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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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La Kechtsljandet aus rechtloser Zeit.
Eine kulturhistorische Skizze/")

Die Fastnacht des Jahres 1501 traf einen Kreis hochangesehener Familien
Breslaus in banger Spannung und Sorge. Der Kaufherr Christoph Rind¬
fleisch war von dem Rath der Stadt für die Wahl zum Maunengericht auf
des Königs Hofe in Aussicht genommen. Alljährlich nämlich bald nach Fast¬
nacht erwählte der Landadel des Fürstenthums vier Rechtssitzer für dieses Ge¬
richt aus seiner Mitte und der Rath eben so viele aus der Zahl derjenigen
Bürger, die "Mannschaft im Fürstenthum", das heißt Dominialrechte an Land¬
gütern besaßen.

Herr Christoph Rindfleisch, damals schon ein angehender Fünfziger, hatte
bisher noch keines der Ehrenämter in der Stadt bekleidet und überhaupt noch
Niemand seines Namens hatte bis jetzt auf der Hofebank, so nannte man das
erwähnte Gericht gewöhnlich, noch ans der Schöffenbank und am Rathstische
gesessen, auffallend genug bei dem Ansehn, welches die Familie im Privatleben
genoß, zumal da schon der Vater, Herr Hans Rindfleisch, an Reichthum und
einflußreichen verwandtschaftlichen Verbindungen keine geringe Stellung unter
den Patriziern eingenommen hatte. Das Hans Rindfleisch am Ringe, an der
Ecke des Salzrings gelegen, war schon seit Jahrzehnten eins der bedeutendsten
Handelshäuser Breslaus. Der Herr wie seine Diener waren wohlbekannt in
England und in Polen, in Danzig und Venedig und seine Wagenzüge kamen
von Nürnberg und Leipzig und gingen über Warschau hinaus und über Ofen
bis an die Grenzen der Tartaren und Türken. Dabei hatte Herr Hans bereits
ansehnliche Gelder, die nicht mehr in der Kaufmannschaft "abenteuern" sollten,



Nach dem handschriftlichen Material des Stadtarchivs und der städtischen Bibliotheken
5U Breslau bearbeitet, efr. Klose "Bon Brcslnu" 1781, und "Lerixtorks rerum "ilosi-ro^rinn"
^1>> p, W--"4 wo Einzelnes gedruckt ist. --
Grenzboten IV. 1877. 16
La Kechtsljandet aus rechtloser Zeit.
Eine kulturhistorische Skizze/")

Die Fastnacht des Jahres 1501 traf einen Kreis hochangesehener Familien
Breslaus in banger Spannung und Sorge. Der Kaufherr Christoph Rind¬
fleisch war von dem Rath der Stadt für die Wahl zum Maunengericht auf
des Königs Hofe in Aussicht genommen. Alljährlich nämlich bald nach Fast¬
nacht erwählte der Landadel des Fürstenthums vier Rechtssitzer für dieses Ge¬
richt aus seiner Mitte und der Rath eben so viele aus der Zahl derjenigen
Bürger, die „Mannschaft im Fürstenthum", das heißt Dominialrechte an Land¬
gütern besaßen.

Herr Christoph Rindfleisch, damals schon ein angehender Fünfziger, hatte
bisher noch keines der Ehrenämter in der Stadt bekleidet und überhaupt noch
Niemand seines Namens hatte bis jetzt auf der Hofebank, so nannte man das
erwähnte Gericht gewöhnlich, noch ans der Schöffenbank und am Rathstische
gesessen, auffallend genug bei dem Ansehn, welches die Familie im Privatleben
genoß, zumal da schon der Vater, Herr Hans Rindfleisch, an Reichthum und
einflußreichen verwandtschaftlichen Verbindungen keine geringe Stellung unter
den Patriziern eingenommen hatte. Das Hans Rindfleisch am Ringe, an der
Ecke des Salzrings gelegen, war schon seit Jahrzehnten eins der bedeutendsten
Handelshäuser Breslaus. Der Herr wie seine Diener waren wohlbekannt in
England und in Polen, in Danzig und Venedig und seine Wagenzüge kamen
von Nürnberg und Leipzig und gingen über Warschau hinaus und über Ofen
bis an die Grenzen der Tartaren und Türken. Dabei hatte Herr Hans bereits
ansehnliche Gelder, die nicht mehr in der Kaufmannschaft „abenteuern" sollten,



Nach dem handschriftlichen Material des Stadtarchivs und der städtischen Bibliotheken
5U Breslau bearbeitet, efr. Klose „Bon Brcslnu" 1781, und „Lerixtorks rerum «ilosi-ro^rinn"
^1>> p, W—«4 wo Einzelnes gedruckt ist. —
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[0125] La Kechtsljandet aus rechtloser Zeit. Eine kulturhistorische Skizze/") Die Fastnacht des Jahres 1501 traf einen Kreis hochangesehener Familien Breslaus in banger Spannung und Sorge. Der Kaufherr Christoph Rind¬ fleisch war von dem Rath der Stadt für die Wahl zum Maunengericht auf des Königs Hofe in Aussicht genommen. Alljährlich nämlich bald nach Fast¬ nacht erwählte der Landadel des Fürstenthums vier Rechtssitzer für dieses Ge¬ richt aus seiner Mitte und der Rath eben so viele aus der Zahl derjenigen Bürger, die „Mannschaft im Fürstenthum", das heißt Dominialrechte an Land¬ gütern besaßen. Herr Christoph Rindfleisch, damals schon ein angehender Fünfziger, hatte bisher noch keines der Ehrenämter in der Stadt bekleidet und überhaupt noch Niemand seines Namens hatte bis jetzt auf der Hofebank, so nannte man das erwähnte Gericht gewöhnlich, noch ans der Schöffenbank und am Rathstische gesessen, auffallend genug bei dem Ansehn, welches die Familie im Privatleben genoß, zumal da schon der Vater, Herr Hans Rindfleisch, an Reichthum und einflußreichen verwandtschaftlichen Verbindungen keine geringe Stellung unter den Patriziern eingenommen hatte. Das Hans Rindfleisch am Ringe, an der Ecke des Salzrings gelegen, war schon seit Jahrzehnten eins der bedeutendsten Handelshäuser Breslaus. Der Herr wie seine Diener waren wohlbekannt in England und in Polen, in Danzig und Venedig und seine Wagenzüge kamen von Nürnberg und Leipzig und gingen über Warschau hinaus und über Ofen bis an die Grenzen der Tartaren und Türken. Dabei hatte Herr Hans bereits ansehnliche Gelder, die nicht mehr in der Kaufmannschaft „abenteuern" sollten, Nach dem handschriftlichen Material des Stadtarchivs und der städtischen Bibliotheken 5U Breslau bearbeitet, efr. Klose „Bon Brcslnu" 1781, und „Lerixtorks rerum «ilosi-ro^rinn" ^1>> p, W—«4 wo Einzelnes gedruckt ist. — Grenzboten IV. 1877. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/125>, abgerufen am 05.05.2024.