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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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sich diese revolutionäre Thätigkeit, welche die staatlichen und gesellschaftlichen
Verhältnisse Frankreichs bedrohte, lange Zeit als Freundin der klassischen fran¬
zösischen Literatur und als deren Erbin. Mochte diese Literatur mit ihrem aristo¬
kratischen Charakter, der in die neue Zeit nicht recht mehr paßte, auch erstarrt,
ja lebensunfähig erscheinen, ernstlich angegriffen sah sie sich doch erst lange
nach der Revolution, und so blieb ihre Herrschaft noch erhalten, als schon die
meisten Schöpfungen der Tage Ludwig's des Vierzehnten umgestürzt waren.
Damit haben wir die Charakterzüge des Knlturbildes, welches der Verfasser
entwirft, im Allgemeinen angegeben. Eine Betrachtung der Einzelnheiten
desselben kann erst erfolgen, wenn das Ganze vorliegt. Für jetzt nur noch
die Bemerkung, daß das bis jetzt Gebotene -- Ueberblicke über die französische
Literatur unter den letzten Valois und unter Heinrich dem Vierten, Charakte¬
ristiken von Malherbe, Mathurin Regnier und Theodor Agrippa d'Aubigue,
d'Urfe', der Gesellschaft im Hotel Rambouillet sowie von Balzac und Voiture,
welche die französische Prosa ausbildeten -- ein gutes und lehrreiches Buch
verspricht.


Ursprung und erste Entwickelung der Kirche Christi in Vorträgen
über die Apostelgeschichte des Lukas von I)r. H. Andrea, Lie. der Theologie.
Frankfurt a. M. Verlag von Heyder und Zimmer. 1877.

Die "Grenzboten" sind kein Journal sür theologische Fragen und Leistungen.
Wir können uns daher mit keiner Beurtheilung dieser Vorträge befassen. Da
das Buch uns indeß einmal vorgelegt ist, so wollen wir wenigstens so viel sagen, daß
der Verfasser zu den gläubigen Theologen gehört, für welche die Tübinger
Schule mit ihren Untersuchungen nicht existirt, und daß ihm bei seinen Vor¬
trägen das Ziel vorschwebte, "die Apostelgeschichte in der Art zu behandeln,
daß für den nicht unbeträchtlichen Kreis derer, denen es nicht an Interesse für
diese Urkunde der kirchlichen Anfänge fehlt, denen aber rein wissenschaftliche
Werke nicht zugänglich und rein erbauliche vielleicht nicht sympathisch sind, ein
Hilfsmittel dargeboten werde, welches unter Vermeidung sowohl des gelehrten
als auch des Kanzeltones durch eine zusammenhängende, möglichst fließende
und anschauliche Darstellungsweise dazu geeignet wäre, angenehm in das Ver¬
ständniß des so überreichen Inhalts dieses biblischen Buches einführen zu
helfen." Wie der Verfasser dazu kommt, mit einer Darlegung seiner Ansichten
von der Frage der Stellung der christlichen Kirche zum Staate zu schließen,
haben wir vergeblich herauszufinden versucht. In dem Vorhergehenden ist
nichts, was dazu auffordern oder einen Anknüpfungspunkt bieten konnte.
Uebrigens ist seine Erklärung so gehalten, daß beide Parteien darin ihre Mei-


sich diese revolutionäre Thätigkeit, welche die staatlichen und gesellschaftlichen
Verhältnisse Frankreichs bedrohte, lange Zeit als Freundin der klassischen fran¬
zösischen Literatur und als deren Erbin. Mochte diese Literatur mit ihrem aristo¬
kratischen Charakter, der in die neue Zeit nicht recht mehr paßte, auch erstarrt,
ja lebensunfähig erscheinen, ernstlich angegriffen sah sie sich doch erst lange
nach der Revolution, und so blieb ihre Herrschaft noch erhalten, als schon die
meisten Schöpfungen der Tage Ludwig's des Vierzehnten umgestürzt waren.
Damit haben wir die Charakterzüge des Knlturbildes, welches der Verfasser
entwirft, im Allgemeinen angegeben. Eine Betrachtung der Einzelnheiten
desselben kann erst erfolgen, wenn das Ganze vorliegt. Für jetzt nur noch
die Bemerkung, daß das bis jetzt Gebotene — Ueberblicke über die französische
Literatur unter den letzten Valois und unter Heinrich dem Vierten, Charakte¬
ristiken von Malherbe, Mathurin Regnier und Theodor Agrippa d'Aubigue,
d'Urfe', der Gesellschaft im Hotel Rambouillet sowie von Balzac und Voiture,
welche die französische Prosa ausbildeten — ein gutes und lehrreiches Buch
verspricht.


Ursprung und erste Entwickelung der Kirche Christi in Vorträgen
über die Apostelgeschichte des Lukas von I)r. H. Andrea, Lie. der Theologie.
Frankfurt a. M. Verlag von Heyder und Zimmer. 1877.

Die „Grenzboten" sind kein Journal sür theologische Fragen und Leistungen.
Wir können uns daher mit keiner Beurtheilung dieser Vorträge befassen. Da
das Buch uns indeß einmal vorgelegt ist, so wollen wir wenigstens so viel sagen, daß
der Verfasser zu den gläubigen Theologen gehört, für welche die Tübinger
Schule mit ihren Untersuchungen nicht existirt, und daß ihm bei seinen Vor¬
trägen das Ziel vorschwebte, „die Apostelgeschichte in der Art zu behandeln,
daß für den nicht unbeträchtlichen Kreis derer, denen es nicht an Interesse für
diese Urkunde der kirchlichen Anfänge fehlt, denen aber rein wissenschaftliche
Werke nicht zugänglich und rein erbauliche vielleicht nicht sympathisch sind, ein
Hilfsmittel dargeboten werde, welches unter Vermeidung sowohl des gelehrten
als auch des Kanzeltones durch eine zusammenhängende, möglichst fließende
und anschauliche Darstellungsweise dazu geeignet wäre, angenehm in das Ver¬
ständniß des so überreichen Inhalts dieses biblischen Buches einführen zu
helfen." Wie der Verfasser dazu kommt, mit einer Darlegung seiner Ansichten
von der Frage der Stellung der christlichen Kirche zum Staate zu schließen,
haben wir vergeblich herauszufinden versucht. In dem Vorhergehenden ist
nichts, was dazu auffordern oder einen Anknüpfungspunkt bieten konnte.
Uebrigens ist seine Erklärung so gehalten, daß beide Parteien darin ihre Mei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/440>, abgerufen am 26.05.2024.