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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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schlägige Fachliteratur enthält, wie auch Artikel von hervorragenden Ingenieuren
Polens, deren Arbeiten in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdienen.

Zum Schlüsse soll die jüdisch-polnische Presse hier einen Platz finden.
Dieselbe ist trotz der großen Zahl Juden, die auf "polnischem" Gebiete ansässig
sind, nicht etwa sehr reich an Organen. Im P Menschen sind die Juden der
deutschen Sprache weit mehr als der polnischen mächtig, und die eigentlich
polnischen Juden finden sich in einem hebräisch geschriebenen Blatte weit leichter
zurecht. So besitzt auch in der That Warschau mehrere in diesem Idiom er¬
scheinende jüdische Zeitungen, und außer thuen ist der in Lyle (Rußland) er¬
scheinende LlÄmsMä (Verkünder) hier zahlreich vertreten. Von den in polni¬
scher Sprache herausgegebenen Blättern sei zweier gedacht, des Wochenblattes
Igeln",", das, in gutem Polnisch geschrieben, nicht blos die jüdischen Ver¬
hältnisse Polens, sondern die Lage der Juden überhaupt zum Gegenstande
seiner Besprechungen macht; ferner der 5v.w^önKa (Morgenstern), der sich aller
religiösen Tendenz entschlage und lediglich die sozialen und ökonomischen Seiten
des jüdischen Lebens bespricht.

Wir hegen die Ueberzeugung, daß die große Zahl polnischer Preßorgane,
die in unserem Essai, der sich doch nur auf die Nennung der hauptsächlichsten
Zeitungen und Zeitschriften beschränkt, auf viele überraschend wirken mag.
In der That leidet auch die polnische Presse an einer ganz entsetzlichen Ueber¬
produktion, und ihre große Zahl ist um so überflüssiger, da ja doch das Gros
der Polen dein Bauern- und niedrigsten Handwerkerstande angehört, in dem
die Analphabeten die überwiegende Mehrheit bilden.




Lin Kottesl'ästerungsprozch aus dem Lüde des
17. Jahrhunderts.

Wenn im Jahre 1632 einer der gelehrtesten und angesehensten Theologen
seiner Zeit, der Lübeckische Superintendent Nikolaus Hunnius, um den Frieden
in der durch Streitigkeiten genährten lutherischen Kirche wieder herzustellen, in
vollem Ernste den Vorschlag machte, man solle ein sogenanntes eollesium
IZg.eiüeatoi'inen errichten, bestehend aus zwölf gelehrten Theologen, die allein
mit dogmatischen Untersuchungen sich beschäftigen, alle Streitigkeiten beilegen
und bestimmen sollten, was in Zukunft als Wahrheit unumstößlich gelten müsse;
wenn dieser Vorschlag in vollem Ernste von Vielen gebilligt wurde und sogar


schlägige Fachliteratur enthält, wie auch Artikel von hervorragenden Ingenieuren
Polens, deren Arbeiten in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdienen.

Zum Schlüsse soll die jüdisch-polnische Presse hier einen Platz finden.
Dieselbe ist trotz der großen Zahl Juden, die auf „polnischem" Gebiete ansässig
sind, nicht etwa sehr reich an Organen. Im P Menschen sind die Juden der
deutschen Sprache weit mehr als der polnischen mächtig, und die eigentlich
polnischen Juden finden sich in einem hebräisch geschriebenen Blatte weit leichter
zurecht. So besitzt auch in der That Warschau mehrere in diesem Idiom er¬
scheinende jüdische Zeitungen, und außer thuen ist der in Lyle (Rußland) er¬
scheinende LlÄmsMä (Verkünder) hier zahlreich vertreten. Von den in polni¬
scher Sprache herausgegebenen Blättern sei zweier gedacht, des Wochenblattes
Igeln»,", das, in gutem Polnisch geschrieben, nicht blos die jüdischen Ver¬
hältnisse Polens, sondern die Lage der Juden überhaupt zum Gegenstande
seiner Besprechungen macht; ferner der 5v.w^önKa (Morgenstern), der sich aller
religiösen Tendenz entschlage und lediglich die sozialen und ökonomischen Seiten
des jüdischen Lebens bespricht.

Wir hegen die Ueberzeugung, daß die große Zahl polnischer Preßorgane,
die in unserem Essai, der sich doch nur auf die Nennung der hauptsächlichsten
Zeitungen und Zeitschriften beschränkt, auf viele überraschend wirken mag.
In der That leidet auch die polnische Presse an einer ganz entsetzlichen Ueber¬
produktion, und ihre große Zahl ist um so überflüssiger, da ja doch das Gros
der Polen dein Bauern- und niedrigsten Handwerkerstande angehört, in dem
die Analphabeten die überwiegende Mehrheit bilden.




Lin Kottesl'ästerungsprozch aus dem Lüde des
17. Jahrhunderts.

Wenn im Jahre 1632 einer der gelehrtesten und angesehensten Theologen
seiner Zeit, der Lübeckische Superintendent Nikolaus Hunnius, um den Frieden
in der durch Streitigkeiten genährten lutherischen Kirche wieder herzustellen, in
vollem Ernste den Vorschlag machte, man solle ein sogenanntes eollesium
IZg.eiüeatoi'inen errichten, bestehend aus zwölf gelehrten Theologen, die allein
mit dogmatischen Untersuchungen sich beschäftigen, alle Streitigkeiten beilegen
und bestimmen sollten, was in Zukunft als Wahrheit unumstößlich gelten müsse;
wenn dieser Vorschlag in vollem Ernste von Vielen gebilligt wurde und sogar


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[0075] schlägige Fachliteratur enthält, wie auch Artikel von hervorragenden Ingenieuren Polens, deren Arbeiten in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdienen. Zum Schlüsse soll die jüdisch-polnische Presse hier einen Platz finden. Dieselbe ist trotz der großen Zahl Juden, die auf „polnischem" Gebiete ansässig sind, nicht etwa sehr reich an Organen. Im P Menschen sind die Juden der deutschen Sprache weit mehr als der polnischen mächtig, und die eigentlich polnischen Juden finden sich in einem hebräisch geschriebenen Blatte weit leichter zurecht. So besitzt auch in der That Warschau mehrere in diesem Idiom er¬ scheinende jüdische Zeitungen, und außer thuen ist der in Lyle (Rußland) er¬ scheinende LlÄmsMä (Verkünder) hier zahlreich vertreten. Von den in polni¬ scher Sprache herausgegebenen Blättern sei zweier gedacht, des Wochenblattes Igeln»,", das, in gutem Polnisch geschrieben, nicht blos die jüdischen Ver¬ hältnisse Polens, sondern die Lage der Juden überhaupt zum Gegenstande seiner Besprechungen macht; ferner der 5v.w^önKa (Morgenstern), der sich aller religiösen Tendenz entschlage und lediglich die sozialen und ökonomischen Seiten des jüdischen Lebens bespricht. Wir hegen die Ueberzeugung, daß die große Zahl polnischer Preßorgane, die in unserem Essai, der sich doch nur auf die Nennung der hauptsächlichsten Zeitungen und Zeitschriften beschränkt, auf viele überraschend wirken mag. In der That leidet auch die polnische Presse an einer ganz entsetzlichen Ueber¬ produktion, und ihre große Zahl ist um so überflüssiger, da ja doch das Gros der Polen dein Bauern- und niedrigsten Handwerkerstande angehört, in dem die Analphabeten die überwiegende Mehrheit bilden. Lin Kottesl'ästerungsprozch aus dem Lüde des 17. Jahrhunderts. Wenn im Jahre 1632 einer der gelehrtesten und angesehensten Theologen seiner Zeit, der Lübeckische Superintendent Nikolaus Hunnius, um den Frieden in der durch Streitigkeiten genährten lutherischen Kirche wieder herzustellen, in vollem Ernste den Vorschlag machte, man solle ein sogenanntes eollesium IZg.eiüeatoi'inen errichten, bestehend aus zwölf gelehrten Theologen, die allein mit dogmatischen Untersuchungen sich beschäftigen, alle Streitigkeiten beilegen und bestimmen sollten, was in Zukunft als Wahrheit unumstößlich gelten müsse; wenn dieser Vorschlag in vollem Ernste von Vielen gebilligt wurde und sogar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/75>, abgerufen am 02.05.2024.