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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Hand besitzt, das in die afghanischen Händel verwickelt werden kann, darf jetzt
einen Krieg mit China nicht vom Zaune brechen. Der chinesische Gesandte
nach Se. Petersburg ist unterwegs. Warten wir ab, was er mit Fürst Gvrt-
schakow für ein Abkommen trifft.


A. Rauchhaupt.


Me Leipziger Mausereignisse 1845.
in.
Die Lnndtcigsverhandlungm.

Jeder unbefangene Beobachter der sächsischen Zustände und namentlich jeder
aufrichtige Freund der Regierung mußte sich überzeugt halten, daß das Ministerium
Kvuueritz das Königreich entweder einem Staatsstreich oder einer Revolution
entgegentreibe. Mit gleich verblendeten Eigensinn hat nur noch Herr v. Beust
Zwanzig Jahre später das Land regiert und der Katastrophe von 1866 ent¬
gegengetrieben. Von Jahr zu Jahr war die Bewegung der Geister, welche die
Regierung einfach unterdrücken zu können meinte, gewachsen, mit jedem Jahre
auch die Zahl der Opposition im Landtag. Auch in dem neuen Landtag,
welcher am 14. September 1845 eröffnet wurde, hatte die Opposition neue
Sitze errungen. Zum ersten Mal trat hier jener "entschiedenere" Nachwuchs
im Landhaussaal auf, der sich zwar Todt's Führung noch unterordnete, aber
den alten Führer der sächsischen Opposition doch häufig auch weiter nach Links
führte, als ihm lieb war; dagegen sonderte sich dieser junge Fortschritt voll-
stündig von dem maßvollen Liberalismus der Braun, Georgi, Brockhaus u. s. w.
Diese äußerste Linke war hauptsächlich vertreten durch die nächsten Freunde
Blum's: Schaffrath, Joseph, Hensel, Rewitzer. Ueberhaupt schied sich seit den
Leipziger Augustereignissen mehr und mehr der radikale Fortschritt unter Blum's
Führung ab von dem gemäßigteren Liberalismus, der in der Presse haupt¬
sächlich durch Prof. Biedermann, im Landtag durch Braun u. f. w. vertreten war.

Doch vorläufig verband die reciktiouäre Haltung des Ministeriums noch
sämmtliche oppositionelle Elemente der Kammer zu gemeinsamer Schlachtreihe.
Männer aller Parteifarben hatten die treffliche Petition Biedermann's an den
Landtag unterzeichnet, welche Sühne für das in Leipzig vergossene Blut forderte.

Schon die Thronrede der Regierung war weniger herzlich, als sonst. Mit
mahnenden Ernst forderte der König die Stände auf, thu bei der Erhaltung
eines verfassungs- und ordnungsmäßigen Ganges im innern Staatsleben zu


Hand besitzt, das in die afghanischen Händel verwickelt werden kann, darf jetzt
einen Krieg mit China nicht vom Zaune brechen. Der chinesische Gesandte
nach Se. Petersburg ist unterwegs. Warten wir ab, was er mit Fürst Gvrt-
schakow für ein Abkommen trifft.


A. Rauchhaupt.


Me Leipziger Mausereignisse 1845.
in.
Die Lnndtcigsverhandlungm.

Jeder unbefangene Beobachter der sächsischen Zustände und namentlich jeder
aufrichtige Freund der Regierung mußte sich überzeugt halten, daß das Ministerium
Kvuueritz das Königreich entweder einem Staatsstreich oder einer Revolution
entgegentreibe. Mit gleich verblendeten Eigensinn hat nur noch Herr v. Beust
Zwanzig Jahre später das Land regiert und der Katastrophe von 1866 ent¬
gegengetrieben. Von Jahr zu Jahr war die Bewegung der Geister, welche die
Regierung einfach unterdrücken zu können meinte, gewachsen, mit jedem Jahre
auch die Zahl der Opposition im Landtag. Auch in dem neuen Landtag,
welcher am 14. September 1845 eröffnet wurde, hatte die Opposition neue
Sitze errungen. Zum ersten Mal trat hier jener „entschiedenere" Nachwuchs
im Landhaussaal auf, der sich zwar Todt's Führung noch unterordnete, aber
den alten Führer der sächsischen Opposition doch häufig auch weiter nach Links
führte, als ihm lieb war; dagegen sonderte sich dieser junge Fortschritt voll-
stündig von dem maßvollen Liberalismus der Braun, Georgi, Brockhaus u. s. w.
Diese äußerste Linke war hauptsächlich vertreten durch die nächsten Freunde
Blum's: Schaffrath, Joseph, Hensel, Rewitzer. Ueberhaupt schied sich seit den
Leipziger Augustereignissen mehr und mehr der radikale Fortschritt unter Blum's
Führung ab von dem gemäßigteren Liberalismus, der in der Presse haupt¬
sächlich durch Prof. Biedermann, im Landtag durch Braun u. f. w. vertreten war.

Doch vorläufig verband die reciktiouäre Haltung des Ministeriums noch
sämmtliche oppositionelle Elemente der Kammer zu gemeinsamer Schlachtreihe.
Männer aller Parteifarben hatten die treffliche Petition Biedermann's an den
Landtag unterzeichnet, welche Sühne für das in Leipzig vergossene Blut forderte.

Schon die Thronrede der Regierung war weniger herzlich, als sonst. Mit
mahnenden Ernst forderte der König die Stände auf, thu bei der Erhaltung
eines verfassungs- und ordnungsmäßigen Ganges im innern Staatsleben zu


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[0145] Hand besitzt, das in die afghanischen Händel verwickelt werden kann, darf jetzt einen Krieg mit China nicht vom Zaune brechen. Der chinesische Gesandte nach Se. Petersburg ist unterwegs. Warten wir ab, was er mit Fürst Gvrt- schakow für ein Abkommen trifft. A. Rauchhaupt. Me Leipziger Mausereignisse 1845. in. Die Lnndtcigsverhandlungm. Jeder unbefangene Beobachter der sächsischen Zustände und namentlich jeder aufrichtige Freund der Regierung mußte sich überzeugt halten, daß das Ministerium Kvuueritz das Königreich entweder einem Staatsstreich oder einer Revolution entgegentreibe. Mit gleich verblendeten Eigensinn hat nur noch Herr v. Beust Zwanzig Jahre später das Land regiert und der Katastrophe von 1866 ent¬ gegengetrieben. Von Jahr zu Jahr war die Bewegung der Geister, welche die Regierung einfach unterdrücken zu können meinte, gewachsen, mit jedem Jahre auch die Zahl der Opposition im Landtag. Auch in dem neuen Landtag, welcher am 14. September 1845 eröffnet wurde, hatte die Opposition neue Sitze errungen. Zum ersten Mal trat hier jener „entschiedenere" Nachwuchs im Landhaussaal auf, der sich zwar Todt's Führung noch unterordnete, aber den alten Führer der sächsischen Opposition doch häufig auch weiter nach Links führte, als ihm lieb war; dagegen sonderte sich dieser junge Fortschritt voll- stündig von dem maßvollen Liberalismus der Braun, Georgi, Brockhaus u. s. w. Diese äußerste Linke war hauptsächlich vertreten durch die nächsten Freunde Blum's: Schaffrath, Joseph, Hensel, Rewitzer. Ueberhaupt schied sich seit den Leipziger Augustereignissen mehr und mehr der radikale Fortschritt unter Blum's Führung ab von dem gemäßigteren Liberalismus, der in der Presse haupt¬ sächlich durch Prof. Biedermann, im Landtag durch Braun u. f. w. vertreten war. Doch vorläufig verband die reciktiouäre Haltung des Ministeriums noch sämmtliche oppositionelle Elemente der Kammer zu gemeinsamer Schlachtreihe. Männer aller Parteifarben hatten die treffliche Petition Biedermann's an den Landtag unterzeichnet, welche Sühne für das in Leipzig vergossene Blut forderte. Schon die Thronrede der Regierung war weniger herzlich, als sonst. Mit mahnenden Ernst forderte der König die Stände auf, thu bei der Erhaltung eines verfassungs- und ordnungsmäßigen Ganges im innern Staatsleben zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/145>, abgerufen am 29.04.2024.