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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Z)le Entwickelung des altrömischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. VII.
Die Folgen der punischen Kriege. Legion und Phalanx.

Dieselben Gründe, welche Rom im ersten punischen Kriege das Uebergewicht
gegeben hatten, wirkten auch im zweiten zu seinen Gunsten. Die eingeborene
Volkskraft Rom's war größer als diejenige Karthago's. In letzter Instanz
entscheidet das Uebergewicht des römischen Bürgerheeres über das punische
Söldnerthmn. Mit Recht weist Macchiavelli auf den hcmnibalischen Krieg als
auf das schlagendste Beispiel für den von ihm verkündeten Gedanken der all¬
gemeinen Wehrpflicht hin. Nach den blutigen Einbußen am Ticinus, an der
Trebia, am trasimenischen See, ja nach Cannä selbst, blieb die römische Wehrver¬
fassung aufrecht stehen. Wohl mochte der Genius des Hannibal die spanischen
und libyschen Söldner auf eine hohe Stufe militärischer Tüchtigkeit erheben,
mit ihnen die Alpen übersteigen und Rom's gefürchtete Legionen schlagen; so
scharf durchschaute doch die Staats- und Kriegsleitung auf dem Kapitole die
Punische Schwäche, daß der Senat es als leichter erkannte, in Spanien und
Afrika den Feind zu besiegen als in Italien. Denn während Rom, was
Hannibal nicht wußte und nicht glaubte, daheim doch am stärksten war und,
aufs Aeußerste bedrängt, eingeschlossenem Dampfe gleich, den gewaltigsten Hoch¬
druck entwickelte, mußte Karthago in Afrika unterliegen, eben weil es hier am
schwächsten war. Wie mochten seine Miethlinge nach einer auf punischen Boden
verlorenen Schlacht sich wieder sammeln? Wie wäre die Bürgerschaft, welche
an Zahl doch nicht stark war, im Stande gewesen, ohne die Söldner das freie
Feld zu halten? Die Größe seiner gewordenen Heere, die Genialität seiner
Feldherren hatte den punischen Staatsbäu zu einer politischen Höhe emporge-
thürmt, welche das Fundament der eingeborenen kriegerischen Volkskraft auf


Grenzboten III. 1878, 41
Z)le Entwickelung des altrömischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. VII.
Die Folgen der punischen Kriege. Legion und Phalanx.

Dieselben Gründe, welche Rom im ersten punischen Kriege das Uebergewicht
gegeben hatten, wirkten auch im zweiten zu seinen Gunsten. Die eingeborene
Volkskraft Rom's war größer als diejenige Karthago's. In letzter Instanz
entscheidet das Uebergewicht des römischen Bürgerheeres über das punische
Söldnerthmn. Mit Recht weist Macchiavelli auf den hcmnibalischen Krieg als
auf das schlagendste Beispiel für den von ihm verkündeten Gedanken der all¬
gemeinen Wehrpflicht hin. Nach den blutigen Einbußen am Ticinus, an der
Trebia, am trasimenischen See, ja nach Cannä selbst, blieb die römische Wehrver¬
fassung aufrecht stehen. Wohl mochte der Genius des Hannibal die spanischen
und libyschen Söldner auf eine hohe Stufe militärischer Tüchtigkeit erheben,
mit ihnen die Alpen übersteigen und Rom's gefürchtete Legionen schlagen; so
scharf durchschaute doch die Staats- und Kriegsleitung auf dem Kapitole die
Punische Schwäche, daß der Senat es als leichter erkannte, in Spanien und
Afrika den Feind zu besiegen als in Italien. Denn während Rom, was
Hannibal nicht wußte und nicht glaubte, daheim doch am stärksten war und,
aufs Aeußerste bedrängt, eingeschlossenem Dampfe gleich, den gewaltigsten Hoch¬
druck entwickelte, mußte Karthago in Afrika unterliegen, eben weil es hier am
schwächsten war. Wie mochten seine Miethlinge nach einer auf punischen Boden
verlorenen Schlacht sich wieder sammeln? Wie wäre die Bürgerschaft, welche
an Zahl doch nicht stark war, im Stande gewesen, ohne die Söldner das freie
Feld zu halten? Die Größe seiner gewordenen Heere, die Genialität seiner
Feldherren hatte den punischen Staatsbäu zu einer politischen Höhe emporge-
thürmt, welche das Fundament der eingeborenen kriegerischen Volkskraft auf


Grenzboten III. 1878, 41
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[0329] Z)le Entwickelung des altrömischen Kriegswesens. Von Max Jähns. VII. Die Folgen der punischen Kriege. Legion und Phalanx. Dieselben Gründe, welche Rom im ersten punischen Kriege das Uebergewicht gegeben hatten, wirkten auch im zweiten zu seinen Gunsten. Die eingeborene Volkskraft Rom's war größer als diejenige Karthago's. In letzter Instanz entscheidet das Uebergewicht des römischen Bürgerheeres über das punische Söldnerthmn. Mit Recht weist Macchiavelli auf den hcmnibalischen Krieg als auf das schlagendste Beispiel für den von ihm verkündeten Gedanken der all¬ gemeinen Wehrpflicht hin. Nach den blutigen Einbußen am Ticinus, an der Trebia, am trasimenischen See, ja nach Cannä selbst, blieb die römische Wehrver¬ fassung aufrecht stehen. Wohl mochte der Genius des Hannibal die spanischen und libyschen Söldner auf eine hohe Stufe militärischer Tüchtigkeit erheben, mit ihnen die Alpen übersteigen und Rom's gefürchtete Legionen schlagen; so scharf durchschaute doch die Staats- und Kriegsleitung auf dem Kapitole die Punische Schwäche, daß der Senat es als leichter erkannte, in Spanien und Afrika den Feind zu besiegen als in Italien. Denn während Rom, was Hannibal nicht wußte und nicht glaubte, daheim doch am stärksten war und, aufs Aeußerste bedrängt, eingeschlossenem Dampfe gleich, den gewaltigsten Hoch¬ druck entwickelte, mußte Karthago in Afrika unterliegen, eben weil es hier am schwächsten war. Wie mochten seine Miethlinge nach einer auf punischen Boden verlorenen Schlacht sich wieder sammeln? Wie wäre die Bürgerschaft, welche an Zahl doch nicht stark war, im Stande gewesen, ohne die Söldner das freie Feld zu halten? Die Größe seiner gewordenen Heere, die Genialität seiner Feldherren hatte den punischen Staatsbäu zu einer politischen Höhe emporge- thürmt, welche das Fundament der eingeborenen kriegerischen Volkskraft auf Grenzboten III. 1878, 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/329>, abgerufen am 05.05.2024.