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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Völker betrifft', so ist diese Frage, wie erwähnt, nach dem gegenwärtigen
Stande der historischen und linguistischen Forschungen noch nicht spruch¬
reif; mil um so größerer Spannung darf man deshalb der Unter¬
suchung entgegensehen, welche nach der Mittheilung der Literary World vom
15. Febr. 1878 (x^. 110) Chat Boseawen, ein ebenso tüchtiger wie nüchterner
englischer Forscher, in der nächsten Sitzung des Victoria?tu1osoxll. Instituts
zu London zum Vortrag, hoffentlich' auch zum Druck bringen wird; -- und
mit demselben, vielleicht noch mit höherem.Interesse, dürfen wir Deutsche wohl
die Nachricht begrüßen, daß auch Professor Schrader, unzweifelhaft die erste
assyriologische Autorität in unserem Vaterlande, eme neue Arbeit unter der
Presse hat, welche nach dieser Richtung hin wichtig zu werden verspricht.


Rudolf Buddensieg.


Lin Kitt durch Kleinasien.

Alles, was uus die inneren Zustände der Türkei enthüllen kann, ist jetzt
willkommen. Die Türken selbst schweigen über ihr Land, sie machen keinerlei
statistische Erhebungen und sollte ja das eine oder andere Werk in türkischer
Sprache erscheinen -- nun, so ist es eben dieser Sprache wegen für uns Eu¬
ropäer einfach nicht vorhanden.

Ueber die europäische Türkei sind wir noch leidlich unterrichtet. Wie aber
steht es mit Kleinasien, mit diesem Hauptlande der Türkei? Wir vernehmen
so gut wie nichts von dort und da ist denn das so eben erschienene zweibän¬
dige Werk eines englischen Offiziers, der einen Ritt durch Kleinasien schildert,
uns doppelt willkommen/)

Burnaby, so heißt der englische Offizier, war bereits mit den Raffen in
Chiwa. Er scheint von ihnen aber nicht besonders gut ausgenommen worden
zu sein, denn er ist bitterböse auf sie, was man heute auch von einem Eng¬
länder nicht gut anders erwarten kann. Den Türken ist er natürlich gewogener
und im Allgemeinen schildert er sie als gute Leute, die er aus einem fünf¬
monatlichen Ritte von einem Ende Kleinasiens zum andern auch leidlich kennen
lernte. Burnaby ist nämlich eine Ausnahme unter seinen Landsleuten; er ist
Linguist, nicht taub und stumm wie sonst der Engländer, er spricht russisch



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to Klnva,". vol". ^onäon, Z^MMin, I^vo >d Lo> 1877.

Völker betrifft', so ist diese Frage, wie erwähnt, nach dem gegenwärtigen
Stande der historischen und linguistischen Forschungen noch nicht spruch¬
reif; mil um so größerer Spannung darf man deshalb der Unter¬
suchung entgegensehen, welche nach der Mittheilung der Literary World vom
15. Febr. 1878 (x^. 110) Chat Boseawen, ein ebenso tüchtiger wie nüchterner
englischer Forscher, in der nächsten Sitzung des Victoria?tu1osoxll. Instituts
zu London zum Vortrag, hoffentlich' auch zum Druck bringen wird; — und
mit demselben, vielleicht noch mit höherem.Interesse, dürfen wir Deutsche wohl
die Nachricht begrüßen, daß auch Professor Schrader, unzweifelhaft die erste
assyriologische Autorität in unserem Vaterlande, eme neue Arbeit unter der
Presse hat, welche nach dieser Richtung hin wichtig zu werden verspricht.


Rudolf Buddensieg.


Lin Kitt durch Kleinasien.

Alles, was uus die inneren Zustände der Türkei enthüllen kann, ist jetzt
willkommen. Die Türken selbst schweigen über ihr Land, sie machen keinerlei
statistische Erhebungen und sollte ja das eine oder andere Werk in türkischer
Sprache erscheinen — nun, so ist es eben dieser Sprache wegen für uns Eu¬
ropäer einfach nicht vorhanden.

Ueber die europäische Türkei sind wir noch leidlich unterrichtet. Wie aber
steht es mit Kleinasien, mit diesem Hauptlande der Türkei? Wir vernehmen
so gut wie nichts von dort und da ist denn das so eben erschienene zweibän¬
dige Werk eines englischen Offiziers, der einen Ritt durch Kleinasien schildert,
uns doppelt willkommen/)

Burnaby, so heißt der englische Offizier, war bereits mit den Raffen in
Chiwa. Er scheint von ihnen aber nicht besonders gut ausgenommen worden
zu sein, denn er ist bitterböse auf sie, was man heute auch von einem Eng¬
länder nicht gut anders erwarten kann. Den Türken ist er natürlich gewogener
und im Allgemeinen schildert er sie als gute Leute, die er aus einem fünf¬
monatlichen Ritte von einem Ende Kleinasiens zum andern auch leidlich kennen
lernte. Burnaby ist nämlich eine Ausnahme unter seinen Landsleuten; er ist
Linguist, nicht taub und stumm wie sonst der Engländer, er spricht russisch



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[0068] Völker betrifft', so ist diese Frage, wie erwähnt, nach dem gegenwärtigen Stande der historischen und linguistischen Forschungen noch nicht spruch¬ reif; mil um so größerer Spannung darf man deshalb der Unter¬ suchung entgegensehen, welche nach der Mittheilung der Literary World vom 15. Febr. 1878 (x^. 110) Chat Boseawen, ein ebenso tüchtiger wie nüchterner englischer Forscher, in der nächsten Sitzung des Victoria?tu1osoxll. Instituts zu London zum Vortrag, hoffentlich' auch zum Druck bringen wird; — und mit demselben, vielleicht noch mit höherem.Interesse, dürfen wir Deutsche wohl die Nachricht begrüßen, daß auch Professor Schrader, unzweifelhaft die erste assyriologische Autorität in unserem Vaterlande, eme neue Arbeit unter der Presse hat, welche nach dieser Richtung hin wichtig zu werden verspricht. Rudolf Buddensieg. Lin Kitt durch Kleinasien. Alles, was uus die inneren Zustände der Türkei enthüllen kann, ist jetzt willkommen. Die Türken selbst schweigen über ihr Land, sie machen keinerlei statistische Erhebungen und sollte ja das eine oder andere Werk in türkischer Sprache erscheinen — nun, so ist es eben dieser Sprache wegen für uns Eu¬ ropäer einfach nicht vorhanden. Ueber die europäische Türkei sind wir noch leidlich unterrichtet. Wie aber steht es mit Kleinasien, mit diesem Hauptlande der Türkei? Wir vernehmen so gut wie nichts von dort und da ist denn das so eben erschienene zweibän¬ dige Werk eines englischen Offiziers, der einen Ritt durch Kleinasien schildert, uns doppelt willkommen/) Burnaby, so heißt der englische Offizier, war bereits mit den Raffen in Chiwa. Er scheint von ihnen aber nicht besonders gut ausgenommen worden zu sein, denn er ist bitterböse auf sie, was man heute auch von einem Eng¬ länder nicht gut anders erwarten kann. Den Türken ist er natürlich gewogener und im Allgemeinen schildert er sie als gute Leute, die er aus einem fünf¬ monatlichen Ritte von einem Ende Kleinasiens zum andern auch leidlich kennen lernte. Burnaby ist nämlich eine Ausnahme unter seinen Landsleuten; er ist Linguist, nicht taub und stumm wie sonst der Engländer, er spricht russisch ') On Iloriisdavlc to-onxk ^sis, M»or. Lz? vkpt. Vred, Lllrns,I>^, ÄiMor ot s, „Lias to Klnva,". vol«. ^onäon, Z^MMin, I^vo >d Lo> 1877.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/68>, abgerufen am 02.05.2024.