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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Auch ein renitenter Bischof.
Von W. Passauer.

Durch den ewigen Frieden zu Thorn vom neunzehnten Oktober 1460,
der unter Erschöpfung beider Parteien dem dreizehnjährigen Kampfe zwischen
deutschen Ordensherrn und Polen ein faules Ende bereitet, war das
^ut westlich der Weichsel und Nogat, das Kulmerland, Marienburg, Elbing
Und das Bisthum Ermeland an Polen gefallen. Den östlichen übrigen Theil
des Landes mit der Residenz zu Königsberg und dem Bisthum Samland
empfing der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen als polnisches Lehen. Der
Hochmeister überlebte die Schmach und Schande seines Ordens nur kurze
Zeit, und als er im Jahre 1467 starb, "erschrak der Orden gar sehr." Der
langjährige, zum größten Theile mit Söldnerhaufen geführte Krieg hatte das
Land verwüstet, entvölkert und verödet und den blühenden Wohlstand einzelner
Theile auf lange Zeit vernichtet. Die Disziplin des Ordens war gelockert,
s"n Ansehn nach Außen aufs Tiefste gesunken. Der König von Polen,
mißtrauisch jede selbständige Regung des Lehnsstaates bewachend, war im
Oheimen darauf bedacht, den Rest des Ordenlandes seinem Szepter zu unter¬
werfen. Da mochte unter den damaligen Ordensgebietigern Niemand nach
einem Amte lüstern sein, das statt Ehre und Ausehn, Reichthum und Einfluß,
Schmach und Hohn, Demüthigung, Armuth und Entwürdigung verhieß. Der
Comthur vou Preuß. Holland, Heinrich Reuß von Planen, ein Mann ohne gelehrte
Bildung zwar, aber von Energie, Entschlossenheit und Erfahrung, übernahm
ihm zunächst übertragene Würde eines Statthalters und ward später am
^nfzehnten Oktober 1469 von dem Ordens-Kapitel zu Königsberg einstimmig
sum Hochmeister erwählt. Seine Thätigkeit war zufolge der traurigen Lage
des Ordens eine dreifältige und zwar darauf hingewiesen, die innere Lage des


Grenzboten IV. 1S77.
Auch ein renitenter Bischof.
Von W. Passauer.

Durch den ewigen Frieden zu Thorn vom neunzehnten Oktober 1460,
der unter Erschöpfung beider Parteien dem dreizehnjährigen Kampfe zwischen
deutschen Ordensherrn und Polen ein faules Ende bereitet, war das
^ut westlich der Weichsel und Nogat, das Kulmerland, Marienburg, Elbing
Und das Bisthum Ermeland an Polen gefallen. Den östlichen übrigen Theil
des Landes mit der Residenz zu Königsberg und dem Bisthum Samland
empfing der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen als polnisches Lehen. Der
Hochmeister überlebte die Schmach und Schande seines Ordens nur kurze
Zeit, und als er im Jahre 1467 starb, „erschrak der Orden gar sehr." Der
langjährige, zum größten Theile mit Söldnerhaufen geführte Krieg hatte das
Land verwüstet, entvölkert und verödet und den blühenden Wohlstand einzelner
Theile auf lange Zeit vernichtet. Die Disziplin des Ordens war gelockert,
s«n Ansehn nach Außen aufs Tiefste gesunken. Der König von Polen,
mißtrauisch jede selbständige Regung des Lehnsstaates bewachend, war im
Oheimen darauf bedacht, den Rest des Ordenlandes seinem Szepter zu unter¬
werfen. Da mochte unter den damaligen Ordensgebietigern Niemand nach
einem Amte lüstern sein, das statt Ehre und Ausehn, Reichthum und Einfluß,
Schmach und Hohn, Demüthigung, Armuth und Entwürdigung verhieß. Der
Comthur vou Preuß. Holland, Heinrich Reuß von Planen, ein Mann ohne gelehrte
Bildung zwar, aber von Energie, Entschlossenheit und Erfahrung, übernahm
ihm zunächst übertragene Würde eines Statthalters und ward später am
^nfzehnten Oktober 1469 von dem Ordens-Kapitel zu Königsberg einstimmig
sum Hochmeister erwählt. Seine Thätigkeit war zufolge der traurigen Lage
des Ordens eine dreifältige und zwar darauf hingewiesen, die innere Lage des


Grenzboten IV. 1S77.
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[0165] Auch ein renitenter Bischof. Von W. Passauer. Durch den ewigen Frieden zu Thorn vom neunzehnten Oktober 1460, der unter Erschöpfung beider Parteien dem dreizehnjährigen Kampfe zwischen deutschen Ordensherrn und Polen ein faules Ende bereitet, war das ^ut westlich der Weichsel und Nogat, das Kulmerland, Marienburg, Elbing Und das Bisthum Ermeland an Polen gefallen. Den östlichen übrigen Theil des Landes mit der Residenz zu Königsberg und dem Bisthum Samland empfing der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen als polnisches Lehen. Der Hochmeister überlebte die Schmach und Schande seines Ordens nur kurze Zeit, und als er im Jahre 1467 starb, „erschrak der Orden gar sehr." Der langjährige, zum größten Theile mit Söldnerhaufen geführte Krieg hatte das Land verwüstet, entvölkert und verödet und den blühenden Wohlstand einzelner Theile auf lange Zeit vernichtet. Die Disziplin des Ordens war gelockert, s«n Ansehn nach Außen aufs Tiefste gesunken. Der König von Polen, mißtrauisch jede selbständige Regung des Lehnsstaates bewachend, war im Oheimen darauf bedacht, den Rest des Ordenlandes seinem Szepter zu unter¬ werfen. Da mochte unter den damaligen Ordensgebietigern Niemand nach einem Amte lüstern sein, das statt Ehre und Ausehn, Reichthum und Einfluß, Schmach und Hohn, Demüthigung, Armuth und Entwürdigung verhieß. Der Comthur vou Preuß. Holland, Heinrich Reuß von Planen, ein Mann ohne gelehrte Bildung zwar, aber von Energie, Entschlossenheit und Erfahrung, übernahm ihm zunächst übertragene Würde eines Statthalters und ward später am ^nfzehnten Oktober 1469 von dem Ordens-Kapitel zu Königsberg einstimmig sum Hochmeister erwählt. Seine Thätigkeit war zufolge der traurigen Lage des Ordens eine dreifältige und zwar darauf hingewiesen, die innere Lage des Grenzboten IV. 1S77.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/165>, abgerufen am 05.05.2024.