Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ale pariser Kommune bei der Vertheidigung von Mris.

Als die Regierung vom 4. September 1370 in Paris sich konstituirte, stand
ihr Alles zu Gebote: Material an Menschen, an Waffen, die Hülfsmittel der
großen Stadt und ihrer weiteren Umgebung, der beste Wille ihrer Mitglieder,
- nur keine Autorität! Anfangs allerdings fühlte die Regierung diesen Maugel
kaum, denn die große Masse der ehrenwerthen pariser Bürgerschaft gehorchte
blindlings. Außer den hergebrachten gesetzlichen Autoritäten der Stadtverwaltung,
die meist in Funktion blieben, wenn auch die Personen wechselten, traten zahllose
Befehlshaber auf, deren Stellen der Krieg schuf. Alle befahlen, und der
Bürger, seit langem an die straffste behördliche Ordnung gewöhnt, gehorchte.
Die finsteren Elemente, die auf dem Grunde dieses gewaltigen Menschenoceans
ihr Wesen trieben, hielten sich in der Tiefe. Ihre Zeit war noch nicht gekommen.
Zunächst handelte es sich also daran, eine zahlreiche, vom besten Willen beseelte
Bevölkerung so zu organisiren, daß die ihr innewohnende, latente, nicht geringe
Kraft, wirklich zur Rettung der bedrohten Hauptstadt und damit indirekt zur
Rettung des Vaterlandes verwendbar wurde. Dazu mußte aber diese Bevölkerung
den Demagogen und Tribünenhelden entzogen werdeu, von denen sie jetzt schon
das Losungswort empfing. Schon einmal zeigt die Geschichte Frankreichs
denselben ominösen Vorgang. Als am 31. Mai 1791 der Kampf zwischen
der Gironde und dem Berge entbrannte, stellte der Deputirte Barrere den
Staatsklugen Antrag, den gefährlichen und radikal gesinnten Theil der National¬
garten an die vom Feind bedrohten Grenzen zu senden. Robespierre erkannte
schnell genug die Absicht, und entgegnete mit brutaler Offenheit: "Die pariser
Patrioten haben Wichtigeres zu thun. Sie sollen hier die Burg der Freiheit
schützen, und die wahren und unverdächtigen Republikaner vor feindlichen
Fallstricken schirmen." Wieder und wieder erklang dies Thema im Jahre
1870 in den Klubs, den Volksversammlungen, den Weinhäusern des belagerten
Paris. Hier hätte die energische Hand eines der französischen Generale die


Grenzboten IV. 1377.
Ale pariser Kommune bei der Vertheidigung von Mris.

Als die Regierung vom 4. September 1370 in Paris sich konstituirte, stand
ihr Alles zu Gebote: Material an Menschen, an Waffen, die Hülfsmittel der
großen Stadt und ihrer weiteren Umgebung, der beste Wille ihrer Mitglieder,
- nur keine Autorität! Anfangs allerdings fühlte die Regierung diesen Maugel
kaum, denn die große Masse der ehrenwerthen pariser Bürgerschaft gehorchte
blindlings. Außer den hergebrachten gesetzlichen Autoritäten der Stadtverwaltung,
die meist in Funktion blieben, wenn auch die Personen wechselten, traten zahllose
Befehlshaber auf, deren Stellen der Krieg schuf. Alle befahlen, und der
Bürger, seit langem an die straffste behördliche Ordnung gewöhnt, gehorchte.
Die finsteren Elemente, die auf dem Grunde dieses gewaltigen Menschenoceans
ihr Wesen trieben, hielten sich in der Tiefe. Ihre Zeit war noch nicht gekommen.
Zunächst handelte es sich also daran, eine zahlreiche, vom besten Willen beseelte
Bevölkerung so zu organisiren, daß die ihr innewohnende, latente, nicht geringe
Kraft, wirklich zur Rettung der bedrohten Hauptstadt und damit indirekt zur
Rettung des Vaterlandes verwendbar wurde. Dazu mußte aber diese Bevölkerung
den Demagogen und Tribünenhelden entzogen werdeu, von denen sie jetzt schon
das Losungswort empfing. Schon einmal zeigt die Geschichte Frankreichs
denselben ominösen Vorgang. Als am 31. Mai 1791 der Kampf zwischen
der Gironde und dem Berge entbrannte, stellte der Deputirte Barrere den
Staatsklugen Antrag, den gefährlichen und radikal gesinnten Theil der National¬
garten an die vom Feind bedrohten Grenzen zu senden. Robespierre erkannte
schnell genug die Absicht, und entgegnete mit brutaler Offenheit: „Die pariser
Patrioten haben Wichtigeres zu thun. Sie sollen hier die Burg der Freiheit
schützen, und die wahren und unverdächtigen Republikaner vor feindlichen
Fallstricken schirmen." Wieder und wieder erklang dies Thema im Jahre
1870 in den Klubs, den Volksversammlungen, den Weinhäusern des belagerten
Paris. Hier hätte die energische Hand eines der französischen Generale die


Grenzboten IV. 1377.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138844"/>
        <div n="1">
          <head> Ale pariser Kommune bei der Vertheidigung von Mris.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_228" next="#ID_229"> Als die Regierung vom 4. September 1370 in Paris sich konstituirte, stand<lb/>
ihr Alles zu Gebote: Material an Menschen, an Waffen, die Hülfsmittel der<lb/>
großen Stadt und ihrer weiteren Umgebung, der beste Wille ihrer Mitglieder,<lb/>
- nur keine Autorität! Anfangs allerdings fühlte die Regierung diesen Maugel<lb/>
kaum, denn die große Masse der ehrenwerthen pariser Bürgerschaft gehorchte<lb/>
blindlings. Außer den hergebrachten gesetzlichen Autoritäten der Stadtverwaltung,<lb/>
die meist in Funktion blieben, wenn auch die Personen wechselten, traten zahllose<lb/>
Befehlshaber auf, deren Stellen der Krieg schuf. Alle befahlen, und der<lb/>
Bürger, seit langem an die straffste behördliche Ordnung gewöhnt, gehorchte.<lb/>
Die finsteren Elemente, die auf dem Grunde dieses gewaltigen Menschenoceans<lb/>
ihr Wesen trieben, hielten sich in der Tiefe. Ihre Zeit war noch nicht gekommen.<lb/>
Zunächst handelte es sich also daran, eine zahlreiche, vom besten Willen beseelte<lb/>
Bevölkerung so zu organisiren, daß die ihr innewohnende, latente, nicht geringe<lb/>
Kraft, wirklich zur Rettung der bedrohten Hauptstadt und damit indirekt zur<lb/>
Rettung des Vaterlandes verwendbar wurde. Dazu mußte aber diese Bevölkerung<lb/>
den Demagogen und Tribünenhelden entzogen werdeu, von denen sie jetzt schon<lb/>
das Losungswort empfing. Schon einmal zeigt die Geschichte Frankreichs<lb/>
denselben ominösen Vorgang. Als am 31. Mai 1791 der Kampf zwischen<lb/>
der Gironde und dem Berge entbrannte, stellte der Deputirte Barrere den<lb/>
Staatsklugen Antrag, den gefährlichen und radikal gesinnten Theil der National¬<lb/>
garten an die vom Feind bedrohten Grenzen zu senden. Robespierre erkannte<lb/>
schnell genug die Absicht, und entgegnete mit brutaler Offenheit: &#x201E;Die pariser<lb/>
Patrioten haben Wichtigeres zu thun. Sie sollen hier die Burg der Freiheit<lb/>
schützen, und die wahren und unverdächtigen Republikaner vor feindlichen<lb/>
Fallstricken schirmen." Wieder und wieder erklang dies Thema im Jahre<lb/>
1870 in den Klubs, den Volksversammlungen, den Weinhäusern des belagerten<lb/>
Paris. Hier hätte die energische Hand eines der französischen Generale die</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1377.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0085] Ale pariser Kommune bei der Vertheidigung von Mris. Als die Regierung vom 4. September 1370 in Paris sich konstituirte, stand ihr Alles zu Gebote: Material an Menschen, an Waffen, die Hülfsmittel der großen Stadt und ihrer weiteren Umgebung, der beste Wille ihrer Mitglieder, - nur keine Autorität! Anfangs allerdings fühlte die Regierung diesen Maugel kaum, denn die große Masse der ehrenwerthen pariser Bürgerschaft gehorchte blindlings. Außer den hergebrachten gesetzlichen Autoritäten der Stadtverwaltung, die meist in Funktion blieben, wenn auch die Personen wechselten, traten zahllose Befehlshaber auf, deren Stellen der Krieg schuf. Alle befahlen, und der Bürger, seit langem an die straffste behördliche Ordnung gewöhnt, gehorchte. Die finsteren Elemente, die auf dem Grunde dieses gewaltigen Menschenoceans ihr Wesen trieben, hielten sich in der Tiefe. Ihre Zeit war noch nicht gekommen. Zunächst handelte es sich also daran, eine zahlreiche, vom besten Willen beseelte Bevölkerung so zu organisiren, daß die ihr innewohnende, latente, nicht geringe Kraft, wirklich zur Rettung der bedrohten Hauptstadt und damit indirekt zur Rettung des Vaterlandes verwendbar wurde. Dazu mußte aber diese Bevölkerung den Demagogen und Tribünenhelden entzogen werdeu, von denen sie jetzt schon das Losungswort empfing. Schon einmal zeigt die Geschichte Frankreichs denselben ominösen Vorgang. Als am 31. Mai 1791 der Kampf zwischen der Gironde und dem Berge entbrannte, stellte der Deputirte Barrere den Staatsklugen Antrag, den gefährlichen und radikal gesinnten Theil der National¬ garten an die vom Feind bedrohten Grenzen zu senden. Robespierre erkannte schnell genug die Absicht, und entgegnete mit brutaler Offenheit: „Die pariser Patrioten haben Wichtigeres zu thun. Sie sollen hier die Burg der Freiheit schützen, und die wahren und unverdächtigen Republikaner vor feindlichen Fallstricken schirmen." Wieder und wieder erklang dies Thema im Jahre 1870 in den Klubs, den Volksversammlungen, den Weinhäusern des belagerten Paris. Hier hätte die energische Hand eines der französischen Generale die Grenzboten IV. 1377.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/85
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/85>, abgerufen am 05.05.2024.