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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Prndeuee Palfrey wuchsen die Helden, namentlich Prndenee, stetig vor unsern
Augen. Ruth Denham imponirt lediglich durch ihre Schönheit und allenfalls
dnrch ihre vier Sprachen. Auch Lynde sinkt mehr und mehr zusammen. Seine
letzte große Kraftanstrengung ist eine Reise von Genf nach Paris und von da
zurück, fast ohne Aufenthalt, unter Verschmähung eines Pariser Frühstücks,
lediglich zu dem Zwecke, um Onkel Denham und Doktor Peudegrast dort zu
holen. Große Schönheiten in der Nüaneirnng der Charaktere, namentlich
aber in der Schilderung der Gebirgslandschaft, die Aldrich 1875 selbst bereist
hat, sollen dabei vollkommen anerkannt werden. Sie ändern jedoch das Gesammt¬
urtheil uicht. Auch das erscheint uns unnatürlich, daß der Dichter seine Ge¬
schichte erzählt, wo kaum die Druckerschwärze der Vermählungsanzeige seines
Paares trocken geworden sein kann.

Weit befriedigender als diese erste Erzählung des vorliegenden Bandes
erscheinen uns die beiden letzten Stücke: "Eine Mitternachtsphantasie" und "der
kleine Geiger." Die wenigen Blätter, welche den zuletzt genannten Titel
tragen, sind die ergreifendste Strafpredigt gegen Kinderarbeit und Wunderkinder-
macherei insbesondere, die sich überhaupt denken läßt, getragen von einer Tiefe
der Empfindung und des Gemüthes, die der Deutsche einem Amerikaner kaum
zutrauen möchte. Die "Mitteruachtsphautasie" dagegen ist ein Erzeugniß der
übermüthigsten, glücklichsten Laune, vielleicht zugleich eine treffende Satire auf
jene unverbesserlichen Philister, welche an die größten Schöpfungen des Genius
die hausbackene Moral und Anschauung ihrer Gemeinplätze legen. Aldrich
weißt nach, wie viel glücklicher Hamlet an der Seite Julia's und Romeo als
Gatte Ophelia's geworden wäre und führt uns diese angenehmen und vernünftigen
Verbindungen leibhaftig vor. So ist aller Mord und Todschlag erspart und
Alles löst sich in allgemeines Wohlgefallen auf.

Der Leser wird dem Buche, trotz aller Schwächen der Haupterzähluug,
eine reiche Fülle von Erheiterung und Unterhaltung verdanken.




Dom preußischen Fandtage.

Bis jetzt ist die Signatur der Session eine außergewöhnlich große Un¬
fruchtbarkeit. Das Arbeitsmaterial war schon in der Thronrede sehr knapp
beimessen; selbst von den damals angekündigten Vorlagen sind aber die wichtig-


Prndeuee Palfrey wuchsen die Helden, namentlich Prndenee, stetig vor unsern
Augen. Ruth Denham imponirt lediglich durch ihre Schönheit und allenfalls
dnrch ihre vier Sprachen. Auch Lynde sinkt mehr und mehr zusammen. Seine
letzte große Kraftanstrengung ist eine Reise von Genf nach Paris und von da
zurück, fast ohne Aufenthalt, unter Verschmähung eines Pariser Frühstücks,
lediglich zu dem Zwecke, um Onkel Denham und Doktor Peudegrast dort zu
holen. Große Schönheiten in der Nüaneirnng der Charaktere, namentlich
aber in der Schilderung der Gebirgslandschaft, die Aldrich 1875 selbst bereist
hat, sollen dabei vollkommen anerkannt werden. Sie ändern jedoch das Gesammt¬
urtheil uicht. Auch das erscheint uns unnatürlich, daß der Dichter seine Ge¬
schichte erzählt, wo kaum die Druckerschwärze der Vermählungsanzeige seines
Paares trocken geworden sein kann.

Weit befriedigender als diese erste Erzählung des vorliegenden Bandes
erscheinen uns die beiden letzten Stücke: „Eine Mitternachtsphantasie" und „der
kleine Geiger." Die wenigen Blätter, welche den zuletzt genannten Titel
tragen, sind die ergreifendste Strafpredigt gegen Kinderarbeit und Wunderkinder-
macherei insbesondere, die sich überhaupt denken läßt, getragen von einer Tiefe
der Empfindung und des Gemüthes, die der Deutsche einem Amerikaner kaum
zutrauen möchte. Die „Mitteruachtsphautasie" dagegen ist ein Erzeugniß der
übermüthigsten, glücklichsten Laune, vielleicht zugleich eine treffende Satire auf
jene unverbesserlichen Philister, welche an die größten Schöpfungen des Genius
die hausbackene Moral und Anschauung ihrer Gemeinplätze legen. Aldrich
weißt nach, wie viel glücklicher Hamlet an der Seite Julia's und Romeo als
Gatte Ophelia's geworden wäre und führt uns diese angenehmen und vernünftigen
Verbindungen leibhaftig vor. So ist aller Mord und Todschlag erspart und
Alles löst sich in allgemeines Wohlgefallen auf.

Der Leser wird dem Buche, trotz aller Schwächen der Haupterzähluug,
eine reiche Fülle von Erheiterung und Unterhaltung verdanken.




Dom preußischen Fandtage.

Bis jetzt ist die Signatur der Session eine außergewöhnlich große Un¬
fruchtbarkeit. Das Arbeitsmaterial war schon in der Thronrede sehr knapp
beimessen; selbst von den damals angekündigten Vorlagen sind aber die wichtig-


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[0352] Prndeuee Palfrey wuchsen die Helden, namentlich Prndenee, stetig vor unsern Augen. Ruth Denham imponirt lediglich durch ihre Schönheit und allenfalls dnrch ihre vier Sprachen. Auch Lynde sinkt mehr und mehr zusammen. Seine letzte große Kraftanstrengung ist eine Reise von Genf nach Paris und von da zurück, fast ohne Aufenthalt, unter Verschmähung eines Pariser Frühstücks, lediglich zu dem Zwecke, um Onkel Denham und Doktor Peudegrast dort zu holen. Große Schönheiten in der Nüaneirnng der Charaktere, namentlich aber in der Schilderung der Gebirgslandschaft, die Aldrich 1875 selbst bereist hat, sollen dabei vollkommen anerkannt werden. Sie ändern jedoch das Gesammt¬ urtheil uicht. Auch das erscheint uns unnatürlich, daß der Dichter seine Ge¬ schichte erzählt, wo kaum die Druckerschwärze der Vermählungsanzeige seines Paares trocken geworden sein kann. Weit befriedigender als diese erste Erzählung des vorliegenden Bandes erscheinen uns die beiden letzten Stücke: „Eine Mitternachtsphantasie" und „der kleine Geiger." Die wenigen Blätter, welche den zuletzt genannten Titel tragen, sind die ergreifendste Strafpredigt gegen Kinderarbeit und Wunderkinder- macherei insbesondere, die sich überhaupt denken läßt, getragen von einer Tiefe der Empfindung und des Gemüthes, die der Deutsche einem Amerikaner kaum zutrauen möchte. Die „Mitteruachtsphautasie" dagegen ist ein Erzeugniß der übermüthigsten, glücklichsten Laune, vielleicht zugleich eine treffende Satire auf jene unverbesserlichen Philister, welche an die größten Schöpfungen des Genius die hausbackene Moral und Anschauung ihrer Gemeinplätze legen. Aldrich weißt nach, wie viel glücklicher Hamlet an der Seite Julia's und Romeo als Gatte Ophelia's geworden wäre und führt uns diese angenehmen und vernünftigen Verbindungen leibhaftig vor. So ist aller Mord und Todschlag erspart und Alles löst sich in allgemeines Wohlgefallen auf. Der Leser wird dem Buche, trotz aller Schwächen der Haupterzähluug, eine reiche Fülle von Erheiterung und Unterhaltung verdanken. Dom preußischen Fandtage. Bis jetzt ist die Signatur der Session eine außergewöhnlich große Un¬ fruchtbarkeit. Das Arbeitsmaterial war schon in der Thronrede sehr knapp beimessen; selbst von den damals angekündigten Vorlagen sind aber die wichtig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/352>, abgerufen am 05.05.2024.