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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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mitzutheilen. Unter die "Sentenzen" aus Goethe's "Götz" rechnet Naumann
folgende bekannte Bibelsprüche: "Der Wein erfreut des Menschen Herz",
"Wohl dem, der ein tugendscnn Weib hat, deß lebt er noch eins so lange"
und "Ein Prophet gilt nichts in seinein Vaterlande!"*) Aus den Themen
heben wir als Kuriosa hervor: "Der Monolog des Götz im Thurme zu Heil-
bronn in Jamben", "Die vornehmsten Redefiguren und Tropen in Goethe's
"Götz" nach Arten geordnet und kurz erläutert", "Die Träume im "Götz von
Berlichingen". Als Beispiele der "Fragen" endlich nennen wir die Folgenden:
Welche zwei Bauern treten zuerst auf? Welchen körperlichen Fehler hatte
Selbitz? Was kochte Elisabeth, als Weisungen ans die Burg kam? In
welchen Worten liegt eine Apostrophe? In welchen Worten ist eine Hendya-
dis (sie) zu finden? An welcher Stelle kam ein Anakoluth vor? Man nenne
mehrere Oxymora! ?c. :c.

Der Bearbeiter der vorliegenden Ausgabe ist, wie das Titelblatt angiebt,
Direktor der Realschule erster Ordnung in Osterode am Harz. Wenn er als
solcher, wie es stark den Anschein hat, faktisch seine Schüler nach Abschluß
der Lektüre eines Goethischen Drama's die einzelnen "Redefiguren" ans dem
Schauspiel herausfischen und womöglich gar einen deutschen Aufsatz darüber
schreiben läßt, dann kann man nur von ganzem Herzen die Jugend von
Osterode bedauern, die durch solch eine geschmacklos pedantische Hand sich das
Verständniß für die Geisteswerke unserer großen Dichter auftropfen lassen muß.


N.
Die Ruinen Roms von Franz Ueber. Zweite, vermehrte und verbesserte
Auflage. Leipzig, T. O. Weigel. 1. Lieferung.

Von Franz Reder's epochemachenden Werke über die "Rinnen Roms und
der Ccnnpcigna", welches zuerst 1862 erschien, ist gegenwärtig eine Neubear¬
beitung im Erscheinen begriffen, von der uns die erste Lieferung vorliegt. Es
muß als eine besondere Gunst des Schicksals betrachtet werden, wenn Kapital¬
werke dieser Art--sei es auch nach vielen Jahren erst -- eine 2. Aufl. erleben und
der Verfasser in die glückliche Lage versetzt wird, die ganze Fülle der inzwischen
neu gewonnenen Resultate in sein Werk verarbeiten zu können. Im vorliegen¬
den Falle hat die Verlagshandlung diesen Moment uicht abgewartet, sondern
hat mit anerkennenswerther Generosität, noch ehe die erste Auflage völlig ver¬
griffen war, die Hand zur Herstellung einer neuen Ausgabe geboten. Aller¬
dings mußten die umfänglichen Ausgrabungen und Entdeckungen, die seitdem



") Auch die Worte Georg's (III, 19): "Ein braver Reiter und ein rechter Regen kom¬
men überall durch", die Naumann unter die Sentenzen ans dem "Götz" stellt, sind nicht
Goethisch, sondern ein morgenländisches Sprüchwort. S. Tischbein's Leben und Brief¬
wechsel S. 118.

mitzutheilen. Unter die „Sentenzen" aus Goethe's „Götz" rechnet Naumann
folgende bekannte Bibelsprüche: „Der Wein erfreut des Menschen Herz",
„Wohl dem, der ein tugendscnn Weib hat, deß lebt er noch eins so lange"
und „Ein Prophet gilt nichts in seinein Vaterlande!"*) Aus den Themen
heben wir als Kuriosa hervor: „Der Monolog des Götz im Thurme zu Heil-
bronn in Jamben", „Die vornehmsten Redefiguren und Tropen in Goethe's
„Götz" nach Arten geordnet und kurz erläutert", „Die Träume im „Götz von
Berlichingen". Als Beispiele der „Fragen" endlich nennen wir die Folgenden:
Welche zwei Bauern treten zuerst auf? Welchen körperlichen Fehler hatte
Selbitz? Was kochte Elisabeth, als Weisungen ans die Burg kam? In
welchen Worten liegt eine Apostrophe? In welchen Worten ist eine Hendya-
dis (sie) zu finden? An welcher Stelle kam ein Anakoluth vor? Man nenne
mehrere Oxymora! ?c. :c.

Der Bearbeiter der vorliegenden Ausgabe ist, wie das Titelblatt angiebt,
Direktor der Realschule erster Ordnung in Osterode am Harz. Wenn er als
solcher, wie es stark den Anschein hat, faktisch seine Schüler nach Abschluß
der Lektüre eines Goethischen Drama's die einzelnen „Redefiguren" ans dem
Schauspiel herausfischen und womöglich gar einen deutschen Aufsatz darüber
schreiben läßt, dann kann man nur von ganzem Herzen die Jugend von
Osterode bedauern, die durch solch eine geschmacklos pedantische Hand sich das
Verständniß für die Geisteswerke unserer großen Dichter auftropfen lassen muß.


N.
Die Ruinen Roms von Franz Ueber. Zweite, vermehrte und verbesserte
Auflage. Leipzig, T. O. Weigel. 1. Lieferung.

Von Franz Reder's epochemachenden Werke über die „Rinnen Roms und
der Ccnnpcigna", welches zuerst 1862 erschien, ist gegenwärtig eine Neubear¬
beitung im Erscheinen begriffen, von der uns die erste Lieferung vorliegt. Es
muß als eine besondere Gunst des Schicksals betrachtet werden, wenn Kapital¬
werke dieser Art—sei es auch nach vielen Jahren erst — eine 2. Aufl. erleben und
der Verfasser in die glückliche Lage versetzt wird, die ganze Fülle der inzwischen
neu gewonnenen Resultate in sein Werk verarbeiten zu können. Im vorliegen¬
den Falle hat die Verlagshandlung diesen Moment uicht abgewartet, sondern
hat mit anerkennenswerther Generosität, noch ehe die erste Auflage völlig ver¬
griffen war, die Hand zur Herstellung einer neuen Ausgabe geboten. Aller¬
dings mußten die umfänglichen Ausgrabungen und Entdeckungen, die seitdem



») Auch die Worte Georg's (III, 19): „Ein braver Reiter und ein rechter Regen kom¬
men überall durch", die Naumann unter die Sentenzen ans dem „Götz" stellt, sind nicht
Goethisch, sondern ein morgenländisches Sprüchwort. S. Tischbein's Leben und Brief¬
wechsel S. 118.
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[0406] mitzutheilen. Unter die „Sentenzen" aus Goethe's „Götz" rechnet Naumann folgende bekannte Bibelsprüche: „Der Wein erfreut des Menschen Herz", „Wohl dem, der ein tugendscnn Weib hat, deß lebt er noch eins so lange" und „Ein Prophet gilt nichts in seinein Vaterlande!"*) Aus den Themen heben wir als Kuriosa hervor: „Der Monolog des Götz im Thurme zu Heil- bronn in Jamben", „Die vornehmsten Redefiguren und Tropen in Goethe's „Götz" nach Arten geordnet und kurz erläutert", „Die Träume im „Götz von Berlichingen". Als Beispiele der „Fragen" endlich nennen wir die Folgenden: Welche zwei Bauern treten zuerst auf? Welchen körperlichen Fehler hatte Selbitz? Was kochte Elisabeth, als Weisungen ans die Burg kam? In welchen Worten liegt eine Apostrophe? In welchen Worten ist eine Hendya- dis (sie) zu finden? An welcher Stelle kam ein Anakoluth vor? Man nenne mehrere Oxymora! ?c. :c. Der Bearbeiter der vorliegenden Ausgabe ist, wie das Titelblatt angiebt, Direktor der Realschule erster Ordnung in Osterode am Harz. Wenn er als solcher, wie es stark den Anschein hat, faktisch seine Schüler nach Abschluß der Lektüre eines Goethischen Drama's die einzelnen „Redefiguren" ans dem Schauspiel herausfischen und womöglich gar einen deutschen Aufsatz darüber schreiben läßt, dann kann man nur von ganzem Herzen die Jugend von Osterode bedauern, die durch solch eine geschmacklos pedantische Hand sich das Verständniß für die Geisteswerke unserer großen Dichter auftropfen lassen muß. N. Die Ruinen Roms von Franz Ueber. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. Leipzig, T. O. Weigel. 1. Lieferung. Von Franz Reder's epochemachenden Werke über die „Rinnen Roms und der Ccnnpcigna", welches zuerst 1862 erschien, ist gegenwärtig eine Neubear¬ beitung im Erscheinen begriffen, von der uns die erste Lieferung vorliegt. Es muß als eine besondere Gunst des Schicksals betrachtet werden, wenn Kapital¬ werke dieser Art—sei es auch nach vielen Jahren erst — eine 2. Aufl. erleben und der Verfasser in die glückliche Lage versetzt wird, die ganze Fülle der inzwischen neu gewonnenen Resultate in sein Werk verarbeiten zu können. Im vorliegen¬ den Falle hat die Verlagshandlung diesen Moment uicht abgewartet, sondern hat mit anerkennenswerther Generosität, noch ehe die erste Auflage völlig ver¬ griffen war, die Hand zur Herstellung einer neuen Ausgabe geboten. Aller¬ dings mußten die umfänglichen Ausgrabungen und Entdeckungen, die seitdem ») Auch die Worte Georg's (III, 19): „Ein braver Reiter und ein rechter Regen kom¬ men überall durch", die Naumann unter die Sentenzen ans dem „Götz" stellt, sind nicht Goethisch, sondern ein morgenländisches Sprüchwort. S. Tischbein's Leben und Brief¬ wechsel S. 118.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/406>, abgerufen am 29.04.2024.