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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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"lehr zu andächtiger Verehrung als zu ausgiebigen Genüsse des Mustergebrün's
versammelt; denn ein kräftiger Schluck kommt etwa auf einen halben Franken
zu stehen. Um fünf Uhr Morgens ist es schon recht lebendig im Hotel, um
sechs Uhr werden nicht Viele mehr schlafe". Draußen auf dem Hofe harrt
eine Anzahl tüchtiger Bergführer in malerischer Tracht des Tagesverdienstes.

So geht es da oben zu in den wenigen Sommermonaten. Im Herbst
aber, wenn die Sonne nur einige Stunden über den hohen Bergwänden herauf¬
kommt und der Fremdenstrom versiecht, schließt die Wirthin das Haus zu und
wandert thalab. Dann haust ein einziger Wächter hier oben. Bis an die
obersten Fenster des Speisesaales im ersten Stock thiirmt sich der Schnee, den
einsamen Menschen bis 'tief in's Frühjahr hinein belagernd; nur selten wagt
sich der Mann auf Schneeschuhen thalwärts, um nach Wochen einmal wieder
Menschen zu sehen. Ein Föhn kann ihm bei der Tiefe des Schnee's und der
furchtbaren Gewalt der zu Thal stürzenden Lawinen auf der Hin- oder Rück-
wanderung die größten Gefahren bringen. Mit Bereitung des täglichen Lebens¬
bedarfes verbringt der Einsame die fast sonnenlosen Tage, nur in Gesellschaft
Zahlreicher wilder Alpenthiere aller Arten, die der Hunger in die Nähe der
Menschlichen Wohnstätte treibt. Mancher leichtsinnige Alpenhase muß da unter
dem Blei der Büchse und mauches biedere Steinhuhn in unwirthlichen Schlingen
verenden, um etwas Abwechslung in das zur Winterszeit sehr eintönige Menü
d H. B. es Alpenklubhotels zu bringen.




Are Lisenöahnunruhen in der nordamerikanischen
Union.

Der unheimliche Aufruhr, welcher in der zweiten Hälfte des Juli d. I.
weit hiu über die nordamerikanische Union seine Schatten warf und an einzelnen
Orten zu den blutigsten Scenen geführt hat, begann mit einem unbedeutenden
Stricke vou Eisenbahnarbeitern, nahm aber eine so rapide Ausbreitung an und
ließ einen so trotzig gewaltthätigen Geist zu Tage treten, daß er, nicht nur
für die Vereinigten Staaten von Nordamerika, sondern auch für andere Länder
eine lehrreiche Warnung sein kann.

Am Montag, deu 16. Juli, verweigerten etwa 40 Heizer und Bremsensteller
zu Baltimore an der Baltimore- und Ohio-Eisenbahn wegen Herabsetzung des
Lohnes den Dienst; dasselbe geschah zu Martiusburg, einem Städtchen in


»lehr zu andächtiger Verehrung als zu ausgiebigen Genüsse des Mustergebrün's
versammelt; denn ein kräftiger Schluck kommt etwa auf einen halben Franken
zu stehen. Um fünf Uhr Morgens ist es schon recht lebendig im Hotel, um
sechs Uhr werden nicht Viele mehr schlafe«. Draußen auf dem Hofe harrt
eine Anzahl tüchtiger Bergführer in malerischer Tracht des Tagesverdienstes.

So geht es da oben zu in den wenigen Sommermonaten. Im Herbst
aber, wenn die Sonne nur einige Stunden über den hohen Bergwänden herauf¬
kommt und der Fremdenstrom versiecht, schließt die Wirthin das Haus zu und
wandert thalab. Dann haust ein einziger Wächter hier oben. Bis an die
obersten Fenster des Speisesaales im ersten Stock thiirmt sich der Schnee, den
einsamen Menschen bis 'tief in's Frühjahr hinein belagernd; nur selten wagt
sich der Mann auf Schneeschuhen thalwärts, um nach Wochen einmal wieder
Menschen zu sehen. Ein Föhn kann ihm bei der Tiefe des Schnee's und der
furchtbaren Gewalt der zu Thal stürzenden Lawinen auf der Hin- oder Rück-
wanderung die größten Gefahren bringen. Mit Bereitung des täglichen Lebens¬
bedarfes verbringt der Einsame die fast sonnenlosen Tage, nur in Gesellschaft
Zahlreicher wilder Alpenthiere aller Arten, die der Hunger in die Nähe der
Menschlichen Wohnstätte treibt. Mancher leichtsinnige Alpenhase muß da unter
dem Blei der Büchse und mauches biedere Steinhuhn in unwirthlichen Schlingen
verenden, um etwas Abwechslung in das zur Winterszeit sehr eintönige Menü
d H. B. es Alpenklubhotels zu bringen.




Are Lisenöahnunruhen in der nordamerikanischen
Union.

Der unheimliche Aufruhr, welcher in der zweiten Hälfte des Juli d. I.
weit hiu über die nordamerikanische Union seine Schatten warf und an einzelnen
Orten zu den blutigsten Scenen geführt hat, begann mit einem unbedeutenden
Stricke vou Eisenbahnarbeitern, nahm aber eine so rapide Ausbreitung an und
ließ einen so trotzig gewaltthätigen Geist zu Tage treten, daß er, nicht nur
für die Vereinigten Staaten von Nordamerika, sondern auch für andere Länder
eine lehrreiche Warnung sein kann.

Am Montag, deu 16. Juli, verweigerten etwa 40 Heizer und Bremsensteller
zu Baltimore an der Baltimore- und Ohio-Eisenbahn wegen Herabsetzung des
Lohnes den Dienst; dasselbe geschah zu Martiusburg, einem Städtchen in


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[0477] »lehr zu andächtiger Verehrung als zu ausgiebigen Genüsse des Mustergebrün's versammelt; denn ein kräftiger Schluck kommt etwa auf einen halben Franken zu stehen. Um fünf Uhr Morgens ist es schon recht lebendig im Hotel, um sechs Uhr werden nicht Viele mehr schlafe«. Draußen auf dem Hofe harrt eine Anzahl tüchtiger Bergführer in malerischer Tracht des Tagesverdienstes. So geht es da oben zu in den wenigen Sommermonaten. Im Herbst aber, wenn die Sonne nur einige Stunden über den hohen Bergwänden herauf¬ kommt und der Fremdenstrom versiecht, schließt die Wirthin das Haus zu und wandert thalab. Dann haust ein einziger Wächter hier oben. Bis an die obersten Fenster des Speisesaales im ersten Stock thiirmt sich der Schnee, den einsamen Menschen bis 'tief in's Frühjahr hinein belagernd; nur selten wagt sich der Mann auf Schneeschuhen thalwärts, um nach Wochen einmal wieder Menschen zu sehen. Ein Föhn kann ihm bei der Tiefe des Schnee's und der furchtbaren Gewalt der zu Thal stürzenden Lawinen auf der Hin- oder Rück- wanderung die größten Gefahren bringen. Mit Bereitung des täglichen Lebens¬ bedarfes verbringt der Einsame die fast sonnenlosen Tage, nur in Gesellschaft Zahlreicher wilder Alpenthiere aller Arten, die der Hunger in die Nähe der Menschlichen Wohnstätte treibt. Mancher leichtsinnige Alpenhase muß da unter dem Blei der Büchse und mauches biedere Steinhuhn in unwirthlichen Schlingen verenden, um etwas Abwechslung in das zur Winterszeit sehr eintönige Menü d H. B. es Alpenklubhotels zu bringen. Are Lisenöahnunruhen in der nordamerikanischen Union. Der unheimliche Aufruhr, welcher in der zweiten Hälfte des Juli d. I. weit hiu über die nordamerikanische Union seine Schatten warf und an einzelnen Orten zu den blutigsten Scenen geführt hat, begann mit einem unbedeutenden Stricke vou Eisenbahnarbeitern, nahm aber eine so rapide Ausbreitung an und ließ einen so trotzig gewaltthätigen Geist zu Tage treten, daß er, nicht nur für die Vereinigten Staaten von Nordamerika, sondern auch für andere Länder eine lehrreiche Warnung sein kann. Am Montag, deu 16. Juli, verweigerten etwa 40 Heizer und Bremsensteller zu Baltimore an der Baltimore- und Ohio-Eisenbahn wegen Herabsetzung des Lohnes den Dienst; dasselbe geschah zu Martiusburg, einem Städtchen in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/477>, abgerufen am 02.05.2024.