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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Die Lntwickelnng des altgriechischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. IV.

Wie militärpolitisch und strategisch, so waren die Perser am Tage von
Platüä auch taktisch in der Offensive, Demnach erfolgt der Angriff des Mardonius
nach und nach, ohne rechtes Ineinandergreifen der einzelnen Heerestheile; aber
auch die hellenischen Kontingente fechten fast vereinzelt; mißtrauische Eifersucht
hält sie aus einander und läßt sie gegenseitig warten. Die Spartaner leisten
wenig, weil sie eine krankhafte Scheu davor haben, ihre fest geschlossene Phalanx
irgendwie zu lockern. Sie zeigen sich daher außer Stande, die Verschildung
des national-persischen Fußvolks zu durchbrechen, und noch weniger vermögen
sie, das verschanzte Lager zu stürmen, auf welches sich das geschlagene Heer
des Großkönigs zurückzieht. Das eine mal müssen die Tegeaten, das andere
mal die Athener das Beste thun.

Ein Grund des Sieges der Hellenen über die Perser liegt in der Zahlen¬
überlegenheit der letzteren selbst, welche in dein beschränkten und durch seine
horizontale wie vertikale Bodengliederung äußerst schwierigen Gelände Griechen¬
lands nicht nur gar nicht zur Geltung kam, sondern geradezu hinderlich wirkte.
Die gewaltigen Massen gingen zumeist an ihrer eigenen Unbeholfenheit zu
Grnnde. Sie kamen großenteils nicht einmal zum Gefecht; ihr Vorhandensein
aber schwächte die Ausdauer des ersten Treffens, welches meinte, den andern
Treffen doch auch noch einige Arbeit übrig lassen zu müssen. Wie jene über¬
mäßige Anhäufung von Streitkräften die Verpflegung außerordentlich erschwerte,
so minderte sie auf dem Schlachtfelde die Manövrirfähigkeit und steigerte die
Unordnung des Rückzugs.

Auf griechischer Seite aber kannte und beherrschte man die taktische
Gliederung, welche den Persern abging, vollkommen. Die Phalanx war in


GrenMten I. 1878, 1"
Die Lntwickelnng des altgriechischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. IV.

Wie militärpolitisch und strategisch, so waren die Perser am Tage von
Platüä auch taktisch in der Offensive, Demnach erfolgt der Angriff des Mardonius
nach und nach, ohne rechtes Ineinandergreifen der einzelnen Heerestheile; aber
auch die hellenischen Kontingente fechten fast vereinzelt; mißtrauische Eifersucht
hält sie aus einander und läßt sie gegenseitig warten. Die Spartaner leisten
wenig, weil sie eine krankhafte Scheu davor haben, ihre fest geschlossene Phalanx
irgendwie zu lockern. Sie zeigen sich daher außer Stande, die Verschildung
des national-persischen Fußvolks zu durchbrechen, und noch weniger vermögen
sie, das verschanzte Lager zu stürmen, auf welches sich das geschlagene Heer
des Großkönigs zurückzieht. Das eine mal müssen die Tegeaten, das andere
mal die Athener das Beste thun.

Ein Grund des Sieges der Hellenen über die Perser liegt in der Zahlen¬
überlegenheit der letzteren selbst, welche in dein beschränkten und durch seine
horizontale wie vertikale Bodengliederung äußerst schwierigen Gelände Griechen¬
lands nicht nur gar nicht zur Geltung kam, sondern geradezu hinderlich wirkte.
Die gewaltigen Massen gingen zumeist an ihrer eigenen Unbeholfenheit zu
Grnnde. Sie kamen großenteils nicht einmal zum Gefecht; ihr Vorhandensein
aber schwächte die Ausdauer des ersten Treffens, welches meinte, den andern
Treffen doch auch noch einige Arbeit übrig lassen zu müssen. Wie jene über¬
mäßige Anhäufung von Streitkräften die Verpflegung außerordentlich erschwerte,
so minderte sie auf dem Schlachtfelde die Manövrirfähigkeit und steigerte die
Unordnung des Rückzugs.

Auf griechischer Seite aber kannte und beherrschte man die taktische
Gliederung, welche den Persern abging, vollkommen. Die Phalanx war in


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[0129] Die Lntwickelnng des altgriechischen Kriegswesens. Von Max Jähns. IV. Wie militärpolitisch und strategisch, so waren die Perser am Tage von Platüä auch taktisch in der Offensive, Demnach erfolgt der Angriff des Mardonius nach und nach, ohne rechtes Ineinandergreifen der einzelnen Heerestheile; aber auch die hellenischen Kontingente fechten fast vereinzelt; mißtrauische Eifersucht hält sie aus einander und läßt sie gegenseitig warten. Die Spartaner leisten wenig, weil sie eine krankhafte Scheu davor haben, ihre fest geschlossene Phalanx irgendwie zu lockern. Sie zeigen sich daher außer Stande, die Verschildung des national-persischen Fußvolks zu durchbrechen, und noch weniger vermögen sie, das verschanzte Lager zu stürmen, auf welches sich das geschlagene Heer des Großkönigs zurückzieht. Das eine mal müssen die Tegeaten, das andere mal die Athener das Beste thun. Ein Grund des Sieges der Hellenen über die Perser liegt in der Zahlen¬ überlegenheit der letzteren selbst, welche in dein beschränkten und durch seine horizontale wie vertikale Bodengliederung äußerst schwierigen Gelände Griechen¬ lands nicht nur gar nicht zur Geltung kam, sondern geradezu hinderlich wirkte. Die gewaltigen Massen gingen zumeist an ihrer eigenen Unbeholfenheit zu Grnnde. Sie kamen großenteils nicht einmal zum Gefecht; ihr Vorhandensein aber schwächte die Ausdauer des ersten Treffens, welches meinte, den andern Treffen doch auch noch einige Arbeit übrig lassen zu müssen. Wie jene über¬ mäßige Anhäufung von Streitkräften die Verpflegung außerordentlich erschwerte, so minderte sie auf dem Schlachtfelde die Manövrirfähigkeit und steigerte die Unordnung des Rückzugs. Auf griechischer Seite aber kannte und beherrschte man die taktische Gliederung, welche den Persern abging, vollkommen. Die Phalanx war in GrenMten I. 1878, 1«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/129>, abgerufen am 28.04.2024.