefe der zugetheilten
Flächen, welche gesetzlich 15--1600 Braten betragen soll, fürs Erste unvermessen
bleibt. Der Flächeninhalt eines solchen Kvlonistenlooses beträgt hiernach un¬
gefähr 302 Magdeburger Morgen. Diese mangelhafte Vermessung hat, wie er¬
wähnt, in fast allen Ansiedelungen der Gegend von S. Leopolds viel Zwist
und Verwirrung zur Folge gehabt, da immer ein Nachbar mit dem andern
verschiedner Meinung über die beiderseitigen Grenzen war. Auch war die Güte
des Landes begreiflicherweise nicht überall die gleiche, und doch forderte die
Behörde von jedem Ansiedler den gleichen Geldbetrag. Etwas Regelung in
diese unbehaglichen Verhältnisse kam erst, nachdem der preußische Gesandte v.
Eichmann sowie der schweizerische Geschäftsträger Tschudi auf die Beschwerde"
der Kolonisten hin sich zu Sachwaltern ihrer Landsleute gemacht und die
Mißstände bei der Regierung in Rio de Janeiro zur Sprache gebracht hatten,
die sich darauf entschloß, dadurch Abhilfe zu schaffen, daß sie das ganze Ge¬
biet der Kolonien von S. Leopoldo noch einmal vermessen ließ.




Inedensengel'.

Nach der Mittheilung eines österreichischen Blattes hat, wie wir erst jetzt
erfahren, der "Czas", der bekanntlich das Organ der aristokratisch-ultramontanen
Partei der Polen ist und durch seine Patrone, die Radziwills, die Czartoryskis
u. A. mitunter recht gute Nachrichten über die Stimmung, die Absichten und
die Vorgänge in Hofkreisen und sonst in den oberen Sphären der Gesellschaft


und günstige Berichte von den Erfolgen der Ansiedler nach Deutschland ge¬
langten, der Zuzug immer stärker. Aller Orten entstanden neue Kolonien,
deren es gegenwärtig in Südbrasilien einige vierzig gibt. Nicht allein die
Regierung ließ es sich angelegen sein, den Einwanderern ans den vorhandenen
Staatsländereien gegen geringe Zahlung den nöthigen Ackerboden zur Verfügung
zu stellen, sondern auch Aktiengesellschaften und Privatleute verabfolgten ihnen
unter günstigen Bedingungen Grund und Boden zur Niederlassung.

Die Kolonien liegen fast durchgängig an den Abhängen und zwischen den
Vorhügeln der Serra auf außerordentlich fruchtbarem Boden im Urwald.
Zum Ausgangspunkt wird ein schiffbarer Fluß gewählt. Eine gerade Linie,
welche in gehöriger Breite mitten durch den dichten Wald gelegt wird, dient
zur Basis und Hauptstraße des zu kultivirenden Bezirkes, und nur vor steilen
Felswänden und tiefen Schluchten weicht man von der geraden Richtung ab.
Zu beiden Seiten jener Linie werden die Kolonistenloose in einer Breite von
100 Braten, d. h. 2000 Decimetern abgesteckt, während die Tiefe der zugetheilten
Flächen, welche gesetzlich 15—1600 Braten betragen soll, fürs Erste unvermessen
bleibt. Der Flächeninhalt eines solchen Kvlonistenlooses beträgt hiernach un¬
gefähr 302 Magdeburger Morgen. Diese mangelhafte Vermessung hat, wie er¬
wähnt, in fast allen Ansiedelungen der Gegend von S. Leopolds viel Zwist
und Verwirrung zur Folge gehabt, da immer ein Nachbar mit dem andern
verschiedner Meinung über die beiderseitigen Grenzen war. Auch war die Güte
des Landes begreiflicherweise nicht überall die gleiche, und doch forderte die
Behörde von jedem Ansiedler den gleichen Geldbetrag. Etwas Regelung in
diese unbehaglichen Verhältnisse kam erst, nachdem der preußische Gesandte v.
Eichmann sowie der schweizerische Geschäftsträger Tschudi auf die Beschwerde»
der Kolonisten hin sich zu Sachwaltern ihrer Landsleute gemacht und die
Mißstände bei der Regierung in Rio de Janeiro zur Sprache gebracht hatten,
die sich darauf entschloß, dadurch Abhilfe zu schaffen, daß sie das ganze Ge¬
biet der Kolonien von S. Leopoldo noch einmal vermessen ließ.




Inedensengel'.

Nach der Mittheilung eines österreichischen Blattes hat, wie wir erst jetzt
erfahren, der „Czas", der bekanntlich das Organ der aristokratisch-ultramontanen
Partei der Polen ist und durch seine Patrone, die Radziwills, die Czartoryskis
u. A. mitunter recht gute Nachrichten über die Stimmung, die Absichten und
die Vorgänge in Hofkreisen und sonst in den oberen Sphären der Gesellschaft


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[0320] und günstige Berichte von den Erfolgen der Ansiedler nach Deutschland ge¬ langten, der Zuzug immer stärker. Aller Orten entstanden neue Kolonien, deren es gegenwärtig in Südbrasilien einige vierzig gibt. Nicht allein die Regierung ließ es sich angelegen sein, den Einwanderern ans den vorhandenen Staatsländereien gegen geringe Zahlung den nöthigen Ackerboden zur Verfügung zu stellen, sondern auch Aktiengesellschaften und Privatleute verabfolgten ihnen unter günstigen Bedingungen Grund und Boden zur Niederlassung. Die Kolonien liegen fast durchgängig an den Abhängen und zwischen den Vorhügeln der Serra auf außerordentlich fruchtbarem Boden im Urwald. Zum Ausgangspunkt wird ein schiffbarer Fluß gewählt. Eine gerade Linie, welche in gehöriger Breite mitten durch den dichten Wald gelegt wird, dient zur Basis und Hauptstraße des zu kultivirenden Bezirkes, und nur vor steilen Felswänden und tiefen Schluchten weicht man von der geraden Richtung ab. Zu beiden Seiten jener Linie werden die Kolonistenloose in einer Breite von 100 Braten, d. h. 2000 Decimetern abgesteckt, während die Tiefe der zugetheilten Flächen, welche gesetzlich 15—1600 Braten betragen soll, fürs Erste unvermessen bleibt. Der Flächeninhalt eines solchen Kvlonistenlooses beträgt hiernach un¬ gefähr 302 Magdeburger Morgen. Diese mangelhafte Vermessung hat, wie er¬ wähnt, in fast allen Ansiedelungen der Gegend von S. Leopolds viel Zwist und Verwirrung zur Folge gehabt, da immer ein Nachbar mit dem andern verschiedner Meinung über die beiderseitigen Grenzen war. Auch war die Güte des Landes begreiflicherweise nicht überall die gleiche, und doch forderte die Behörde von jedem Ansiedler den gleichen Geldbetrag. Etwas Regelung in diese unbehaglichen Verhältnisse kam erst, nachdem der preußische Gesandte v. Eichmann sowie der schweizerische Geschäftsträger Tschudi auf die Beschwerde» der Kolonisten hin sich zu Sachwaltern ihrer Landsleute gemacht und die Mißstände bei der Regierung in Rio de Janeiro zur Sprache gebracht hatten, die sich darauf entschloß, dadurch Abhilfe zu schaffen, daß sie das ganze Ge¬ biet der Kolonien von S. Leopoldo noch einmal vermessen ließ. Inedensengel'. Nach der Mittheilung eines österreichischen Blattes hat, wie wir erst jetzt erfahren, der „Czas", der bekanntlich das Organ der aristokratisch-ultramontanen Partei der Polen ist und durch seine Patrone, die Radziwills, die Czartoryskis u. A. mitunter recht gute Nachrichten über die Stimmung, die Absichten und die Vorgänge in Hofkreisen und sonst in den oberen Sphären der Gesellschaft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/320>, abgerufen am 19.05.2024.