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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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urtheilen können, meist auf dem rechten Wege; über Jakob Böhme spricht er
zu geringschätzig, dagegen sind wir mit dein, was er über die Modephilosophen
Schopenhauer und Hartmann sagt, vollständig einverstanden, und er hat in
Betreff des letzteren ganz Recht, wenn er bemerkt: "Das Unbewußte ist bei
näherer Betrachtung ein synkretistisch aufgeputzter Urgrund der Mystvsvphen
Proklos, Böhme und Schelling, bei dessen Anblick der gesunden Vernunft
schwindelt." Wir nehmen dabei an, daß den Verfasser uicht vor dem Ur¬
gründe, souderu vor dem synkretistisch aufgeputzten Urgründe das Gefühl des
Schwindels ankommt.


Die historischen Volkslieder vom Ende des dreißigjährigen Krieges
bis zum Beginn des siebenjährigen. Ans fliegenden Blättern, handschriftlichen
Quellen und dem Volksmnnde gesammelt von Franz Wilhelm Freiherrn v.
Ditfurth. Heilvronn, Verlag von Gebr. Henninger, 1877.

Diese Sammlung reiht sich der vor einigen Jahren erschienenen an, welche
Lieder aus der Zeit vom siebenjährigen bis zum letzten französisch-deutschen
Kriege brachte, und verdient, wie diese, Empfehlung, obwohl sie nur einige
wirkliche Volkslieder, wie z. B. zwei Versionen von "Prinz Eugenius der edle
Ritter" und eine Verdeutschung des bekannten "Nalborougll s'so. va-t-en
guerr"" enthält. Die Mehrzahl der 153 Stücke besteht aus Dichtungen, die
der Kunstpoesie, nicht der naiven, angehören, und wir können nicht recht glauben,
daß sie gesungen worden sind. Das verbot bei den meisten schon ihre große
Länge. Der poetische Werth derselben ist verschieden und bei mehreren sehr
gering. Einige enthalten kräftige und schwungvolle Stellen, andere sind durch¬
weg gut. Viele sind Spottgedichte auf die Franzosen oder Klagelieder über die
Unthaten derselben im westlichen Deutschland. Zu den besten von diesen gehören
die Nummern 28, 29, 45, 47, 48, 53, 54, 57, 63, 66, 72 und 83, deren
Verfasser der Chorherr I. Albert Poysel zu Baumburg ist. Mächtiger hat
wohl kaum ein Dichter damaliger Zeit feine Stimme gegen die welschen Drün-
ger und Bedrücker erhoben, als er in den Liedern: "Alle Welt steht in dem
Wunder", "Frankreich, du groß Weltwunder" und "Höllisch Gift, wie lang
wirst herben."




Verantwortlicher Redakteur: öl. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von A. L. Hribig in Leipzig. - Druck von Hüthel Herrmann in Leipzig.

urtheilen können, meist auf dem rechten Wege; über Jakob Böhme spricht er
zu geringschätzig, dagegen sind wir mit dein, was er über die Modephilosophen
Schopenhauer und Hartmann sagt, vollständig einverstanden, und er hat in
Betreff des letzteren ganz Recht, wenn er bemerkt: „Das Unbewußte ist bei
näherer Betrachtung ein synkretistisch aufgeputzter Urgrund der Mystvsvphen
Proklos, Böhme und Schelling, bei dessen Anblick der gesunden Vernunft
schwindelt." Wir nehmen dabei an, daß den Verfasser uicht vor dem Ur¬
gründe, souderu vor dem synkretistisch aufgeputzten Urgründe das Gefühl des
Schwindels ankommt.


Die historischen Volkslieder vom Ende des dreißigjährigen Krieges
bis zum Beginn des siebenjährigen. Ans fliegenden Blättern, handschriftlichen
Quellen und dem Volksmnnde gesammelt von Franz Wilhelm Freiherrn v.
Ditfurth. Heilvronn, Verlag von Gebr. Henninger, 1877.

Diese Sammlung reiht sich der vor einigen Jahren erschienenen an, welche
Lieder aus der Zeit vom siebenjährigen bis zum letzten französisch-deutschen
Kriege brachte, und verdient, wie diese, Empfehlung, obwohl sie nur einige
wirkliche Volkslieder, wie z. B. zwei Versionen von „Prinz Eugenius der edle
Ritter" und eine Verdeutschung des bekannten „Nalborougll s'so. va-t-en
guerr«" enthält. Die Mehrzahl der 153 Stücke besteht aus Dichtungen, die
der Kunstpoesie, nicht der naiven, angehören, und wir können nicht recht glauben,
daß sie gesungen worden sind. Das verbot bei den meisten schon ihre große
Länge. Der poetische Werth derselben ist verschieden und bei mehreren sehr
gering. Einige enthalten kräftige und schwungvolle Stellen, andere sind durch¬
weg gut. Viele sind Spottgedichte auf die Franzosen oder Klagelieder über die
Unthaten derselben im westlichen Deutschland. Zu den besten von diesen gehören
die Nummern 28, 29, 45, 47, 48, 53, 54, 57, 63, 66, 72 und 83, deren
Verfasser der Chorherr I. Albert Poysel zu Baumburg ist. Mächtiger hat
wohl kaum ein Dichter damaliger Zeit feine Stimme gegen die welschen Drün-
ger und Bedrücker erhoben, als er in den Liedern: „Alle Welt steht in dem
Wunder", „Frankreich, du groß Weltwunder" und „Höllisch Gift, wie lang
wirst herben."




Verantwortlicher Redakteur: öl. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von A. L. Hribig in Leipzig. - Druck von Hüthel Herrmann in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/488>, abgerufen am 02.05.2024.