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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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ihm Sterbegesünge und Leichenlieder zu bestellen. Bei Begräbnissen der Dom-
gemeinde folgte die Schule, Lehrer und Schüler. Die Prozession hatte die
Haberberger Kirche, die Leichenkapelle des Doms, zum Ziel. So war Dach
längere Zeit bei allen Leichenbegängnissen der Domgemeinde betheiligt gewesen.
Was lag näher als bei ihm auch die Gesänge zu bestellen. Man ging
auch wohl gleich zu Albert oder Stobäus, um eine Komposition zum
Dach'schen Text zu erbitten. Auf besondern Blättern wurde sowohl das Lied
als auch die Musik gedruckt. So hat denn Dach eine Unzahl Sterblicher be¬
sungen, gepriesen und gerühmt, die er in seinem Leben nie gesehen hatte und
von deren Leben er nichts wußte und viele Reimereien ohne allen Werth ver¬
faßt. Nicht gern, sondern mit Seufzen. Er klagt, welche Last diese Art von
Poesie ihm sei. Noch in seiner letzten Krankheit hat er sich Vorwürfe darüber
gemacht, daß er so Vieler Lob gesungen habe, ohne ein Recht dazu zu besitzen.
Doch entschuldigte er sich damit, daß man ihm falsche Zettel in das Hans ge¬
bracht habe. So ist ein großer Theil der Dach'schen Sterbelieder nicht aus
innerer Stimmung entstanden, sondern durch bitterste Prosa ihm abgerungen.

Nach dem Tode Robertins und anderer Mitglieder des poetischen Kreises
scheint der Rest sich um den churfürstlichen Rath Rütger zum Bergen, einen
poetisch begabten und vielseitig gebildeten Mann gesammelt zu haben.

Man wird uns verzeihen, daß wir den poetischen und musikalischen Bestrebun¬
gen, die während jener Zeit in Königsberg Boden gewonnen hatten, einen so großen
Raum gegeben haben. Die Kulturarbeit, die den andern Gebieten gewidmet
war, ist vou den späteren Generationen weiter geführt und zu höherer Voll-
kommenheit entwickelt worden, eine preußische Ton- und Dichterschule aber, deren
Mittelpunkt Königsberg war, gab es nur in der Zeit des dreißigjährigen
Krieges.




Weger und Aegeröarone in Südcarolina.
i.

Ueber dieses Thema berichtet im "Atlantic Monthly" ein Südcarolinier
so viel Neues und Interessantes, daß wir den Artikel einer Uebersetzung für
d. Bl. werth halten, bei der nur einiges Nebensächliche übergangen wird.
Südcarolina, bis zum großen Bürgerkriege, der ausgeprägteste Typus eines
amerikanischen Sklavenstaats und trotz seiner Kleinheit von größter Bedeutung
für die Politik des Südens der Union, wurde von 1669 an unter der Regierung


ihm Sterbegesünge und Leichenlieder zu bestellen. Bei Begräbnissen der Dom-
gemeinde folgte die Schule, Lehrer und Schüler. Die Prozession hatte die
Haberberger Kirche, die Leichenkapelle des Doms, zum Ziel. So war Dach
längere Zeit bei allen Leichenbegängnissen der Domgemeinde betheiligt gewesen.
Was lag näher als bei ihm auch die Gesänge zu bestellen. Man ging
auch wohl gleich zu Albert oder Stobäus, um eine Komposition zum
Dach'schen Text zu erbitten. Auf besondern Blättern wurde sowohl das Lied
als auch die Musik gedruckt. So hat denn Dach eine Unzahl Sterblicher be¬
sungen, gepriesen und gerühmt, die er in seinem Leben nie gesehen hatte und
von deren Leben er nichts wußte und viele Reimereien ohne allen Werth ver¬
faßt. Nicht gern, sondern mit Seufzen. Er klagt, welche Last diese Art von
Poesie ihm sei. Noch in seiner letzten Krankheit hat er sich Vorwürfe darüber
gemacht, daß er so Vieler Lob gesungen habe, ohne ein Recht dazu zu besitzen.
Doch entschuldigte er sich damit, daß man ihm falsche Zettel in das Hans ge¬
bracht habe. So ist ein großer Theil der Dach'schen Sterbelieder nicht aus
innerer Stimmung entstanden, sondern durch bitterste Prosa ihm abgerungen.

Nach dem Tode Robertins und anderer Mitglieder des poetischen Kreises
scheint der Rest sich um den churfürstlichen Rath Rütger zum Bergen, einen
poetisch begabten und vielseitig gebildeten Mann gesammelt zu haben.

Man wird uns verzeihen, daß wir den poetischen und musikalischen Bestrebun¬
gen, die während jener Zeit in Königsberg Boden gewonnen hatten, einen so großen
Raum gegeben haben. Die Kulturarbeit, die den andern Gebieten gewidmet
war, ist vou den späteren Generationen weiter geführt und zu höherer Voll-
kommenheit entwickelt worden, eine preußische Ton- und Dichterschule aber, deren
Mittelpunkt Königsberg war, gab es nur in der Zeit des dreißigjährigen
Krieges.




Weger und Aegeröarone in Südcarolina.
i.

Ueber dieses Thema berichtet im „Atlantic Monthly" ein Südcarolinier
so viel Neues und Interessantes, daß wir den Artikel einer Uebersetzung für
d. Bl. werth halten, bei der nur einiges Nebensächliche übergangen wird.
Südcarolina, bis zum großen Bürgerkriege, der ausgeprägteste Typus eines
amerikanischen Sklavenstaats und trotz seiner Kleinheit von größter Bedeutung
für die Politik des Südens der Union, wurde von 1669 an unter der Regierung


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[0147] ihm Sterbegesünge und Leichenlieder zu bestellen. Bei Begräbnissen der Dom- gemeinde folgte die Schule, Lehrer und Schüler. Die Prozession hatte die Haberberger Kirche, die Leichenkapelle des Doms, zum Ziel. So war Dach längere Zeit bei allen Leichenbegängnissen der Domgemeinde betheiligt gewesen. Was lag näher als bei ihm auch die Gesänge zu bestellen. Man ging auch wohl gleich zu Albert oder Stobäus, um eine Komposition zum Dach'schen Text zu erbitten. Auf besondern Blättern wurde sowohl das Lied als auch die Musik gedruckt. So hat denn Dach eine Unzahl Sterblicher be¬ sungen, gepriesen und gerühmt, die er in seinem Leben nie gesehen hatte und von deren Leben er nichts wußte und viele Reimereien ohne allen Werth ver¬ faßt. Nicht gern, sondern mit Seufzen. Er klagt, welche Last diese Art von Poesie ihm sei. Noch in seiner letzten Krankheit hat er sich Vorwürfe darüber gemacht, daß er so Vieler Lob gesungen habe, ohne ein Recht dazu zu besitzen. Doch entschuldigte er sich damit, daß man ihm falsche Zettel in das Hans ge¬ bracht habe. So ist ein großer Theil der Dach'schen Sterbelieder nicht aus innerer Stimmung entstanden, sondern durch bitterste Prosa ihm abgerungen. Nach dem Tode Robertins und anderer Mitglieder des poetischen Kreises scheint der Rest sich um den churfürstlichen Rath Rütger zum Bergen, einen poetisch begabten und vielseitig gebildeten Mann gesammelt zu haben. Man wird uns verzeihen, daß wir den poetischen und musikalischen Bestrebun¬ gen, die während jener Zeit in Königsberg Boden gewonnen hatten, einen so großen Raum gegeben haben. Die Kulturarbeit, die den andern Gebieten gewidmet war, ist vou den späteren Generationen weiter geführt und zu höherer Voll- kommenheit entwickelt worden, eine preußische Ton- und Dichterschule aber, deren Mittelpunkt Königsberg war, gab es nur in der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Weger und Aegeröarone in Südcarolina. i. Ueber dieses Thema berichtet im „Atlantic Monthly" ein Südcarolinier so viel Neues und Interessantes, daß wir den Artikel einer Uebersetzung für d. Bl. werth halten, bei der nur einiges Nebensächliche übergangen wird. Südcarolina, bis zum großen Bürgerkriege, der ausgeprägteste Typus eines amerikanischen Sklavenstaats und trotz seiner Kleinheit von größter Bedeutung für die Politik des Südens der Union, wurde von 1669 an unter der Regierung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/147>, abgerufen am 02.05.2024.